Reifenhändler des Jahres – Delticom
Rainer Binder und Dr. Andreas Prüfer hatten vor rund zehn Jahren eine Geschäftsidee. Und sie setzten diese beharrlich und letztlich mit großem Erfolg um. Verkauf von Reifen über das Internet, für die erforderlichen Dienstleistungen wie Montage und Auswuchten sorgt ein Netz von Servicebetrieben, die lange einfach nur als „Schrauber“ gering geschätzt worden sind. Dabei galt es lange Zeit als fraglich, ob ein solch beratungsnotwendiges Produkt wie Reifen, zumal Super-High-Performance-Reifen, für diesen Vertriebsweg geeignet ist. Die Zweifler wissen inzwischen: Es geht!
Spielte in den ersten Jahren der Großhandel durchaus eine nicht zu unterschätzende Rolle, so ist dieser Geschäftsbereich gerade noch mit acht Prozent am Umsatz beteiligt, aber satte 92 Prozent werden über E-Commerce, das Geschäft mit Endverbrauchern, abgewickelt. Der Umsatz entwickelt sich sprungartig über 173 Mio. Euro (2006), 215 Mio. (2007) und 259 Mio. Euro im vergangenen Jahr. Bei Vorstellung der Ergebnisse des dritten Quartals 2009 wurde klar, dass auch in diesem Jahr wiederum mit einem Umsatzsprung abgeschlossen werden kann.
The name of the game is profit. Dass Delticom auch dieses Spiel beherrscht, beweisen die Ertragszahlen. Mit einer über die Jahre ziemlich stabilen Ebit-Marge um rund sechs Prozent erzielte Delticom einen Gewinn nach Steuern von 6,28 Millionen Euro (2006), 8,35 Millionen (2007) und im Vorjahr gar 11,73 Millionen Euro. Das sind Zahlen, die im europäischen Reifenhandel so derzeit wohl kaum erreicht werden.
National ist die Stellung von Delticom nicht allzu bedeutend, denn der Umsatz wird eigenen Angaben zufolge in derzeit 35 europäischen Ländern, aber auch in Nordamerika und Japan generiert, wobei Deutschland einen Schwerpunkt bildet.
Was ist ein Unternehmen wert? Anlagevermögen? Sehr gering. So könnte man den Ebit oder EbitDA mit 6 bis 8 multiplizieren und käme damit derzeit auf etwa 100 bis 140 Millionen Euro. Darüber lässt sich nun streiten oder auch nicht. Fußballfreunde wissen schließlich: Die Wahrheit ist immer auf dem Platz. Im Falle Delticom ist es die Börse. Und die Börsenkapitalisierung liegt derzeit bei rund 290 Millionen Euro und hat sich damit im Verlauf des Jahres 2009 glatt verdoppelt.
Die Gründer Binder und Prüfer halten immer noch 26,24 Prozent bzw. 27,92 Prozent, zusammen also die deutliche Mehrheit. Daneben gibt es eine Reihe von Beteiligungsgesellschaften, die samt und sonders mit kleineren Anteilen vertreten sind. Nur noch 30,47 Prozent befinden sich im Streubesitz. Das kann den Kurs leicht ansteigen lassen, allerdings könnte es auch genauso gut schneller nach unten gehen als den Aktionären lieb sein kann.
Delticom ist ohne Frage ein Unternehmen, auf das Beteiligungsgesellschaften wegen ihres Wachstumspotenzials ein Auge geworfen haben; das fördert nun mal die Fantasien an den Börsen am besten.
Immer wieder ist in letzter Zeit das Gerücht zu hören, das Duo Binder/Prüfer sei an einem Ausstieg interessiert und versuche, den Boden dafür vorzubereiten. An konkreten Beweisen, die diese Gerüchte stützen könnten, fehlt es bisher aber.
Wann ist die Zeit günstig für einen Ausstieg? Delticom wird sich auf zunehmenden Wettbewerb einstellen müssen und es ist durchaus nicht sicher, ob der Gleichklang von Umsatz- und Gewinnsprüngen noch länger beibehalten werden kann. Doch das Ende der Fahnenstange ist dennoch nicht erreicht. Die meisten der bisherigen Konkurrenten beschäftigen sich mit E-Commerce vorrangig, um das bereits bestehende Handelsgeschäft mit und ohne Niederlassungen zu stärken. Solche Anbieter tun sich vermutlich schwerer als Delticom, einfach mit einem möglichst niedrigen Preis in die Werbung und damit den Wettbewerb zu gehen. Momentan dürfte es genug Interessenten geben, die die Anteile der beiden Firmengründer gerne übernehmen würden. Allerdings ist nicht anzunehmen, dass sich darunter Reifenhersteller befinden. Delticom wäre ein typisches Beispiel für Private Equities, die mit aller Macht versuchen könnten, das Wachstumspotenzial zu heben und den Wachstumspfad nochmals zu beschleunigen. Auf der Basis dessen, was heute mit Delticom möglich wäre, lässt sich eine Börsenkapitalisierung von rund 300 Millionen Euro ohne große Fantasie nur schwer nachvollziehen.
Alles andere bleibt abzuwarten. Das Jahr 2009 ist nach Angaben des Unternehmens wiederum ein sehr erfolgreiches. Man profitiert von der Abwrackprämie und dem gewachsenen Winterreifenmarkt. Und 2010 beginnt das Rennen für alle wieder von vorne. Nichts aber spricht derzeit dafür, dass der Wachstumskurs der Delticom AG so schnell gestoppt sein könnte. klaus.haddenbrock@reifenpresse.de
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