OTR Tyres: Viel Raum für große Runderneuerte
Noch vor einigen Monaten war die Knappheit bei EM-Reifen dermaßen groß, dass Hersteller von Erdbewegungsmaschinen und Endverbraucher jeden Reifen montiert haben, den sie greifen konnten. Heute sieht sie Situation anders aus. Ende Febraur traf sich die NEUE REIFENZEITUNG mit dem Produktionsleiter von OTR Tyres Ltd. aus Großbritannien, Wayne Cornell, und erfuhr, dass Runderneuerte sich auch unter der neuen Wettbewerbssituation gut schlagen, obwohl es mittlerweile am Markt insgesamt einen Angebotsüberschuss an EM-Reifen gibt.
Die Knappheit bei EM-Reifen bot gerade für Importeure günstiger Fabrikate aus Fernost wie auch für Runderneuerer ein gutes Geschäftsumfeld. Diejenigen, die sich flexibel an die Marktsituation anpassen konnten, erfuhren große Umsatzsteigerungen. Dies allerdings, wie wir nun permanent lesen und hören müssen, hat sich durch die globale Finanzkrise und die Rezession schlagartig geändert. Das Baugewerbe war eine der ersten Branchen, die die Rezession durch eine deutlich geringere Bauneigung zu spüren bekam. Dies zeigt schlaglichtartig, wie sehr die Rezession sich auf die Nachfrage durchschlägt und das Wachstum einschränkt – die geringere Nachfrage nach Reifen für Erdbewegungsmaschinen kommt einem Kollateralschaden gleich. Da die Erstausrüster und Endverbraucher heute eben weniger EM-Reifen benötigen als noch vergangenen Sommer, stellt die Versorgungslage nun kein Problem mehr da. Es gibt zwar gerade bei den sogenannten „Giant Tyres“ und einigen Größen für Staplerreifen noch Engpässe, so ist zu hören. Aber insgesamt ist dies heute eine andere Welt.
Nun, da die Angebotslücke bei EM-Reifen über 25 Zoll endlich vorüber ist, überlegen Kunden wieder, warum sie nun den einen oder eben den anderen Ersatzreifen kaufen sollten; Kunden werden wieder wählerischer. Offenbar ist es allgemeiner Konsens, dass ein Großteil der nach Europa importierten China-Reifen in der Vergangenheit nicht mehr als willkommene Lückenbüßer waren und dass diese Reifen in der Regel den Ansprüchen nicht gerecht wurden. „Die Probleme in der Produktion und bei der Versorgung mit Reifen habe es Unternehmen gelehrt, ihre Reifen als Kapital anzusehen. Kunden sind immer noch zurückhaltend, was große Ausgaben für Neureifen angeht. Aber viele haben gesehen, dass selbst die besten Reifen [aus China] nur dazu produziert wurden, um abgenutzt und dann weggeworfen zu werden“, so Wayne Cornell gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG. Aber bedeutet dies nun, dass insbesondere die Nachfrage nach Premiumfabrikaten unter den EM-Reifen ansteigt? Mitnichten.
Während der EM-Reifenknappheit wurden Runderneuerte als die kostengünstigste Alternative zu Neureifen akzeptiert, da die Runderneuerung das Reifenleben beinahe verdoppelt, aber nur rund 60 Prozent zusätzliche Kosten verursacht. Laut OTR Tyres verstehen heutzutage mehr und mehr Unternehmen, dass es falsches Wirtschaften ist, einen EM-Reifen bis zu seiner vollständigen Zerstörung am Fahrzeug zu lassen. Die Erkenntnis laute: Runderneuerung ist der Weg in die Zukunft. In der Konsequenz konzentrieren sich Unternehmen wie OTR Tyres und Vacu-Lug und Bridgestone auf diesen Geschäftszweig.
OTR Tyres bietet etwa sein sogenanntes „TotalTyreLogic“-Reifenmanagementprogramm bereits in über 30 Minen in Schottland an. Mit TotalTyreLogic lässt sich der Zustand und die Einsatzbedingungen der einzelenen Reifen regelmäßig beurteilen, dazu sind lediglich kontinuierliche Überprüfungen im Fuhrpark und eine entsprechende Datenverwaltung notwendig. Das neueste Tool, das unter TotalTyreLogic angeboten werden soll, ist ein RFID-gestütztes, kabelloses EM-Reifennachverfolgungssystem.
All dies führe dazu, so OTR-Tyres-Vertreter, dass das Unternehmen runderneuerte EM-Reifen fertigen kann, die in Sachen Qualität und Performance direkt mit Neureifen konkurrieren können. Aber könnte dann nun in Zeiten des Überangebotes nicht die Gefahr bestehen, dass Premiumneureifenhersteller einfach ihre Preise für EM-Reifen senken – wie von einigen Analysten vorhergesagt – und damit den Kostenvorteil von Runderneuerten auflöse?
Während die Produktion von EM-Reifen infolge des allgemeinen Marktrückgangs zwischen zehn und 20 Prozent zurückgegangen ist, so Wayne Carnell, erwarte man ab der zweiten Jahreshälfte eine gesteigerte Nachfrage nach runderneuerten EM-Reifen. Und was die Premiumhersteller und einen möglichen Preiskampf betrifft, so sind dafür aktuell jedenfalls keine Anzeichen sichtbar; im Gegenteil: Zuletzt wurden die Preise noch einmal angehoben. (Michelin etwa hat seine EM-Reifenpreise in Europa zum 1. Juli 2008 um durchschnittlich drei bis fünf Prozent angehoben.)
Was Wayne Cornell betrifft, ist es von zentraler Bedeutung, dass sich ein Runderneuerer auf die Herstellung von qualitativ hochwertigen Produkten konzentriert. Dann könne der Preisunterschied zum Neureifen als herausragendes Verkaufsargument genutzt werden. Und wirft man etwa einen Blick in die Michelin-Bilanz, dann muss man erkennen, dass Premiumhersteller im Segment EM-Reifen keinem allzu großen Druck unterliegen, auf die Kostenbremse zu drücken, schließlich hat dieses Produktsegment im vergangenen Jahr rund 45 Prozent zum operativen Gewinn des französischen Reifenkonzerns beigetragen. Reifenhersteller werden solche Gewinne verteidigen wollen.
„Unser bestes Kapital ist die Fabrik“
Laut OTR Tyres wolle man nun alles daran setzen, die Kunden, die das Unternehmen in Zeiten der Neureifenknappheit hinzugewinnen konnte, zu Stammkunden weiterzuentwickeln. Neben zusätzlichen Dienstleistungen wie etwa TotalTyreLogic-Reifenmanagement hofft der Runderneuerer aus Großbritannien darauf, insbesondere die Karte „Qualität“ spielen zu können. Das Hauptquartier des Unternehmens in Alfreton im Norden Englands sowie die dort ansässige Runderneuerungsfabrik bildeten das Modell für die beiden vergleichsweise neuen Betriebsstätten in Australien und Ghana. Die Ausbildung aller Mitarbeiter findet auch am Standort in Großbritannien statt.
Zusätzlich zur Einführung von effizienten Produktionstechnologien und Investitionen in moderne Produktionsanlagen und die Mitarbeiterschulung, ist OTR Tyres wohl der einzige Runderneuerer in Europa, dem es gelungen ist, seine Effizienzen durch ein Qualitätsmanagement nach der „Six Sigma“-Methodik zu steigern. Ein Beispiel der Effizienzverbesserungen im Produktionsalltag: Früher dauerte der Formenwechsel für die Runderneuerung eines EM-Reifens in 27.00R49 rund zwei Tage; heute könne dies binnen sechs Stunden erreicht werden.
Die Produktion bei OTR Tyres ist mittlerweile komplett auf Heißrunderneuerung und auf das sogenannten „Smooth-and-Groove“-Verfahren umgestellt; die Kaltrunderneuerung im Schelkmann-Verfahren findet nicht mehr statt. Die Entscheidung, sich von der Kaltrunderneuerung zu verabschieden, hängt direkt mit dem Beschluss zusammen, es mit den namhaften Neureifenherstellern als Wettbewerber aufnehmen zu wollen. Die Heißrunderneuerung bietet hier einen eindeutigen, optischen Vorteil gegenüber der Kaltrunderneuerung und bietet außerdem die Möglichkeit, dem von Wulst-zu-Wulst-Heißrunderneuerten einen eigenen Markennamen zu geben. Zu den jüngsten Investitionen gehörte auch die Installation einer weiteren Dreikopfraumaschine, wie im vergangenen Jahr geschehen. Diese Erweiterung im Maschinenpark erlaube es OTR Tyres, künftig noch flexibler auf Kundenwünsche einzugehen. Das Unternehmen bietet runderneuerte EM-Reifen zwischen 25 und 49 Zoll.
Was die Auswahl der Karkassen betrifft, so ist man bei OTR Tyres überaus wählerisch. So kommt etwa ein modernes Shearografie-Verfahren namens „EarthScan“ zum Einsatz. Zuletzt hatte das Unternehmen rund 196 Gigabytes an Daten zu shearografierten EM-Reifen auf seinen Servern. Und bei den Vorteilen, die runderneuerte EM-Reifen bieten, ist noch kein Wort über die positiven ökologischen Auswirkungen gesagt worden, wenn ein Produkt eben weiterverwendet werden kann und nicht entsorgt bzw. recycelt werden muss.
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