Michelin Schweiz zeigt Ex-Angestellten wegen Veruntreuung an (Update)
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht noch zu sorgen. Der Bib ist im Schwyzkasten und hat eine Menge Schweizperlen auf der Stirn, nachdem Betrügereien und Veruntreuungen zum Nachteil von Michelin in der Schweiz durch einen fristlos gekündigten Angestellten ans Tageslicht gekommen sind. Der Schaden beläuft sich nach Michelin-Angaben auf 1,5 bis zwei Millionen Franken (bis zu 1,3 Millionen Euro). Das Unternehmen hat inzwischen Strafanzeige erstattet. Der Mann gebe die Tat grundsätzlich zu, schreibt dazu die NZZ, er bestreite aber die Höhe der veruntreuten Gelder. Das sollte auch stimmen, denn aus hier nicht näher zu beschreibenden Michelin-Kreisen war zu hören, dass der Schaden weitaus, konkret: um ein Mehrfaches, höher ausfalle. Die Untersuchung läuft noch und eine besondere Schwierigkeit liegt darin, dass der ungetreue Ex-Mitarbeiter sein Unwesen über viele Jahre treiben konnte ohne aufzufallen. Beim Rechnungsabschluss im vergangenen März fielen den Verantwortlichen gröbere Unregelmäßigkeiten auf. Zunächst glaubte man noch, der betroffene Mitarbeiter habe sich einfach grobe Fehler erlaubt. „Mitte April entließen wir ihn deswegen“, bestätigte der Direktor von Michelin Schweiz in Givisiez, Charles Aeby. Ende April kam dann heraus, dass der ehemalige Angestellte nicht einfach schlampig gearbeitet hatte, sondern offenbar Geld veruntreut hat. Der 58-jährige Mann war vor seiner Entlassung seit den frühen 90er Jahren für Michelin tätig. Während der Schweizer Manager relativ umfassend Fragen der Schweizer Presse beantwortete, gibt man sich bei der eigentlich zuständigen Presseabteilung in Karlsruhe zugeknöpft. Kommunikations-Direktor Thomas Hermann erklärte auf Anfrage der Neue Reifenzeitung, die kommunizierten Details (Schaden von 1,5 bis 2 Millionen Franken, Red.) seien "absolut korrekt", weitere Details gebe es nicht.
Der für den Finanzbereich Deutschland/Österreich/Schweiz verantwortliche Mann für den Finanzbereich war dem Betrüger auf die Schliche gekommen als dieser in Urlaub weilte und keine weiteren Manipulationen an der monatlichen Abrechnung anzubringen wusste. Es macht offenbar äußerst große Mühe, den Schaden einigermaßen genau zu beziffern, weil der ungetreue Mitarbeiter sich über mehr als zehn Jahre immer wieder bediente. In der Rückschau ist es relativ leicht, mit Vorhaltungen aufzutreten. Es soll aber so gewesen sein, dass der ungetreue Mitarbeiter als etwas trottelig eingeschätzt wurde und keinesfalls als besonders helle oder gar gerissen. Dies wurde auch seinem direkten Vorgesetzten zum Verhängnis, von dem sich Michelin trennte, obwohl er nicht an den Machenschaften beteiligt war, diese aber hätte bemerken können, wenn nicht bemerken müssen.
Im Umgang mit der Justiz hat der Betrüger Erfahrung. Anfang der 90er Jahre war er schon zu 18 Monaten „bedingte Haft“ verurteilt worden, weil er als Mitarbeiter der Post mit fingierten Auszahlungsscheinen 212.000 Franken unterschlagen hatte. Er fand einen gnädig gestimmten Richter, weil er nach Ansicht eines hinzugezogenen Psychologen als nur bedingt schuldfähig anzusehen sei. Die Unterschlagung sei ihm als Ausweg erschienen, nachdem er wegen eines Hausbaus in finanzielle Nöte gestürzt sei. Es gelang ihm offensichtlich, seine unrühmliche Vergangenheit dem neuen Arbeitgeber Michelin bis zu seinem Rauswurf zu verbergen. Was der sehr bescheiden auftretende Mann mit den ergaunerten Millionen gemacht haben könnte, bleibt wohl sein Geheimnis. Er hat, so weit das geklärt werden konnte, kein Vermögen. Zudem dürfte er auch dieses Mal Chancen auf eine Bewährungsstrafe haben und könnte auch dieses Mal wegen „bedingter Schuldfähigkeit“ recht günstig davon zu kommen. Psychische Schäden vorliegender Art wachsen sich nicht einfach aus.
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