Indirekte RDKS ebenso wirksam wie direkte

, ,

Seit Ende 2014 müssen alle neu zugelassenen Fahrzeuge der Klasse M1 bekanntlich mit einem Reifendruckkontrollsystem (RDKS) – englisch: Tyre Pressure Monitoring System (TPMS) – ausgestattet sein. Marktbeobachter gehen davon aus, dass zwei Drittel der Pkw seither mit einem direkt messenden System (auch dTPMS genannt) inklusive dafür nötiger Sensoren in den Reifen ausgestattet sind und das verbleibende Drittel mit indirekten Systemen (iTPMS). So mancher unterstellt Letzteren, die auf der ABS-Infrastruktur basieren und über Veränderungen der Raddrehzahlen auf Druckverluste in den Reifen zurückschließen, dass sie ungenau bzw. weniger wirksam seien. Vor einiger Zeit hat die belgische Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) gar der Vorwurf geäußert, das softwarebasierte Konzept indirekter Systeme öffne Tür und Tor für einen möglichen Betrug in Sachen Abgasemissionen damit ausgerüsteter Fahrzeuge. Zumal die RDKS-Pflicht einerseits ja auf mehr Verkehrssicherheit, andererseits aber nicht zuletzt auch auf eine Reduzierung des verkehrsbedingten Kohlendioxidausstoßes abzielt. Reifen mit Minderdruck ziehen schließlich einen höheren Kraftstoffverbrauch sowie verbunden damit mehr Abgasemissionen nach sich. Vor dem Hintergrund all dessen haben sich mehrere Anbieter indirekter RDKS – darunter NIRA Dynamics aus Schweden und Dunlop Tech – gemeinsam mit dem TÜV Nord und dem TÜV Süd sowie in Zusammenarbeit mit der internationalen Vereinigung der Fahrzeughersteller OICA (Organisation Internationale des Constructeurs d’Automobiles) des Themas angenommen und die Wirksamkeit beider Konzeptansätze miteinander verglichen.

Dazu wurden zwischen Dezember 2016 und August 2017 knapp 1.500 zufällig ausgewählte Pkw an Tankstellen und Einkaufszentren in Schweden, Deutschland und Spanien überprüft. Dabei wurden die Reifendrücke gemessen, aber auch die Temperaturen und Reifendimensionen sowie die Beladung und RDKS-Ausrüstung dokumentiert. „Das ist das erste Mal, dass in einer solchen Studie Fahrzeuge mit iTPMS, dTPMS und ohne TPMS verglichen werden. Es gibt eine starke Lobby, die behauptet, dass iTPMS nicht richtig funktionierten, vermutlich wegen höherer Gewinne mit den sensorbasierten dTPMS, aber ohne dies mit Fakten belegen zu können. Zusammen mit OICA wollten wir einfach die Wahrheit herausfinden, um diese sinnlose Diskussion endlich zu beenden. Wir haben deshalb angefangen, Daten zu sammeln und geeignete Partner ins Boot zu holen, auch um sicherzustellen, dass uns dabei keine methodischen oder andere Fehler unterlaufen“, erklärt Jörg Sturmhoebel von NIRA Dynamics den Hintergrund des Ganzen. Herausgekommen sei letztendlich, dass Pkw mit Reifendruckkontrollsystemen im Durchschnitt einen um rund drei Prozent höheren Fülldruck in ihren Reifen haben – und das unabhängig von der eingesetzten Technologie. Über die deswegen leichter rollenden Reifen reduziere sich der Kraftstoffverbrauch um etwa 0,3 Prozent, heißt es.

„Das erscheint zunächst nicht viel, aber auf die gesamte Pkw-Flotte der EU hochgerechnet ergibt sich eine jährliche Kohlendioxideinsparung von 14,5 Millionen Tonnen“, rechnet NIRA Dynamics weiter vor. In puncto Sicherheit reduziere die RDKS-Ausrüstung den Anteil der Reifen mit deutlich zu geringem Luftdruck – und damit potenziell instabilem Fahrverhalten – nach Unternehmensangaben um mehr als 50 Prozent. „Die entsprechenden Fahrzeuge hatten durchweg entweder kein TPMS oder das TPMS hatte bereits gewarnt, die Warnung wurde jedoch ignoriert. Obwohl also die Bedeutung der Kontrolle des Reifendruckes noch nicht in allen Köpfen verankert ist, vermeiden TPMS jedes Jahr EU-weit geschätzt 60 Todesopfer und 3.000 Verletzte im Straßenverkehr“, sagen die Schweden, nach deren Meinung ungeachtet der RDKS-Pflicht weiterhin für eine regelmäßige Reifendruckkontrolle geworben und diese den Verbrauchern so leicht wie möglich gemacht werden sollte. Zumal die Firma Schrader, die sich als Weltmarktführer bei Reifendruckkontrollsensoren für direkt messende RDKS beschreibt, unlängst unter Berufung auf die US-amerikanische Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA (National Highway Traffic Safety Administration) entsprechendes Zahlenmaterial für die Vereinigten Staaten präsentiert hat.

Schätzungen zufolge hätten dort mehr als drei Prozent der Verkehrsunfälle durch einen korrekten Reifendruck verhindert werden können. Demnach würden in den USA rund 40.000 Unfälle pro Jahr auf einen zu geringen Reifendruck zurückgeführt sowie rund 33.000 Verletzte und 660 Verkehrstote. „Die Zahlen sind plausibel: Versuche ergaben, dass ein um ein bar zu geringer Luftdruck in den Vorderreifen den Bremsweg eines Fahrzeuges um bis zu zehn Prozent verlängern kann. Selbst wenn ein Zusammenstoß nicht völlig vermieden werden kann, trägt eine optimale Bremsleistung dazu bei, die Aufprallgeschwindigkeit zu reduzieren und hierdurch Verletzungen abzumildern oder ganz zu vermeiden. Und hiervon profitieren sogar Unfallgegner, die nicht mit einem RDKS ausgestattet sind“, argumentiert Schrader. Ein zu geringer Reifendruck führe darüber hinaus zu einer verringerten Fahrstabilität. Schon ein halbes bar zu wenig verringere die Spurtreue in Kurven um die Hälfte, wird in diesem Zusammenhang auf eine diesbezügliche Untersuchung des ADAC verwiesen. „Doch dieser Gefahr lässt sich mit RDKS zum Glück kinderleicht vorbeugen“, ist folglich die Botschaft, bei der sich beide Lager – also Anbieter sowohl direkter als auch indirekter Systeme – einig sind. christian.marx@reifenpresse.de

0 Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

An Diskussionen teilnehmen
Hinterlassen Sie uns einen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert