Bei Reifen Meisen: Wogen sind geglättet
Ausgerechnet im Jubiläumsjahr 2008 – dem Jahr des 80. Bestehens – kam es wirklich knüppeldick für die Meisens in Solingen, durch und durch ein Familienbetrieb im Reifengroß- und -einzelhandel. Erst verstarb Firmen- und Familienpatriarch Klaus – in der deutschen Reifenhandelslandschaft wohlbekannt und wahrlich unübersehbar –, dann folgte im Juli die Insolvenz der Doris Meisen GmbH und Co. KG (sowie der Doris Meisen Verwaltungsgesellschaft mbH) und schließlich nach langer schwerer Krankheit auch noch der Tod der Mutter. Nebenbei sei nur erwähnt, dass auch eines der vier Meisen-Kinder medizinisch auf schier unglaubliche Weise gebeutelt wurde. Da standen sie nun, die Geschwister: Susanne Becker, Andrea Haensel, Michael und Stefan, mit 46 Jahren der Jüngste im Quartett – die Eletern kurz hintereinander gestorben, auf deren Lebenswerk hatte ein Insolvenzverwalter den Daumen drauf, auch für sie selbst war die wirtschaftliche Zukunft alles andere als sicher, in der lokalen Presse war im November 2008 von Verbindlichkeiten in Höhe von rund 4,6 Millionen Euro die Rede.
Klein beigeben allerdings ist kein Wesenszug der Meisens. Sie packten an, an keinem einzigen Arbeitstag ruhte im Anschluss an die Insolvenz der Betrieb, die Geschäfte wurden weitergeführt, fast als wäre nichts geschehen. Was natürlich nicht zuletzt auch ein Verdienst des Insolvenzverwalters war, aber gewiss nur möglich, weil die vier Geschwister – allesamt seit vielen Jahren im Betrieb – konstruktiv mitarbeiteten und so dazu beitrugen, dass die Gläubiger eine durchaus passable Quote erhielten, man habe alle Punkte gemeinsam abgearbeitet.
Und in zweierlei Hinsicht hatten die Meisens auch Grund zur Freude: Da waren erst einmal zahlreiche Kunden, die dem Unternehmen die Treue hielten. Und der im Jahre 2002 für gut drei Millionen Euro errichtete Neubau – Lager für mehr als 100.000 Reifen und Verwaltungstrakt – war eben nicht Teil der Insolvenzmasse. Die Insolvenz war keine Folge dieser Großinvestition wenige Jahre zuvor, berichtet Stefan Meisen, sondern sei angesichts der Gegebenheiten und des längst jenseits der Leistungsgrenze operierenden alten Lagers schlicht eine Notwendigkeit gewesen.
Nicht einmal ein Jahr nach dem Insolvenzantrag haben sich die Wogen jedenfalls geglättet. Alles sei irgendwie wie zuvor, sagt Susanne Becker, nur eben auf ungefähr ein Drittel der vormaligen Größe eingedampft. Statt gut über 30 Millionen Euro Umsatz nur noch so acht bis zehn Millionen, statt 45 Beschäftigte sind es derzeit 20 – wobei die Meisens natürlich mitzählen.
An der D. Meisen Vertriebs GmbH sind die vier zu gleichen Teilen, also mit jeweils 25 Prozent beteiligt, die Geschäfte führen – so hatte es schon Vater Klaus geregelt – Susanne Becker und ihr Bruder Stefan. Die Aufgaben sind verteilt: Susanne Becker ist für das
Kaufmännische zuständig, Stefan Meisen für den Ein- und Verkauf, Michael Meisen obliegt die Logistik, als gelernte Bankkauffrau kümmert sich Andrea Haensel um die Finanzen.
Nicht nur der Großhandel auf einer Fläche von 3.600 Quadratmetern im Solinger Gewerbegebiet Dycker Feld wird fortgeführt, auch die beiden Standorte Schlagbaumer Straße – nicht nur in Solingen, sondern weit über die Region hinaus unter dem Namen „Offroad Center Meisen“ bekannt – und der kleinere Einzelhandelsbetrieb in Grevenbroich bleiben bestehen, allerdings sind diese Immobilien im Rahmen der Insolvenz an einen Investor gegangen, Meisen ist jetzt dessen Mieter. Susanne Becker: „Früher lag der Anteil des Einzelhandels bei vielleicht vier Prozent, unser neues Geschäftsmodell sieht einen Anteil von etwa 25 Prozent vor.
Der Großhandel wird also weiter den dominanten Part spielen, allerdings wird man Meisen künftig noch weniger als schon zuvor auf der internationalen Großhandelsbühne sehen. Das Unternehmen besinnt sich auf die Wurzeln im Großhandelsgeschäft und die starke Verankerung im Bergischen Land. Reifen Meisen ist zuallererst regionaler Großhandel. Gleichwohl hat man einfach in einzelnen Nischen bundesweit einen guten Namen und will den natürlich nutzen: Das Offroad-Geschäft hatte Stefan Meisen selbst Ende der 80er Jahre forciert, jetzt will er es auch weiter pflegen. Die Fokussierung auf Nischen beinhaltet neben dem Kompetenzfeld Offroad und SUV künftig auch Scooter- und Quad-Reifen. Große Nutzfahrzeugreifen besorgt man auf Anfrage, Motorradreifen sind zwar im Programm, die besondere Kompetenz hierauf spezialisierter Grossisten wird aber anerkannt. Bei Pkw-Reifen klingt Bedauern mit, dass Matador sich nach Übernahme durch Continental aus dem Motorsport zurückgezogen hat: Darin steckte sowohl das Herzblut der vormaligen Matador-Eigner, der Familie Rosina, wie das Herzblut ihres zweitstärksten deutschen Händlers, der Familie Meisen (Nr. Eins war das Reifen Center Wolf in Nidderau, d. Red.).
Heute ist Matador im Meisen-Programm eine Marke wie jede andere auch. Längst ist die D. Meisen Vertriebs GmbH wieder bei eigentlich allen früheren Lieferanten gelistet. Die Kunden haben ihrem Groß- und Einzelhändler all die Zeit die Treue gehalten, die Lieferanten sind zurückgekehrt.
Und wer so lange im Geschäft ist, der weiß, dass man sich von den Mitbewerbern tunlichst ein wenig unterscheiden sollte. Die Meisen-Geschwister machen das mit ihrer so persönlichen, herzlichen und offen-direkten Herangehensweise ans Geschäft, aber auch mit dem Sortiment, das sie führen: Vor einigen Wochen hat man den Vertrieb von runderneuerten Reifen der Marke Marix aus dem Hause Marangoni für Deutschland übernommen. „Nur“ für 4×4- und SUV-Reifen, verspricht man sich davon doch für die Branche noch ungewöhnlich hohe Margen, die sich mit Pkw-Reifen der Marke Marix wohl kaum erzielen ließen, jedenfalls ist Stefan Meisen da skeptisch – so angetan er auch von der Qualität der Produkte sein mag.
Ebenso übrigens von der Qualität der hierzulande noch nahezu unbekannten Neureifenmarke Fenix, obwohl dies noch eine ganz junge Pflanze im Garten des Großhändlers ist. Fenix-Reifen stammen von einem indonesischen Hersteller, der Qualität auch dadurch beweist, dass er im Offtake Reifen für eine durchaus renommierte europäische Marke herstellt. Meisen hat übrigens die Vertriebsrechte nicht nur für den deutschsprachigen Raum, sondern auch für andere Länder, vor allem in Osteuropa. Aber man übt sich in Bescheidenheit: Um das in größerem Stil betreiben zu können, dafür sei man wohl zu klein. Außerdem gelte es erst einmal, das Fenix-Programm aufzubauen, wobei Stefan Meisen vor allem eben an 4×4- und SUV-, aber auch an LLkw- und Scooter-Reifen denkt.
Jetzt erst recht
Ein Anschreiben an alte Kunden hatte Reifen Meisen unlängst mit „Jetzt erst recht“ überschrieben und die Resonanz war äußerst positiv. Welche Bedeutung das jahrelange Wirken ihres Vaters für den Betrieb hatte, erfahren die vier Meisen-Geschwister immer wieder, wenn sich Kunden daran erfreuen, dass die Geschichte des Klaus Meisen eine Fortsetzung erfährt, berichtet Susanne Becker. Aber auch intern ist die monatelange Depression überwunden. Die ja oftmals sehr langjährigen Mitarbeiter haben gespürt, dass ihr Arbeitgeber mit ihnen verbunden war und versucht hat, beim in der Insolvenz unvermeidbaren Personalabbau auftretende Härten abzumildern, wo immer möglich. Auch die Reifenpresse könne sich freuen, lacht Stefan Meisen zum Abschluss, „kann sie in diesen wirtschaftlich schlechten Zeiten mit so vielen schlechten Nachrichten doch endlich mal wieder etwas Positives schreiben: Bei den Meisens geht’s wieder bergauf!“
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