Reifenlabeling als Chance begreifen
Michelin zählt sich zu den Reifenherstellern, die ohne Wenn und Aber hinter den Plänen der EU stehen, ab November 2012 Reifen für Fahrzeuge der Klassen C1 (Pkw), C2 (Llkw) und C3 (Lkw) hinsichtlich ihres Rollwiderstandes sowie ihrer Nassbremseigenschaften und den von ihnen ausgehenden Geräuschemissionen zu kennzeichnen. Mittels eines sogenannten Reifenlabels sollen Verbraucher nach dem Willen der Politik ab dem Stichtag 1. November 2012 die im Markt angebotenen Reifen hinsichtlich dieser drei Kriterien auf einen Blick vergleichen können. Denn auf dem Label wird der jeweilige Reifen über Buchstaben in Bezug auf seinen Rollwiderstandsbeiwert und sein Nassbremsverhalten charakterisiert, während die Geräuschemissionen direkt als Zahlenwert in dB(A) angegeben werden. Die von Teilen der Branche geäußerte Befürchtung, dass eine solche Kennzeichnung wie man sie in analoger Form seit Jahren schon etwa im Zusammenhang mit dem Energieverbrauch von Kühlgeräten/Gefriertruhen, Waschmaschinen/Trocknern und Ähnlichem her kennt zulasten der (Nassbrems-)Sicherheit von Reifen gehen könnte, teilt Dr. Joachim Neubauer, in der MichelinZentrale in Clermont-Ferrand (Frankreich) für den Bereich Normen und Vorschriften für die Region Deutschland, Österreich, Schweiz verantwortlich, indes nicht. Vielmehr sieht er das Reifenlabeling eher als Chance, den Verbraucher dafür zu sensibilisieren, welche Rolle der Reifen im Hinblick auf die Fahrsicherheit und natürlich auch in Bezug den Kraftstoffverbrauch eines damit bereiften Fahrzeuges spielt.
Ist von anderer Seite mitunter vom Zielkonflikt zwischen einem niedrigen Rollwiderstand und einem möglichst kurzen Bremsweg auf nassen Fahrbahnen die Rede, so macht Neubauer hier von einer anderen Terminologie Gebrauch als die Kritiker des Reifenlabels. Aus seiner Sicht geht es eher um „gegensätzliche Anforderungen“, die man allerdings – nimmt er zumindest für Michelin in Anspruch – durchaus unter einen Hut bringen könne. Durch „intelligente Materialien“ beispielsweise, womit fortschrittliche Technologien etwa in Sachen Laufflächenmischung oder der Festigkeitsträger der Karkasse usw. gemeint sind, sowie unter anderem auch durch Fortschritte bzw. Innovationen rund um den Reifenfertigungsprozess sei es möglich, den widersprüchlichen respektive gegensätzlichen Anforderungen in Bezug auf Rollwiderstand und Nassbremsen zu begegnen, betont Neubauer. „Das ist vergleichbar mit einem Flugzeug, das dank der entsprechenden Technologie der Schwerkraft trotz“, versucht Dr. Neubauer anschaulich zu erklären, was gemeint ist. Doch warum bemüht sich Michelin eigentlich immer wieder darum hervorzuheben, dass aus Konzernsicht ein Sowohl-als-auch statt eines simplen Entweder-oder in Sachen dieser beiden Disziplinen durchaus möglich ist?
Das Unternehmen hat sich bekanntlich einer „nachhaltigen Mobilität“ verschrieben und sich deshalb selbst das Ziel gesetzt, den Rollwiderstandsbeiwert seiner Produkte bezogen auf einen Durchschnittwert von rund zehn Kilogramm je Tonne noch zu Anfang dieses Jahrtausends bis 2030 auf rund fünf Kilogramm je Tonne zu halbieren – laut Neubauer immerhin nichts weniger als „eine unglaubliche Herausforderung“. Da will man mit Blick auf die von Branchenteilen immer wieder in Gang gebrachte Zielkonfliktdiskussion natürlich keinerlei Zweifel an der Sicherheit von Michelin-Reifen aufkeimen lassen. Zumal die Franzosen schon seit Anfang der 90er-Jahre verstärkt auf das Thema rollwiderstandsreduzierte Reifen setzen. Ein Effekt unsicherer Reifen sei seit Einführung der ersten „grünen“ Reifen durch Michelin jedenfalls in keinster Weise statistisch belegt, sagt Dr. Neubauer. Eher das Gegenteil sei der Fall, erklärt er unter Verweis auf bei DEKRA und TÜV Süd in Auftrag gegebene Vergleichstests. Dabei hätten Michelin-Reifen nicht nur eine höhere Laufleistung und ihr Spritsparpotenzial unter Beweis gestellt, sondern gleichzeitig auch ihre Qualitäten in Sachen Nassbremsen. Nicht viel Anderes ergebe sich regelmäßig auch bei den Reifentests der bekannten Automobilzeitschriften. „Beim Nassbremsen liegen wir dort sicherlich nicht immer vorne, aber doch zumeist im oberen Drittel. Manchmal schneiden wir sogar noch besser ab“, so Neunauer.
Dies wird als Beleg dafür gewertet, dass es dank fortschrittlicher Michelin-Technologien sehr wohl möglich ist, die unterschiedlichen Reifenanforderungen unter einen Hut zu bringen. In diesem Zusammenhang vergisst Neubauer übrigens nicht, auf das Stichwort „Total cost of ownership“ zu verweisen: Ein niedriger Rollwiderstand einerseits helfe Kraftstoff zu sparen und ein geringer Verschleiß bzw. eine hohe Laufleistung, für die Michelin-Reifen seinen Worten zufolge im Markt bekannt sind, führe andererseits letztlich ebenfalls zu geringeren Kosten. Wobei ein langes Reifenleben zudem noch – ganz im Sinne einer „nachhaltigen Mobilität“ – einen Beitrag in Bezug auf die Ressourcenschonung leiste. „Ziel des Reifenlabelings ist es, durch die Nutzung der Marktkräfte eine dynamische Verbesserung aller Reifenparameter über die festgesetzten Mindestanforderungen hinaus zu bewirken“, erhofft sich Neubauer davon eine Verbesserung der Energieeffizienz der Reifen im Markt bei einer gleichzeitigen Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr. Und wenn im Zuge dessen zudem der Verbraucher ein wenig mehr für die schwarzen runden Gummis an seinem Fahrzeug sensibilisiert wird, könne dies doch wohl nicht schaden. „Wir sollten jedenfalls nicht die Chance verpassen, im Zuge der zunehmenden Fokussierung auf den Umweltschutz die Rolle, die Reifen in diesem Zusammenhang spielen können, hervorzuheben“, können Dr. Neubauer und Michelin dem Reifenlabeling ohne jeden Zweifel einen positiven Aspekt abgewinnen.
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