Psychologische Studie zur gegenseitigen Verhaltensbeeinflussung im Straßenverkehr

Die wechselseitige Beeinflussung des Verhaltens von Autofahrern erhöht häufig das Risiko im Straßenverkehr. Unterschiedliche Handlungsstrategien, die sie in Bezug auf ihr Gegenüber im Verkehr verfolgen, gehen oftmals mit gefährdenden Verhaltensweisen einher. Dies sind die zentralen Ergebnisse der neuesten Untersuchung des Reifenherstellers Goodyear und der London School of Economics and Political Science (LSE) zur Verkehrssicherheit.

Die Sozialpsychologen der LSE haben in einer ersten Phase des laufenden Forschungsprojekts mittels Fokusgruppen und Tiefeninterviews auf qualitativer Basis sieben grundverschiedene Fahrer-Profile herausgearbeitet. „Die meisten dieser Verhaltensweisen im Rahmen der Interaktion mit anderen Verkehrsteilnehmern können leider zu gefährlichen Situationen führen. Je besser wir verstehen, wie wir uns als Autofahrer verhalten und was die Ursachen hierfür sind, desto eher können wir an uns arbeiten und selbst zu mehr Sicherheit beitragen“, so Olivier Rousseau, Vice President bei Goodyear für den Bereich Pkw-Reifen in Europa, dem Nahen Osten und Afrika, über die Ergebnisse sowie den Zweck der Untersuchung.

Der Straßenverkehr birgt für Autofahrer vielerlei Potenzial für Stress und Frustration – häufige Ursachen für gefährliche Fahrmanöver und andere risikoreiche Verhaltensweisen. Studien zur Verkehrssicherheit haben sich dabei bislang meist auf Einflüsse der physischen Umwelt auf Fahrer wie beispielsweise den Verkehrsfluss konzentriert – im Gegensatz zu einer sozialen Betrachtungsweise wie von Goodyear und der LSE. Die Untersuchung befasst sich intensiv mit den Interaktionen zwischen Autofahrern und ihren gegenseitigen Einstellungen. Eine grundlegende Erkenntnis dabei ist, dass die Reaktionsweisen auf das Verhalten der anderen maßgeblich davon abhängen, wie Fahrer mit ihren eigenen Gefühlen und der Unvorhersehbarkeit hinsichtlich des Verhaltens anderer Verkehrsteilnehmer und der hieraus entstehenden Unsicherheit umgehen. Die Forscher der LSE haben die folgenden sieben Persönlichkeitstypen, die je nach Situation und Fahrerkonstellation zum Vorschein kommen können, identifiziert:

  1. Der Belehrer muss sicherstellen, dass andere Fahrer wissen, was sie falsch gemacht haben, und erwartet Anerkennung seiner Bemühungen, andere zu belehren.
  2. Der Besserwisser denkt, er ist von inkompetenten Mit-Verkehrsteilnehmern umgeben und begnügt sich damit, andere Fahrer aus dem geschützten Bereich seines Fahrzeugs heraus herablassend anzuschreien.
  3. Der Wettkämpfer muss immer an vorderster Stelle fahren und ärgert sich, wenn ihn jemand daran hindert. Es ist möglich, dass er beschleunigt, wenn ihn jemand überholen will, oder dass er dicht auffährt, damit niemand vor ihm einfädeln kann.
  4. Der Bestrafer möchte andere Fahrer für wahrgenommenes Fehlverhalten bestrafen. Gut möglich, dass er aus seinem Auto aussteigt und andere Fahrer direkt konfrontiert.
  5. Der Philosoph akzeptiert Fehlverhalten und versucht, dieses rational zu erklären. Es gelingt ihm, seine Gefühle beim Autofahren zu kontrollieren.
  6. Der Vermeider verhält sich gegenüber Fahrern, die Fehlverhalten zeigen, distanziert, sieht sie als potentielle Gefahr.
  7. Der Aussteiger hört Musik oder telefoniert, um sich selbst zu isolieren. Er lenkt sich ab – auch vom Verkehrsgeschehen, um nicht mit anderen Autofahrern in Beziehung treten zu müssen. In erster Linie ist dies eine Strategie gegen Frustrationserlebnisse (zur Frustrationsvermeidung).

„Interaktionen zwischen Autofahrern können die Straße zu einer schwierigen und unsicheren sozialen Umgebung machen“, erläutert der Sozialpsychologe Dr. Chris Tennant, der das Forschungsprojekt bei der LSE leitet. „Während wir uns über die Fahrweise der anderen Gedanken machen, hängt auch deren Verhalten davon ab, was wir tun. Wir tragen hierdurch dazu bei, bei unserem Gegenüber jene Persönlichkeitsaspekte hervorzurufen, die wir selbst nicht mögen. Keiner ist dabei stets ausschließlich die eine oder die andere Persönlichkeit.“

Olivier Rousseau: „Über Untersuchungen wie diese hinaus bedarf es auch der wirksamen Durchsetzung von Gesetzen gegen aggressives Fahren, der Aufklärung und lebenslangem Lernen, um soziale und emotionale Aspekte des Fahrens zu handhaben und größtmögliche Verbesserungen im Bereich der Verkehrssicherheit zu erzielen.“

Die zweite Phase des Projekts stellt eine europaweite Studie dar, die sich auf 15 Länder erstreckt. Die finalen Ergebnisse werden für Oktober 2015 erwartet. dv

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