Mission und Vision – BKT hat hehre Ziele

Im Rahmen eines großen Events für die größten Kunden und für die internationale Fachpresse hat der indische OTR-/Off-Highway-Reifenspezialist Balkrishna Industries Ltd. (Marke BKT) vor mehr als zweihundert Gästen sich selbst und seine neue State-of-the-art-Fabrik im indischen Bhuj (gesprochen „Butsch“) vorgestellt. Die Marke BKT hat sich erst vor gut zwei Jahrzehnten auf dieses Segment des Reifenmarktes spezialisiert und sieht sich dennoch in einer viel längeren Historie stehend, die getragen ist von Missionen und Visionen unternehmerischen Handelns. Der indische Hersteller hat ganz im Westen des Bundesstaates Gujarat unweit der Grenze zu Pakistan in der „weißen Wüste“ von Kutch – einer unwirtlichen, sehr kargen und von einem weißen Salzschimmer geprägten Gegend – für eine halbe Milliarde US-Dollar ein Reifenwerk mit gigantischen Ausmaßen und kompletter Infrastruktur errichtet, das in jedem Wettbewerbsvergleich eine Toppositionierung einnehmen würde. Und darauf ist das BKT-Management nachvollziehbar voller Stolz.

Die Familie Poddar kontrolliert die Balkrishna Industries Ltd.

Die Familie Poddar kontrolliert die Balkrishna Industries Ltd.

Zeitlose Werte und dynamische Entwicklung

Arvind Poddar, Chairman und Managing Director des Unternehmens, präsentierte in Mumbai, dem BKT-Stammsitz, eine druckfrische Imagebroschüre unter dem Titel „Committed To Growth“ („Dem Wachstum verpflichtet“), an deren Entstehung er selbst maßgeblich mitgewirkt haben dürfte. Er erinnerte an Werte wie Kundenorientierung, Integrität, Transparenz, Passion, Umweltfreundlichkeit, Innovation oder soziale Verantwortung, die sein Vater – Firmengründer Mahabirprasad Poddar – seinen Nachfahren vererbt und quasi als DNA in die Firma implantiert hat.

Neben diversen anderen wirtschaftlichen Aktivitäten – so in der Textil- und der Papierbranche – stieg der Unternehmer Mahabirprasad Poddar ab 1954 in das Geschäft mit Reifen für zwei- bzw. die in Indien auch so populären dreirädrigen Fahrzeuge ein: 1987 gründete er Balkrishna Industries Ltd. und ließ in Aurangabad die erste BKT-Reifenfabrik errichten, die 1995 – zwei Jahre nach seinem Tod und ein Jahr nach der grundsätzlichen Entscheidung, von einem Reifensegment in ein anderes zu wechseln und aus einem nationalen Marktteilnehmer einen internationalen zu machen – auf „Off-Highway“-Reifen umgerüstet wurde. Wobei an dieser Stelle darauf verwiesen sei, dass BKT den Begriff Off-Highway für Landwirtschaftsreifen und das Kürzel OTR für sämtliche anderen Einsatzbereiche abseits der Straße (Bau und Erdbewegung, Industrie, MPT etc.) nutzt.

Arvind Poddar, Chairman und Managing Director von BKT

Arvind Poddar, Chairman und Managing Director von BKT

Man stelle sich das vor: Der gesamte Maschinenpark bzw. das Equipment waren eher klein dimensioniert, weil ja auch die gefertigten Produkte – Zwei- und Dreiradreifen – eher klein waren. Und dann kam ein Umswitchen ins andere Extrem der Schwerreifen, was wesentlich größer dimensionierte Produktionsmaschinen erforderte. Bereits 2002 gelang der Einstieg ins Radialreifensegment mit einer dann schon von vornherein auf die Fertigung von Landwirtschafts-, EM- und Industriereifen ausgerichteten neuen Fabrik im nordindischen Bhiwadi. Eine Folge dieses Wechsels von „Leicht“- auf Schwerreifen war übrigens der Bau einer eigenen Formenfabrik im Jahre 2004 in Dombivali im Norden Mumbais. 2006 wurde mit dem Standort Chopanki der Einstieg in die Produktion von Ganzstahlradialreifen für die Segmente Industrie und OTR initiiert und zwei Jahre später umgesetzt. Woraus dann übrigens umgehend der Einstieg in das Erstausrüstungsgeschäft, das heute für 15 Prozent des BKT-Umsatzes steht und schon kurzfristig auf einen Anteil von 25 Prozent gesteigert werden soll, resultierte.

7.000 Menschen arbeiten heute für BKT, 600 Tonnen Reifen werden arbeitstäglich aktuell in den vier Reifenfabriken hergestellt, 300 Reifenformen jährlich. Wer weiß, welche neuen Produkte BKT in der Pipeline hat – so neben „Giant Tires“ auch radiale Gabelstapler-, Hafen- oder MPT-Reifen –, der wird feststellen, dass sich die dynamische Unternehmensentwicklung in der schier unglaublichen Geschwindigkeit bei der Entwicklung und Einführung neuer Produkte widerspiegelt. 2.400 verschiedene Artikelnummern stehen aktuell in den BKT-Bestelllisten. 98 Prozent all der in den BKT-Werken gefertigten Reifen werden über den Containerterminal von Kandla in 130 Länder weltweit exportiert. Und ganz in der Nähe von Kandla wurde das neueste Werk errichtet, diese Nähe ist sicherlich ein Grund für die Standortentscheidung Bhuj gewesen.

Modernität „in the middle of nowhere“

Umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen wurden durchgeführt

Umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen wurden durchgeführt

Auf den 126 Hektar, auf denen der „BKT-Komplex“ in den letzten Jahren entstand, war quasi nichts und drumherum auch nichts, was man für eine Produktion benötigt: Es gab keine Elektrizität, kein Trinkwasser. Man wusste nur, dass man ein neues Reifenwerk brauchte, weil die bestehenden am Anschlag produzierten, berichtet Mitgeschäftsführer Rajiv Poddar, der maßgeblich für die Umsetzung des Projektes und damit letzten Endes auch für die Standortwahl verantwortlich zeichnet. Man habe am Anfang des Entscheidungsprozesses, der schließlich – nach einem mehrmonatigen Auswahlverfahren – zum Standort führen sollte, bestimmte Parameter gehabt: Die Größe des Areals sollte bei wenigstens 120 Hektar liegen, das Investitionsvolumen bei einer halben Milliarde US-Dollar, die logistischen Rahmenbedingungen günstig. Und da bot sich der Standort im Bundesstaat Gujarat – die Stadt Bhuj selber ist knapp 20 Kilometer vom eigentlichen Werksgelände entfernt – am ehesten an, schließlich ist der Umschlagshafen für die täglich 20 bis 25 Container mit BKT-Reifen gerade einmal 60 Kilometer entfernt. Er wird übrigens bereits von den anderen drei Reifenwerken des Unternehmens genutzt, das 95 Prozent und mehr seiner Reifen exportiert.

Poddar verschweigt aber auch nicht, dass nach der Festlegung auf Bhuj noch so manches Hindernis wartete: So galt es, das richtige Personal zu finden – immerhin 1.700 Arbeitskräfte – und musste die Infrastruktur aufgebaut werden. Ungewöhnliche und umfangreiche Bodenarbeiten mussten durchgeführt, eine etwa acht Kilometer lange Wasserpipeline, die in ein großes Wasserreservoir führt und von dem auch die gerade erst gepflanzten zahlreichen kleinen Bäumchen bewässert werden sollen, gebaut und ein eigenes (Kohle-)Kraftwerk errichtet werden. Dass die Gegend recht stürmisch ist, wurde bei den Bauten ebenso berücksichtigt wie die Gefahr von Erdbeben. Auch innerhalb der Fabrik bei den Prozessen und beim Equipment wurde an so mancher Stelle Neuland betreten und ging es über gängige Standards in diesem Reifensegment hinaus, sodass sich die BKT-Manager so manches mal als echte Pioniere gefühlt haben dürften.

Im August 2010 erfolgte mit einem Zeremoniell nach hinduistischem Glauben der Startschuss, im Januar 2011 die Grundsteinlegung, und schon Anfang März 2012 konnte der erste Vollgummi-, zwei Wochen später der erste Luftreifen der Form entnommen werden. Ein Vorurteil besagt, dass in Indien vieles ganz langsam vonstatten geht, hier wird es konterkariert; vielleicht liegt das an einem zweiten Vorurteil: Indische Manager gelten als sehr ungeduldig, bei ihnen kann es oftmals nicht schnell genug gehen.

37 Kilometer Pipeline für eine eventuelle Brandbekämpfung wurden verlegt, sieben Feuerwehr- und zwei Krankenwagen samt „Medical Station“ sind auf dem Werksgelände stationiert, auf sechs Hektar entstanden 406 Wohnungen für Familien, Appartements für 200 Personen bzw. 90 sogenannte „bachelor rooms“, ein Restaurant für Besucher und Führungspersonal, ein komfortables Gästehaus (das „White House“) mit mannigfaltigen Freizeitangeboten …

Die umbauten Produktionshallen nehmen 30 Hektar ein. EM-, Landwirtschafts- und Industriereifen finden sich unter einem Dach, ob radial oder diagonal, ob Schlauch- oder Schlauchlos- oder Vollgummireifen – das ganze OTR-Off-Highway-Spektrum wird abgebildet, freilich innerhalb der Fabrik je nach Reifentyp klar voneinander getrennt. Vom kleinen 4.00-8 bis zum 1.350 Kilogramm schweren Ganzstahlradialreifen 27.00 R49 Earthmax SR-45 Plus reichte im Dezember bei der Werksvisite das Produktionsprogramm, 167 Pressen sind in Betrieb und sorgen für einen täglichen Output von etwa 2.000 Reifen, wohlgemerkt vom Kleinst- bis zum großen Schwerreifen. 99 Prozent aller Maschinen hat BKT importiert und sich dabei der weltbesten Maschinenbauer bedient: aus Deutschland (so von Harburg-Freudenberger), aus Italien (Marangoni), Großbritannien, Taiwan, ja selbst aus China; bei den Pressen fällt der Blick auf das Emblem der Larsen & Toubro Ltd., immerhin das eine Firma, die wie BKT in Mumbai beheimatet ist. Die erforderlichen Rohmaterialien (Stahlkord von Bekaert) reichen durchschnittlich für 45 Tage Produktion, die beiden großen Fertigwarenläger fassen jeweils ca. 2.000 Tonnen. Das Werk hatte bereits Ende 2015 ein tägliches Fertigungsvolumen von 150 Tonnen erreicht und damit den „Break-even-Punkt der Profitabilität von 130 bis 140 Tonnen überschritten; 325 Tonnen sind das Ziel. Bereits im Jahre 2018 soll das Werk „bezahlt“ sein. detlef.vogt@reifenpresse.de

Beim Equipment hat sich BKT bei den Besten des Weltmarktes eingedeckt

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