VDMA Landtechnik: „Wachstumspause“

Die europäische Agrartechnikindustrie behauptet sich in schwierigem Marktumfeld. „Nach einem mehrjährigen Höhenflug hat sich das Tempo auf den internationalen Landtechnikmärkten deutlich verlangsamt“, so der Geschäftsführer des VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) Dr. Bernd Scherer. Branchenweit spreche man derzeit von einer „Wachstumspause nach klassischem Muster“, die in erster Linie „auf übliche Sättigungseffekte, aber auch auf die recht schwache Einkommenssituation der Landwirte“ zurückzuführen sei.

„In einigen Ländern machen uns außerdem politische Instabilitäten sowie ein dezidierter Mangel an verlässlichen Finanzierungsmöglichkeiten zu schaffen“, erklärt Scherer. Noch deutlichere Bremsspuren hinterließen Handelshemmnisse tarifärer wie nicht-tarifärer Art, „wie wir sie mit allen nachteiligen Konsequenzen seit mehreren Jahren aus Russland kennen“. Für 2015 kalkuliert der Branchenverband mit einem Umsatz aus deutscher Produktion von knapp sieben Milliarden Euro, was einem Rückgang um zehn Prozent entspräche.

Die „langfristige Nachfrageentwicklung“ dürfte davon jedoch „kaum berührt werden“, sagt Scherer. Schließlich verzeichne die Urproduktion, deren Ertragsstärke aufs engste mit moderner Agrartechnik verbunden sei, dank weltweit steigender Nachfrage nach proteinreicher Nahrung und regenerativer Energie seit Jahren deutliche Wachstumsraten.

„Unter der Annahme konstanter Preise hat sich die globale Getreideproduktion innerhalb der vergangenen drei Jahrzehnte wertmäßig um 56 Prozent, das Schlachtaufkommen sogar um 106 Prozent erhöht“, betont der langjährige Branchenkenner. In den nächsten Jahren sei angesichts der immensen Bedarfslage in den Schwellenländern mit weiteren signifikanten Zuwächsen zu rechnen.

Das Stimmungsbild in der Industrie zeigt sich aktuell verhalten optimistisch. Aus dem CEMA-Business-Barometer, einer monatlichen Befragung des Dachverbandes der europäischen Agrartechnikindustrie, lässt sich zwar ablesen, dass die Mehrheit der interviewten Spitzenmanager von einer anhaltenden Rezessionsphase spricht, allerdings wächst die Zuversicht in jüngster Zeit spürbar. Der Tiefpunkt scheint mittlerweile überwunden zu sein. So bewertete im August deutlich mehr als die Hälfte der Befragten die gegenwärtige Geschäftssituation mit der Schulnote „gut“ oder „sehr gut“.

Ähnlich positiv sind auch die Erwartungen für die kommenden sechs Monate. Während ein Drittel von einer Stabilisierung des Status quo spricht, sehen immerhin 28 Prozent Wachstumspotentiale. Demgegenüber stehen allerdings nach wie vor 39 Prozent, die mit einem weiteren Minus rechnen.

„Geographisch betrachtet, hat das derzeitige Konjunkturtief seit dem vergangenen Jahr nahezu die gesamte Weltproduktion von Landmaschinen und Traktoren erfasst. Wir gehen davon aus, dass der Produktionswert 2015 von 100 auf 91 Milliarden Euro absinken wird“, sagt Scherer. Besonders starke Rückgänge sind in Nord- und Südamerika sichtbar, wo sich die Fertigung wertmäßig um etwa 17 Prozent verringerte. Am anderen Ende der Skala mit deutlich geringeren Abstrichen in der Produktion liegen die asiatischen Standorte, allen voran China, das sich insgesamt als stabil bis leicht rückläufig erweist. Ungeachtet einer akut schwächelnden Volkswirtschaft bleibt das landwirtschaftliche Potential des Landes weiterhin hoch. Im Mittelfeld bewegen sich momentan die europäischen Fertigungsstätten für Landtechnik, die wertmäßig nach wie vor das Schwergewicht der Weltproduktion bilden. Für die Europäische Union lässt sich in diesem Jahr ein Durchschnittswert von minus zehn Prozent voraussehen. Deutschland, das sich in etwa auf diesem Level befindet, ist im globalen Vergleich allerdings immer noch hervorragend aufgestellt. „Wer die Bedeutung des Landtechnikstandortes Deutschland quantifizieren möchte, sollte sich vor Augen führen, dass wir in gut 150 Länder liefern, wobei rund acht Prozent des weltweiten sowie 25 Prozent des europäischen Produktionswertes auf die hiesigen Fabriken zwischen Marktoberdorf und Buxtehude entfallen“, bemerkt Scherer.

Globale Marktentwicklung

Auf den globalen Schlüsselmärkten für Agrartechnik zeigt sich Scherer zufolge ein gewohnt heterogenes Konjunkturbild. Während in den USA ein großes Überangebot an Gebrauchtmaschinen bestehe, das im Verbund mit massiv sinkenden landwirtschaftlichen Einkünften „zu einer regelrechten Investitionsbremse“ geworden sei, operiere China mit nur leichten Einbußen im Vergleich zum Vorjahr. Mit einem Marktanteil von 15 Prozent ist China mittlerweile der „drittwichtigste Landtechnikmarkt der Welt“. In den GUS-Staaten ist von einer andauernden Abwärtsbewegung die Rede, „wobei wir für dieses Jahr ein Minus von 25 Prozent sehen“, sagte Scherer. dv

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