2008 für Reifenhandel zweites Rezessionsjahr in Folge, sagt der BRV
Nach Angaben des Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. (BRV) sind im vergangenen Jahr alles in allem knapp 52,5 Millionen Kraftfahrzeugreifen vom Handel an private und gewerbliche Verbraucher verkauft worden, was über alle Fahrzeugsegmente gesehen einem um 2,5 Millionen Einheiten rückläufigen Stückabsatz im Vergleich zu 2007 entspreche. Insofern spricht der BRV mit Blick auf die Absatzentwicklung 2008 vom nunmehr bereits zweiten Rezessionsjahr in Folge für den Reifenfachhandel, wobei anders als 2007, wo die Vorzeichen noch allein im – anteilsmäßig allerdings größten – Segment Pkw-Reifen negativ gewesen waren, im zurückliegenden Jahr auch bei den Produktgruppen Lkw-, Llkw- und Offroadreifen Absatzeinbußen zwischen rund fünf und 14 Prozent hingenommen werden mussten. Zuwächse meldet der Branchenverband lediglich bei Motorradreifen sowie in der volumenmäßig kleinsten Warengruppe der Bau- und Erdbewegungsmaschinenreifen, während der Absatz mit Landwirtschaftsreifen stagnierte.
„Wenn es überhaupt einen positiven Aspekt hinsichtlich der Geschäftsentwicklung des Jahres 2008 gibt, dann die Tatsache, dass der per Ende 2007 extrem hohe Lagerbestand an Pkw-Reifen knapp zur Hälfte abverkauft wurde“, so Peter Hülzer, geschäftsführender Vorsitzender des BRV, anlässlich der Vorlage der aktuellen Branchenzahlen. Die Negativentwicklung im Reifenersatzgeschäft habe trotz leicht gestiegener Dienstleistungsumsätze im Reifen- und Autoservice bei der Mehrheit der Händlerschaft zu deutlichen Umsatzeinbußen geführt, heißt es weiter. Durch striktes Kostenmanagement habe im ganz überwiegenden Teil des Reifenfachhandels zwar die Ertragslage stabilisiert werden können, aber der Anpassungsdruck in puncto Betriebsführung und insbesondere Personalkapazität bleibe nichtsdestotrotz hoch. „Nach Jahren der Zuwächse ist die Branche schon 2007 in der Normalität des Konjunkturverlaufs angekommen. Nun geht es wieder einmal bergab, und natürlich geht die gesamtwirtschaftliche Rezession auch am Reifenfachhandel nicht spurlos vorbei. Anstatt in der vagen Hoffnung auf ein Ende der Weltwirtschaftskrise zu verharren, kommt es jetzt für die Unternehmen der Branche mehr denn je darauf an, ihre individuellen Marktchancen konsequent zu nutzen“, sagt Hülzer.
Mit knapp 44,9 Millionen vom Handel an Verbraucher gelieferten Pkw-Reifen ging der Mengenabsatz im Vergleich zum Vorjahr um durchschnittlich 3,7 Prozent zurück. Der Anteil der Sommerreifen am Gesamtstückabsatz lag den BRV-Zahlen zufolge in der Fahrzeugkategorie Pkw bei rund 52 Prozent, der Rest entfiel auf Winterreifen. Der Absatz von Pkw-Winterreifen hat demnach insgesamt um 3,4 Prozent auf nicht ganz 21,4 Millionen Stück nachgegeben, wobei insbesondere runderneuerte Reifen in diesem Segment mit 400.000 Stück um sogar 20 Prozent unter dem Vorjahresreferenzwert von 500.000 Einheiten liegen. „Mit 20,3 Millionen wurden 2,5 Prozent weniger Pkw-Winter-Neureifen abgesetzt als in 2007. Im Segment Pkw-Sommerreifen sank der Mengenabsatz im Schnitt um vier Prozent auf rund 23,5 Millionen. Einzig positiv entwickelte sich hier mit einem Plus von 19,4 Prozent erneut der Absatz von Notlaufreifen“, teilt der Verband mit.
Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass sich damit die schon im Jahr 2007 beobachtete Entwicklung durchgehend in allen Gruppen des Sortimentsbereichs Pkw-Reifen fortgesetzt habe, wenn auch zum Teil in deutlich abgeschwächter Form. „Das Absatzminus bei Pkw-Reifen, in 2007 mit 11,5 Prozent noch im zweistelligen Bereich, ist immerhin auf knapp vier Prozent zurückgegangen. Leider fiel allerdings auch der Mehrabsatz im einzigen Wachstumsbereich Runflat-Reifen (Sommer) um einiges geringer aus als das Plus von knapp 35 Prozent im Vorjahr“, meint Hülzer. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Anteil dieser Warengruppe am Gesamtsegment Pkw-Reifen mit unter einem Prozent „nach wie vor sehr gering“ sei. Der Absatz von Offroadreifen, der 2007 noch als Wachstumsträger fungierte, ging im vergangenen Jahr ebenfalls zurück: um 5,1 Prozent auf 1,85 Millionen Einheiten.
Angesichts des Umstandes, dass die Absatzentwicklung der vergangenen zwei Jahre im Produktbereich Nutzfahrzeugreifen für den Handel noch erfreulich verlaufen ist, aber 2008 in diesem Marktsegment ebenfalls rückläufige Stückabsätze beobachtet wurden, spricht der BRV auch im Zusammenhang mit dem Nutzfahrzeugreifengeschäft von einer erheblich getrübten Stimmung. Zumal nach einem Plus von 2,4 Prozent im vorvergangenen Jahr 2008 Absatz von Lkw-Reifen um 14,1 Prozent zurückging, was in absoluten Zahlen rund 1,8 Millionen Neureifen (minus 13,4 Prozent) und knapp 1,2 Millionen runderneuerte Reifen (minus 15,1 Prozent) entspricht. Ebenfalls nach einem Plus im Vorjahr wieder negativ entwickelte sich das Reifenersatzgeschäft im Produktsegment Llkw-Reifen: Die laut BRV-Statistik leicht mehr als 2,6 Millionen Neu- und etwa 50.000 runderneuerten Reifen kommen demnach im Durchschnitt beider Produktgruppen einem Minus von 9,8 Prozent gegenüber 2007 gleich.
Demgegenüber habe 2008 in Sachen EM-Reifen eine „erfreuliche Zuwachsrate“ von durchschnittlich 7,5 Prozent (Vorjahr: plus 3,2 Prozent) verbucht werden können. „In dieser Produktgruppe wurden mit knapp 29.500 Neureifen 7,6 Prozent und mit gut 13.500 Runderneuerten 7,3 Prozent mehr Reifen verkauft als 2007. Ackerschlepper-(Triebrad-)Reifen hingegen schrieben mit gut 92.000 verkauften Einheiten nach einem Plus von drei Prozent im Vorjahr in 2008 nur eine schwarze Null“, so der BRV, der mit Blick auf den deutschen Motorradreifenersatzmarkt 2008 zugleich von einer überraschend positiven Absatzentwicklung spricht. „Nach einem unerwarteten Plus von 7,8 Prozent im Vorjahr hatte der Verband für 2008 vorsichtig einen weiteren Zuwachs um 1,6 Prozent prognostiziert. Dank einer guten Motorradsaison konnten mit 1,29 Millionen Stück jedoch rund vier Prozent mehr verkauft werden als in 2007“, heißt es.
Dies ändere jedoch nichts daran, dass das Reifenersatzgeschäft 2008 insgesamt betrachtet schlechter als erwartet verlaufen ist, lautet das Fazit des Bonner Branchenfachverbandes. Die Gründe für die Negativentwicklung werden dabei zum einen in den Auswirkungen der in der erlebten Stärke nicht vorhersehbaren Finanz- und Wirtschaftskrise auf Konsumklima und Kaufkraft der privaten wie gewerblichen Zielgruppen des Reifenfachhandels gesehen. Hinzu komme in den Segmenten Pkw- und Llkw-Reifen die deutlich gewachsene Belastung der Fahrzeughalter durch Kostensteigerungen (z.B. für Kraftstoff sowie Energie im Allgemeinen), auf die sie nach Beobachtungen des BRV einerseits mit reduzierter Fahrleistung sowie andererseits mit längerer Nutzung der montierten Reifen und Gebrauch der Winterreifen auch im Sommer reagiert haben. Nicht zuletzt soll auch eine erhöhte Laufleistung der Reifen – verursacht durch technische Fortschritte in der Reifenentwicklung – zu der verminderten Nachfrage beigetragen haben. Für das Minus im Segment Lkw-Reifen wird vor allem die Krise im deutschen Transportgewerbe verantwortlich gemacht. „Trotz Steigerung der Transport-/Fahrleistung ging der Ersatzbedarf an Reifen zurück, verursacht vor allem durch weitere Verschiebung der Transportleistungen in Richtung osteuropäischer Speditionen, Ausflaggung deutscher Speditionsunternehmen und deutlich längere Nutzung der montierten Reifen, um den Kostendruck (Stichworte: Maut, Kraftstoffkosten) mittels entsprechender Einsparungen wenigstens zum Teil kompensieren zu können“, weiß der Branchenverband zu berichten.
Und dem fällt eine Prognose für 2009 angesichts der Unwägbarkeiten der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Situation schwer. „Fest steht lediglich: das Jahr wird schwierig, und wer das Niveau von 2008 halten kann, wird sich wahrscheinlich schon zu den Gewinnern zählen können“, sagt der BRV-Vorsitzende Hülzer. Speziell das Llkw- und Lkw-Reifengeschäft könne sich aufgrund schlechter Aussichten für das Speditionsgewerbe – der Bundesverband Güterverkehr und Logistik rechnet mit einem fünfprozentigen Rückgang der Transportleistungen und einem Schwund von 5.000 Betrieben mit 40.000 bis 50.000 Arbeitsplätzen infolge der Mautkostenexplosion – unter Umständen zum Sorgenkind entwickeln. Bestenfalls rechnet der BRV mit einem „von Hoffnung getragenen“ Minus von rund 15 Prozent im Absatz von Lkw-Reifen, realistisch gesehen dürfte aber das "Worst-Case"-Szenario eher bei minus 20 Prozent, möglicherweise sogar noch mehr in diesem Segment liegen.
Im Pkw-Segment könnte die Tatsache, dass das durchschnittliche Fahrzeugalter bei 8,5 Jahren liegt und ein unverändert hoher Bestand an Pkw- und Kombifahrzeugen existiert, positive Impulse für das Reifenersatzgeschäft bringen, hofft man seitens des BRV. „Kurzfristig eher kontraproduktiv werden in der Branche allerdings die Auswirkungen der ‚Abwrackprämie’ gesehen, denn der Reifenersatzbedarf verschiebt sich infolge der Substitution verschrotteter Autos durch Neufahrzeuge erst einmal in die Zukunft“, wird allerdings auch ein möglicher negativer Einflussfaktor nicht verschwiegen. Abgesehen von der durch den Mitnahmeeffekt der Prämie verursachten (befristeten) Nachfragebelebung für die Automobilbranche werde sich das Konsumklima allgemein in diesem Jahr eher verschlechtern, ist man bei dem Verband überzeugt. Sicherheitsdenken, aber auch ganz reale Sparzwänge – verursacht etwa durch Einkommenseinbußen infolge Kurzarbeit – werden sich nach Meinung des BRV negativ auf die Ausgabenbereitschaft auswirken. „Ein Absatzminus von durchschnittlich 3,5 Prozent im Pkw-Reifenersatzgeschäft ist unser ‚Best-Case’-Szenario für 2008. Wahrscheinlicher jedoch erscheint uns ein erneuter Rückgang von sechs bis sieben Prozent“, befürchtet Hülzer.
Da sich die derzeitige Wirtschafts- und Finanzlage auch bei den Motorradfahrern als „Spaßbremse“ erweisen könnte, rechnet der Verband im Segment Motorradreifen deshalb mit Stagnation des Reifenabsatzes, während für EM-Reifen ein Minus von fünf Prozent sowie für den Absatz von Offroad- und Llkw-Reifen ein Rückgang um jeweils 4,9 Prozent für das laufende Jahr vorhergesagt wird. „Trotz negativer Marktentwicklung hat es im vergangenen Jahr keine wesentlichen Verschiebungen in den Distributionsanteilen der verschiedenen Kanäle (Reifenfachhandel, Autohaus, Fachmärkte, Onlinevertrieb, Sonstige) ergeben. Der Reifenfachhandel hat im Pkw-Reifenersatzgeschäft seine dominierende Position von weit über 50 Prozent des Absatzes Handel an Verbraucher mindestens behauptet, ja sogar tendenziell insbesondere gegenüber den Fachmärkten eher wieder gewonnen. Die Branche sollte daraus das notwendige Selbstvertrauen schöpfen, um die derzeitige rezessive Phase auch als Chance für eine weitere Profilierung des Reifenfachhandels zu sehen und konsequent zu nutzen. Klar ist: Zuwächse können in der aktuellen Situation nur aus Verdrängungswettbewerb generiert werden. Anderslautende Einschätzungen stellen reinen Zweckoptimismus dar, der unbegründet ist“, meint Hülzer.
Schreiben Sie einen Kommentar
An Diskussionen teilnehmenHinterlassen Sie uns einen Kommentar!