Kommentar: Informationsgesellschaft

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Selbst wenn für unsere Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel das Internet bis vor nicht allzu langer Zeit noch „Neuland“ war, so sind wir doch eigentlich schon längst in einer Informationsgesellschaft angelangt: Daten, Zahlen und Fakten sind die Währung, auf die es ankommt. Waren sie früher zwar auch schon immer wichtig, war es ohne umfangreiche Vernetzung damals jedoch ungleich schwieriger, bestimmte Dinge in Erfahrung zu bringen. Für einen (Reifen-)Preisvergleich etwa musste ein Kunde schließlich erst mehrere Händler anrufen und/oder deren Anzeigen, Zeitungsbeilagen oder Ähnliches studieren. Heute liefern die einschlägigen Onlineplattformen bzw. Preisvergleichsplattformen dies alles mühelos frei Haus für Anbieter in ganz Deutschland und darüber hinaus. Und was Unternehmensleistungen angeht, entlarvt der elektronische Bundesanzeiger heutzutage zudem schnell manche der so oft innerhalb der Branche gehörte Äußerung, die eigene Entwicklung sei besser gewesen als die des Gesamtmarktes.

Trotz dieser zunehmenden Transparenz gibt es tatsächlich immer noch Vertreter, welche die Informationshoheit allein für sich reklamieren bzw. meinen, für die Allgemeinheit durchaus wichtige Details zurückhalten zu müssen. Die Politik geht da als „leuchtendes“ Beispiel voran, wie man anhand der Äußerungen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière anlässlich des im vergangenen Herbst wegen Terrorgefahr abgesagten Fußballländerspiels ablesen kann. Ein Teil der Informationen rund um den Vorfall hätte „die Bevölkerung verunsichern“ können, begründete er damals seine Weigerung, näher auf berechtigte Fragen nach dem Warum einzugehen. Können zu viele Informationen in einem derartigen Fall tatsächlich beunruhigen? Oder ist es nicht vielmehr so, dass solche Einlassungen eher noch mehr Anlass dazu bieten, sich das Schlimmste auszumalen? Wäre nicht Offenheit der bessere Ansatz gewesen, solange dadurch nicht beispielsweise Informanten gefährdet werden?

Oder ist die von de Maizière an den Tag gelegte Haltung nicht vielmehr Ausdruck dessen, dass so mancher Politiker meint, dem Volk vorschreiben zu müssen, was es wissen darf bzw. was es zu verstehen in der Lage ist? So oder so eine Anmaßung sondergleichen. Leider gibt es genau das in kleinerem Maßstab auch in der Reifenbranche. So macht sich etwa die Reifenindustrie die Mühe, Zahlen zur Marktentwicklung auch im deutschen Sell-out (Handel an Verbraucher) zu erheben. Aber die breite Masse derer, die es betrifft, soll nach Möglichkeit offenbar nicht unbedingt Wind davon bekommen. Denn wo kämen wir hin, wenn jeder x-beliebige Reifenhändler nachvollziehen könnte, dass von den seitens der Industrie zuvor prognostizierten Wachstumsraten im Endkundengeschäft letztlich rein gar nichts übrig geblieben ist?

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Echte Betriebsgeheimnisse wird natürlich nie jemand mit seinen Wettbewerbern teilen wollen, und wer im Brustton der Überzeugung von sich behauptet, er könne treffsicher die Zukunft vorhersagen, dem sollte man ohnehin keinen Glauben schenken. Aber deswegen Daten zur allgemeinen Entwicklung des Gesamtmarktes unter dem Deckel halten zu wollen, anstatt Ross und Reiter beim Namen zu nennen, erinnert einmal mehr an den Staatsapparat bzw. daran, mit wie viel Verspätung erst die tatsächlichen Fakten zu den Vorkommnissen in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten Deutschlands ans Tageslicht kamen. Positive Nachrichten werden sofort hinausposaunt, was aber nicht unbedingt ins Bild passt, wird lieber nicht an die große Glocke gehängt. Aber das kann der Reifenhandel ja genauso: Wenn Kooperationen beispielsweise Zulauf haben, dann wird das natürlich breit kommuniziert – läuft’s andersherum, werden die Verantwortlichen in der Regel aber ziemlich schmallippig.

Was mit Blick auf die Gesellschaft im Allgemeinen bestenfalls Politikverdrossenheit und schlimmstenfalls die Radikalisierung immer größerer Bevölkerungsteile nach sich zieht, kann im Miteinander der Reifenbranche zwar „nur“ zu einem weiteren Vertrauensverlust zwischen den einzelnen Marktspielern – sprich: der Industrie auf der einen und dem Handel auf der anderen Seite – führen. Aber ist das nicht schon schlimm genug, wo doch schon jetzt eher ein Gegen- als ein Miteinander an der Tagesordnung ist? Daher sollte sich die Branche vielleicht nicht unbedingt am Beispiel der Politik orientieren. Ein wenig mehr Offenheit und Verbindlichkeit sämtlicher Branchenspieler ist vielleicht nicht gerade der bequemste Weg, wäre aber nicht nur in Sachen Glaubwürdigkeit bzw. einer gemeinsamen erfolgreichen Marktbearbeitung bestimmt zum Vorteil aller Beteiligter. christian.marx@reifenpresse.de

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