Gefälschte Reifen richten in der EU Milliardenschaden an – 21.066 Jobs weg

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Ein Thema, das sich per Definition im Geheimen abspielt, ist das von Produktfälschungen. Man kennt es: Räderdesigns werden vom rechtmäßigen Eigentümer gestohlen und schlichtweg unter einer anderen Marke nachgebaut oder Produktionstechnologie, in die Weltmarktführer beträchtliche Summen investiert haben, wird Reifenherstellern und Runderneuerern als Nachbauten angeboten. Nun zerrt eine aktuelle Studie, über die das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) berichtet, aber auch den Reifenmarkt selbst ins Rampenlicht. Dem Bericht zufolge türmt sich der Verlust, der in den Ländern der EU durch den Verkauf von gefälschten Reifen entsteht, auf mittlerweile jährlich 2,2 Milliarden Euro auf, was im Schnitt 7,5 Prozent aller Verkäufe der Reifenindustrie in den 28 EU-Mitgliedsstaaten entspricht. Damit nicht genug, die negativen Auswirkungen, die der Handel mit gefälschten Reifen mit sich bringt – vor allem auch in Deutschland –, gehen weit darüber hinaus.

Die Studie über „Die wirtschaftlichen Kosten der Verletzungen von Rechten des Geistigen Eigentums in der Reifen- und Batterieindustrie“, die das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) nun veröffentlicht hat, ist nicht die erste zum Thema Produktfälschungen; das Amt hatte die notwendigen statistischen Mittel und Methoden bereits anlässlich von ähnlichen Studien über Kosmetika, Spielsachen, Smartphones, Musik-CDs, Sportartikel etc. schärfen können, so dass die jetzt veröffentlichte zwölfte Studie den Verfassern zufolge – trotz aller in der Sache liegenden Unschärfe – höchstmögliche Genauigkeit in Bezug auf die errechneten Kosten biete. Kurz gesagt: Die Kosten lassen sich durch komplexe Rechenoperationen ermitteln und präzisieren, denen zugrunde der mehrjährige Vergleich von Umsatzprognosen der Reifenbranche mit den dann tatsächlich erzielten Umsätzen liegt. Durch diese Bewertungsmethode habe sich die EU nun auch „fehlendes Wissen“ erarbeitet, das dem Bericht zufolge dazu führen dürfte, dass zukünftig der Schutz Geistigen Eigentums in der EU in Bezug auf Reifen und Batterien noch effektiver stattfinden kann. Und dass dies notwendig ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen, die die Studie zutage gefördert hat.

In der gesamten EU liegt der Verlust, der sich jährlich durch den Verkauf von Fälschungen von Gummireifen aller Art ergibt, aber auch von Schläuchen und Laufstreifen für die Kaltrunderneuerung, bei immerhin 2,25 Milliarden Euro. Das entspricht 7,5 Prozent des EU-Marktes, heißt es in dem Bericht. Es gibt dabei Länder, in denen liegt der Anteil der Fälschungen am Gesamtmarkt bei nahe 20 Prozent: In Lettland etwa sind dies 17,8 Prozent, in Spanien, wo auch der Verlust in absoluten Zahlen EU-weit am höchsten liegt, nämlich bei 445 Millionen Euro, sind es immerhin noch 17,6 Prozent. Der deutsche Markt scheint dem Bericht zufolge unterdurchschnittlich stark von gefälschten Reifen betroffen zu sein, liegt der Verlust hier doch bei 4,2 Prozent des Gesamtmarktes. Dies entspricht einem Verlust von 261 Millionen Euro – immerhin der drittgrößte errechnete Verlust der EU nach Spanien und Frankreich (411 Millionen Euro; 7,6 Prozent). Allerdings prozentual betrachtet auch der drittniedrigste innerhalb der EU; nur in Finnland und den Niederlanden liegt der jährliche Verlust am Gesamtreifenmarkt gerechnet niedriger, und zwar bei 3,1 bzw. 4,2 Prozent.

Addiert man noch die Verluste auf dem europäischen Batteriemarkt durch dort vertriebene Produktfälschungen in Höhe von 179 Millionen Euro hinzu (1,8 Prozent des Marktes), errechnet die Studie Gesamtkosten von 2,43 Milliarden Euro. Nun könnte man meinen: Verluste in dieser Größenordnung seien für einen 30-Milliarden-Euro-Reifen- und einen zehn Milliarden-Euro-Batteriemarkt zu verkraften. Aber damit nicht genug. Über die direkten Kosten hinaus haben die Urheber der Studie vom EUIPO auch einen Blick auf die finanziellen und sozialen Nebenwirkungen geworfen, die durch den Verkauf von gefälschten Reifen und Batterien innerhalb der EU entstehen. Allein die eingebüßten Umsätze der rechtmäßig tätigen Reifenindustrie würden in der EU für 7.955 Arbeitsplatzverluste stehen, was 6,5 Prozent der Arbeitsplätze der Branche entspricht. Addiert man noch die Nebenwirkungen auf Branchen hinzu, die der Reifenindustrie nahestehen, kommt man sogar auf einen jährlichen Verlust von 4,5 Milliarden Euro und ein Äquivalent von 21.066 Arbeitsplatzverlusten. Ein Achtel dieser wegfallenden bzw. bereits weggefallenen direkt und indirekt mit der Reifenindustrie verbundenen Arbeitsplätze kämen dabei aus Deutschland – das sind 2.650 deutsche Arbeitsplätze. Nur die Arbeitsmärkte in Spanien und Frankreich sind noch stärker betroffen, und zwar mit 3.199 bzw. 3.086 Arbeitsplatzverlusten. Fasst man den Reifen- und den Batteriemarkt zusammen, ergeben sich sogar direkte und indirekte Verluste in Höhe von 4,8 Milliarden Euro sowie 22.283 Arbeitsplatzverluste.

Wie es in dem Bericht weiter heißt, ist es aber auch damit noch nicht genug. Da verkaufte gefälschte Reifen üblicherweise nicht den Weg in die offizielle Buchhaltung der beteiligten Unternehmen finden, errechnet das EUIPO einen weiteren Schaden für die öffentliche Hand in Höhe von 320 Millionen Euro; dies sind hauptsächlich entgangene Umsatz- und Gewinnsteuereinnahmen sowie fehlende Sozialabgaben (durch den Verlust an Arbeitsplätzen). Der Batteriemarkt trägt seinerseits noch einmal 19 Millionen Euro an fehlenden öffentlichen Einnahmen bei.

„Da gefälschte Reifen und Batterien überdies gravierende Auswirkungen auf Sicherheit und Umwelt haben können, wird dieser Bericht hoffentlich auch dazu beitragen, dass Verbraucher beim Kauf dieser wichtigen Produkte eine umsichtige Entscheidung treffen“, weist António Campinos auf zwei weitere Probleme von Produktfälschungen hin: Sicherheit und Umwelt. Es sei allerdings „sehr schwierig, ein rechtmäßiges von einem gefälschtem Produkt zu unterscheiden, indem man nur die äußere Erscheinung begutachtet“, schreibt das EU-Amt. Der EUIPO-Exekutivdirektor hofft, „dass die Feststellungen in diesem Bericht, der die Situation in zwei wichtigen Wirtschaftszweigen in der EU beleuchtet, politischen Entscheidungsträgern bei ihrer Prüfung von Möglichkeiten zur Bekämpfung von Produktfälschungen helfen wird.“

Die Studie des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) bietet indes keinerlei Informationen darüber an, wo und von wem entsprechende Produktfälschungen produziert werden, welche Produkte und Marken genau gefälscht werden und über welche Kanäle sie in den Markt gelangen. arno.borchers@reifenpresse.de

 

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