Hermann Lorenz zu De-minimis: „Können Rückgänge einwandfrei dem Chaos zuordnen“

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Seit Anfang dieses Jahres beschäftigt sich die Reifen- und insbesondere die Runderneuerungsbranche in Deutschland mit dem Thema De-miminis. Erst das überraschende Aus der Förderung, dann – immerhin, wenn auch erst im Mai – der späte Kompromiss zu Runderneuerten auf freilaufenden Achsen, der das Allerschlimmste verhindern sollte. Trotz überzeugender Argumente, warum runderneuerte Reifen wie kein anderes Produkt von einer „Richtlinie über die Förderung der Sicherheit und Umwelt in Unternehmen des Güterkraftverkehrs mit schweren Nutzfahrzeugen“ abgedeckt sein sollten, hatte die Bundespolitik und die nachgelagerte Ministerialverwaltung die aktuelle Fördermethodik auch für 2017 lange Zeit vorgesehen und sich erst Mitte Dezember für eine erneute generelle und umfassende Förderung entschieden. Im NRZ-Interview erläutert Hermann Lorenz, namhafter Reifenhändler, Runderneuerer und Mitglied im BRV-Vorstand, wie Reifen Lorenz mit Sitz in Lauf bei Nürnberg das laufende Jahr bisher überstanden hat und was er für 2017 erwartet.

button_nrz-schriftzug_12px-jpg Dieser Beitrag ist in der Dezember-Ausgabe der NEUE REIFENZEITUNG erschienen, die Abonnenten hier auch als E-Paper lesen können. Sie sind noch kein NRZ-Abonnent? Das können Sie hier ändern.

NEUE REIFENZEITUNG:

Hatten Sie denn im laufenden Jahr Rückgänge bei den Absätzen runderneuerter Reifen und ließen sich diese teilweise oder in Gänze und auch einwandfrei auf den – weitgehenden – Wegfall der De-minimis-Förderung zurückführen?

NRZinterview_Icon_WEB_200pxHermann Lorenz:

Selbstverständlich hatten auch wir Rückgänge in den Stückzahlen der Runderneuerung in Höhe von circa zehn Prozent zum Vorjahr. Die Rückgänge lassen sich einwandfrei dem Chaos zu Beginn des Jahres zuordnen. Wie Sie sich sicherlich erinnern, war im ersten Halbjahr nicht klar, ob es überhaupt eine Förderung für runderneuerte Reifen geben wird. Dies war für uns und die Fuhrunternehmer völlig überraschend und hat zu großer Unsicherheit geführt. Die Folge war, dass die Fuhrunternehmen entweder gar keine Reifen bestellt haben oder auf Neureifen ausgewichen sind. Als dann später im Jahr klar war, dass runderneuerte Reifen zum Teil doch gefördert werden, konnten wir diese Verluste nicht mehr aufholen.

NEUE REIFENZEITUNG:

Sehen Sie die De-minimis-Förderung für Fuhrparks als zentral für Ihr Geschäft als Reifenhändler und Runderneuerer an?

Hermann Lorenz:

Solange Neureifen durch De-minimis gefördert werden, ist es entscheidend, dass auch Runderneuerte gefördert werden. Insgesamt wäre es meiner Meinung nach aber das Beste, wenn die Förderung für alle Reifen komplett wegfallen würde. Sie führen zu Verwerfungen, denn die Fuhrunternehmen decken sich über ihren eigentlichen Bedarf mit Reifen ein und verbauen diese dann über die nächsten Jahre. Was mit den überzähligen Reifen passiert, kann man sich leicht ausrechnen.

NEUE REIFENZEITUNG:

Wie haben Sie auf diese Veränderungen als Reifenhändler und Runderneuerer reagiert?

Hermann Lorenz:

Wir konnten den Verlust in der Runderneuerung mit höheren Stückzahlen im Neureifengeschäft kompensieren, sodass wir insgesamt nicht weniger Lkw-Reifen verkaufen konnten. Allerdings mussten wir aufgrund der schlechteren Auftragslage die Mannschaft in unseren beiden Runderneuerungswerken anpassen.

NEUE REIFENZEITUNG:

Wie viele der von Ihnen vertriebenen Runderneuerten wurden schätzungsweise bisher über De-minimis gefördert?

Hermann Lorenz:

Das ist schwer zu sagen, aber ich denke es waren mindestens ein Drittel aller verkauften Runderneuerten.

Hermann Lorenz, namhafter Reifenhändler, Runderneuerer und Mitglied im BRV-Vorstand, erläutert im NRZ-Interview, wie sein Unternehmen Reifen Lorenz von der aktuellen De-minimis-Förderrichtlinie beeinträchtigt wurde

Hermann Lorenz, namhafter Reifenhändler, Runderneuerer und Mitglied im BRV-Vorstand, erläutert im NRZ-Interview, wie sein Unternehmen Reifen Lorenz von der aktuellen De-minimis-Förderrichtlinie beeinträchtigt wurde

NEUE REIFENZEITUNG:

Was haben die Kunden dieses Jahr statt der Runderneuerten gekauft und haben sie dies bei Ihnen gekauft?

Hermann Lorenz:

Wie bereits erwähnt, haben die Kunden vorzugsweise Neureifen bei uns gekauft.

NEUE REIFENZEITUNG:

Die Neureifen, die Sie anstelle der Runderneuerten verkaufen konnten, waren dies überdurchschnittlich viele Budgetreifen? Oder doch eher Reifen aus dem mittleren bzw. dem Premiumsegment?

Hermann Lorenz:

Es waren hauptsächlich hochwertige Reifen aus dem Premiumsegment, weil sie noch zusätzlich von den Herstellern durch Aktionen verbilligt wurden. Damit war der Preisabstand zu Billigreifen nicht mehr gegeben. Es zeigt sich also, dass die Hersteller die De-minimis-Förderung nutzen um Marktanteile zu gewinnen, auf Kosten der Billighersteller, aber natürlich auch auf Kosten der Runderneuerer. Ob das im Sinne des Erfinders ist, überlasse ich Ihrer Bewertung.

NEUE REIFENZEITUNG:

Können Sie die Logik hinter dem Wegfall der Förderung für Runderneuerte zur aktuellen Förderperiode 2016 nachvollziehen?

Hermann Lorenz:

Diese Logik ist für mich nur schwer nachvollziehbar. Die Förderung soll ja dem Zweck dienen, die Fuhrunternehmen effektiver zu machen und vor allem den Umweltschutz nach vorne bringen. Welchen Sinn macht es denn, ausgerechnet runderneuerte Lkw-Reifen, die erwiesenermaßen einen enormen Effekt auf die Einsparung von Ressourcen haben, nur wegen eines nicht vorhandenen Labels von der Förderung auszuschließen? Stattdessen werden unter anderem auch Reifen aus chinesischer Produktion gefördert, die, wenn überhaupt, gerade mal das erste Leben des Reifen überstehen und völlig ungeeignet für die Runderneuerung sind.

NEUE REIFENZEITUNG:

Die Verbände haben immer wieder den Anschein erweckt, als könnten Sie die Änderungen der De-minimis-Förderrichtlinie verhindern bzw. zurücknehmen. Wieso sah es einige Zeit so aus, als würde dies nun bereits zum zweiten Mal misslingen?

Hermann Lorenz:

Durch meine Arbeit im Vorstand des BRV habe ich die Bemühungen des Verbands hautnah miterlebt. Hier wird argumentativ hervorragende Arbeit geleistet. Auch der Vorstand und der Arbeitskreis Runderneuerung haben sich permanent eingebracht. So haben wir z. B. Mitglieder des Verkehrs- und des Haushaltsausschusses des Bundestages in unsere Runderneuerungsbetriebe eingeladen, und ihnen die Zusammenhänge erklärt. In diesen Gesprächen und in den Gesprächen auf der Ebene der Referenten mit der Geschäftsführung unseres Verbandes war immer sehr viel Verständnis und Sympathie für unser Anliegen zu spüren. Warum diese guten Argumente dann in den Ausschüssen anders bewertet werden, kann ich nicht nachvollziehen und hinterlässt bei mir nur verständnisloses Kopfschütteln. Herrn Drechsler kann ich nur meine Hochachtung aussprechen, für den Einsatz und die Frusttoleranz, mit der er hier für die Belange der Branche kämpft.

NEUE REIFENZEITUNG:

Nun kommt die Förderung für 2017 doch, und zwar generell und umfassend. Wie bewerten Sie die neuen Fördermöglichkeiten für neue und runderneuerte Reifen für sich; ist es das, was Sie und die Branche erwartet haben?

Hermann Lorenz:

Nun hat sich also doch die Beharrlichkeit von Herrn Drechsler und der gesunde Menschenverstand durchgesetzt. Ich freue mich darüber, dass sich dadurch die Bedingungen für die Runderneuerten verbessern. Ob es letztlich dazu führt, die Absatzzahlen wesentlich zu erhöhen, wird sich zeigen. Der Neureifenindustrie werden wir trotzdem klar machen, dass es extrem kontraproduktiv ist, De-minimis-geförderte Neureifen auch noch durch zusätzliche Verkaufsaktionen so billig zu machen, dass es für die Verbraucher nicht mehr attraktiv ist, Runderneuerungen einzusetzen. Diese Reifen werden auf anderen Wegen wieder auftauchen und zu schweren Verwerfungen im Markt führen. ab

 

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