„Zu klein für einen europäischen Konsolidierer“ – NRZ-Interview mit Alec Reiff zum Reiff-Verkauf

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Die deutsche Reiff-Gruppe verkauft ihren Geschäftsbereich Reifen und Autotechnik, der für rund 70 Prozent der Gesamtumsätze steht, und konzentriert sich zukünftig auf die Bereiche Technischer Handel und Elastomertechnik. Bis Ende September soll der Verkauf an die in London ansässige und zum US-Investmentfonds Bain Capital Private Equity gehörende European Tyres Distribution abgeschlossen sein, deren Akquisitionspläne die Schaffung eines „europäischen Marktführers im Reifenhandel“ vorsehen. Im NRZ-Interview erläutert Alec Reiff, Geschäftsführender Gesellschafter der Reiff Reifen und Autotechnik GmbH, die Hintergründe des Verkaufs. Man sei „zu groß für einen Nischenplayer und zu klein für einen europäischen Konsolidierer“, so Reiff. Vor dem Hintergrund der „unausweichlichen Konsolidierung des nationalen und internationalen Reifenersatzmarktes“ habe der jetzt stattfindende Verkauf an ein „herstellerunabhängiges Unternehmen“ strategische Hintergründe. Reiff sei der Überzeugung, „dass das Unternehmen und seine Mitarbeiter bei dem Käufer sehr gute Zukunftsperspektiven haben“.

NEUE REIFENZEITUNG:

Glauben Sie bei Reiff nicht mehr an die Zukunftsfähigkeit des Reifenhandels?

Alec Reiff:

Wir glauben nach wie vor an die Zukunftsfähigkeit des Reifenhandels, allerdings nicht in der Form, wie wir ihn heute erleben. Grundsätzlich glauben wir an einen freien, herstellerunabhängigen Reifenhandel; wenn man sich die Übernahmen oder Beteiligungsaktivitäten der Industrie – in Einzel-, Großhandel oder Hybriden – der vergangenen Jahre ansieht, so sind hier Fakten geschaffen worden, die man nicht ignorieren darf.

Betrachtet man die Großhandelslandschaft, so ist der Markt heute längst nicht mehr lokal-regional oder national; er ist – getrieben durch die Transparenz der Digitalisierung – paneuropäisch geworden. Gleichzeitig treffen wir in Deutschland auf stark fragmentierte Marktstrukturen mit vielen Marktteilnehmern, deren Geschäftsstrategie nicht immer als professionell oder gar langfristig angesehen werden kann. Lebensverlängerndes Cash-Flow-Geschäft führt auf digitalen Märkten unweigerlich zu zerstörerischen Margen für alle Marktteilnehmer.

Diese Gemengelage macht unseres Erachtens eine Konsolidierung des nationalen und internationalen Reifenersatzmarktes unausweichlich.

Im Einzelhandel ist die Ausgangslage etwas anders: Die Dominanz der kontrollierten Distribution ist erheblich – egal, ob im Eigentum befindlich, via Franchise- oder anderen Beteiligungsstrukturen. Gleichzeitig ist der Grad der Professionalisierung der Marktteilnehmer sehr heterogen. Auch hier sind wir davon überzeugt, dass mittelfristig nur die wirklich professionellen Marktteilnehmer überleben werden.

Entgegen dem Großhandelsmarkt hat der stationäre Einzelhandel aber durchaus seine lokale bzw. regionale Legitimation.

 Dieser Beitrag ist in der August-Ausgabe der NEUE REIFENZEITUNG erschienen, die Abonnenten hier auch als E-Paper lesen können. Sie sind noch kein NRZ-Abonnent? Das können Sie hier ändern.

NEUE REIFENZEITUNG:

Die Gründe für den Verkauf Ihres Geschäftsbereichs Reiff Reifen und Autotechnik an European Tyres Distribution sind sicher vielschichtig. Können Sie uns die wichtigsten erläutern?

Alec Reiff:

Die in der vorherigen Antwort skizzierte Ausgangslage macht unseres Erachtens eine Konsolidierung – wie sie in anderen automotive-nahen Märkten übrigens bereits erfolgt bzw. in vollem Gange ist – erforderlich. Für das eigenständige Verfolgen dieser europäischen Konsolidierungsstrategie sind wir zu klein und verfügen sicherlich nicht über die finanziellen Ressourcen, die hierfür aufgebracht werden müssen.

NEUE REIFENZEITUNG:

Sind die Beweggründe für den Verkauf des Geschäftsbereichs auch in dem Fortbestand des bei Ihnen verbleibenden Unternehmensteils zu suchen?

Alec Reiff:

Nein.

NEUE REIFENZEITUNG:

Wir nehmen an, dass Sie nicht nur mit einem Käufer verhandelt haben. Warum ist Ihrer Meinung nach aber gerade European Tyres Distribution der richtige Käufer für den Geschäftsbereich? Hat Sie der Käufer ausschließlich über den Preis überzeugt?

Alec Reiff:

Zu dem Verkaufsprozess äußern wir uns generell nicht.

Grundsätzlich glauben wir an den freien Reifenhandel; übrigens auch im Interesse unserer Mitarbeiter. Stellen Sie sich vor, was beispielsweise mit der Bandag-Runderneuerung passiert wäre, wenn unser Unternehmen in Industriehand gelangt wäre.

Gerade für unsere Kunden ist European Tyres Distribution als herstellerunabhängiges Unternehmen von großem Vorteil. Die Firmennamen Reiff Reifen und Autotechnik, Tyre1, Netto und Reifendiscount.de werden fortgeführt. Die Mitarbeiter und Ansprechpartner bleiben die gleichen. Durch den Kauf durch European Tyres Distribution Limited wird Reiff zu dem führenden europäischen Reifenhändler gehören, was für unsere Kunden sicherlich keinen Nachteil bedeutet, im Gegenteil. Gerade die fortbestehende Unabhängigkeit von Reifenherstellern bietet ein Maximum an Sortimentstiefe und -breite sowie kompetitive Preis-Leistungs-Fähigkeit.

Natürlich ist der Kaufpreis ein entscheidungsrelevantes Kriterium. Mindestens genauso bedeutend ist aber eine mit dem Käufer deckungsgleiche Sicht auf die Märkte und die strategische Ausrichtung. Letztlich geht es darum, als Eigentümer zu der Überzeugung zu gelangen, dass das Unternehmen und seine Mitarbeiter bei dem Käufer sehr gute Zukunftsperspektiven haben.

Die Reiff-Gruppe zählt in Deutschland nicht nur zu den größten Reifengroßhändlern, sondern gehört mit aktuell 46 Einzelhandels-Outlets auch zu den vier größten Filialisten des Landes mit daraus folgender hoher Nähe zum Endverbraucher

NEUE REIFENZEITUNG:

Wann haben denn die Gesellschafter die Entscheidung zum Verkauf getroffen und wollten sie immer den kompletten Geschäftsbereich an einen einzigen Käufer veräußern?

Alec Reiff:

Wir sind zu jedem Zeitpunkt von einer Komplettveräußerung der Reifensparte ausgegangen. Das hat einerseits mit zentralen Strukturen zu tun, die alle Segmente der Reifensparte nutzen, deren Trennung zu erheblicher Komplexität geführt und die Schlagkraft der Gesamtheit sicherlich verringert hätte. Andererseits aber auch mit der Gesamtattraktivität der Reifendivision, sowohl für unsere Lieferanten als auch für den neuen Eigentümer. Ein weiteres Entscheidungskriterium kann in einer Neuausrichtung der Portfoliostrategie der Reiff-Gruppe gesehen werden.

NEUE REIFENZEITUNG:

Der jetzt verkaufte Geschäftsbereich ist hochkomplex in seiner Struktur und in seinen Prozessen, was wohl insbesondere für den Großhandel gilt. War der Bereich letzten Endes zu groß, zu komplex, zu ressourcenverbrauchend und gerade im Vergleich zu Ihrem Stabilitätsanker im Technischen Handel zu margenschwach?

Alec Reiff:

Grundsätzlich ist die Komplexität im Einzelhandel höher als jene im Großhandel. Wie bereits in einer Ihrer obigen Fragen beantwortet, sind wir zu groß für einen Nischenplayer und zu klein für einen europäischen Konsolidierer. Insofern hat der Verkauf strategische Hintergründe, die auch im Kontext mit einer Konzentration auf das Geschäft mit technischen Produkten zu sehen ist.

NEUE REIFENZEITUNG:

War denn der Verkauf für Sie letzten Endes alternativlos? Warum? Hätten Sie rückblickend in der Vergangenheit andere Richtungsentscheidungen in Bezug auf die Entwicklungen des Geschäftsbereichs treffen sollen?

Alec Reiff:

Nein. Die Antwort liegt ganz klar in einer portfolio-strategischen Entscheidung. Wir wollen im Technischen Handel wachsen; auch hier gibt es Konsolidierungsbewegungen, bei denen wir eine aktive und gestaltende Rolle spielen wollen.

NEUE REIFENZEITUNG:

Erklären Sie uns, wie der voraussichtliche weitere zeitliche Ablauf des Verkaufs und des Übergangs des Geschäftsbereichs an European Tyres Distribution aussieht?

Alec Reiff:

Momentan prüft die Europäische Wettbewerbsbehörde die Transaktion. Wir gehen davon aus, dass der Übergang der Geschäftsanteile an European Tyres Distribution Ende September erfolgen wird.

NEUE REIFENZEITUNG:

Sind die bisherigen Gesellschafter bzw. die Familie Reiff auch nach vollzogenem Verkauf noch in irgendeiner Form mit dem dann ehemaligen Geschäftsbereich verbunden?

Alec Reiff:

Selbstverständlich werden wir als Familie die weitere Entwicklung des Unternehmens sehr interessiert beobachten; eine strukturelle Verbindung wird es aber nicht mehr geben. Ich werde dem neuen Eigentümer für einen definierten Zeitraum beratend zur Seite stehen und die Integration operativ begleiten.

NEUE REIFENZEITUNG:

Was folgt eigentlich aus dem Verkauf von Reiff Reifen und Autotechnik für den verbleibenden Teil des Unternehmens? Wie wird der Verkauf die Entwicklung dort beeinflussen?

Alec Reiff:

Mit Sicherheit nicht negativ. Wie bereits gesagt, wollen wir den Bereich Technische Produkte aktiv nach vorne entwickeln und weiter profitabel wachsen. ab

 

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