Kommentar: Reifenpreiserhöhungen – jetzt?

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Vor Kurzem machten Meldungen die Runde, wonach die Reifenindustrie an der Preisschraube für ihre Produkte für den Sommereinsatz drehen will. Nicht nur Michelin plane, europaweit seine Preise für Pkw-Sommerreifen anzuheben, hieß es in einer Mitteilung von Analysten, sondern auch von ganz allgemein „positiveren Preisaussagen der Konkurrenz“ war da die Rede. Mit anderen Worten: Andere Hersteller haben Ähnliches vor.

Und tatsächlich sind zwischenzeitlich bereits Bridgestone (inklusive der Marke Firestone) und Pirelli aus der Deckung gekommen und haben zum 1. Juli jeweils Preiserhöhungen für ihre Sommer- und Ganzjahresreifen in den Produktsegmenten Pkw, 4×4/SUV sowie Van/Transporter umgesetzt. Anders als sonst üblich wird dabei allerdings kein Grund für diesen Schritt genannt.

Zu den „üblichen Verdächtigen“ gehören normalerweise gestiegene Kosten aufseiten der Rohmaterialien, im Zusammenhang mit der Energieversorgung oder in Sachen Entlohnung der eigenen Mitarbeiter. Doch weder beim Blick beispielsweise auf die aktuellen Naturkautschuknotierungen oder die Entwicklung der Rohölpreise lassen sich irgendwelche dramatischen Anstiege erkennen.

Im Gegenteil: Der Preis für Rohöl schwankt weiter um die Marke von etwa 60 US-Dollar je Barrel und ist damit immer noch nur rund halb so hoch wie Mitte vergangenen Jahres. Beim Naturkautschuk ist allenfalls ein leichter Anstieg der Notierungen seit Jahresanfang erkennbar, und von exorbitant hohen Lohnabschlüssen für die Fachkräfte der Branche war in jüngster Vergangenheit ebenfalls nichts zu vernehmen.

 

Man fragt sich also unwillkürlich, wieso gerade jetzt – zum nahenden Ende der Saison – die Preise für Sommerreifen steigen sollten. Zumal diejenigen für Winterreifen, die ja alsbald wieder verstärkt in den Fokus rücken, (vorerst?) nicht angetastet werden. Dies umso mehr, wo doch die Sommerreifen für die langsam auslaufende Saison längst produziert sind und dieser Tage die Produktion in den Reifenwerken üblicherweise mehr und mehr auf die von Winterreifen umgestellt wird, um sie dann auf den Weg in Richtung Handel zu bringen.

Dennoch geschieht das Ganze wohl nicht ohne Hintergedanken. Denn obwohl die Absatzentwicklung des Handels in Richtung Verbraucher in Bezug auf Pkw-Sommerreifen mit einem gut achtprozentigen Minus bisher recht deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, lässt die bloße Ankündigung höherer Preise sicherlich so manchen Vermarkter darüber nachdenken, möglichst rechtzeitig Ware noch zu den alten, günstigeren Bedingungen zu beziehen.

Folgen genügend Marktteilnehmer dieser Logik, sollten die Reifenhersteller damit dem Sell-in einen zusätzlichen Impuls verleihen können. In der Tat ist im deutschen Reifenersatzgeschäft bezüglich der kumulierten Absatzentwicklung Industrie in Richtung Handel im Mai erstmals ein Wechsel ins Plus registriert worden. Das könnte aber ebenso gut daran liegen, dass im Handel auf ein weiter anziehendes Ganzjahresreifengeschäft spekuliert wird, weil diese Reifengattung innerhalb der Branche ja zu den Sommerreifen gezählt wird.

Wie dem auch sei: Die Industrie dürfte von den Preisanhebungen im einen wie im anderen Fall profitieren können. Ob der Handel sie an seine Kunden wird weitergeben können noch in diesem Jahr (Ganzjahresreifen) oder im nächsten (Sommerreifen), muss sich demgegenüber aber erst noch zeigen. Nötig und wünschenswert wäre es angesichts der wieder einmal bzw. weiterhin angespannten Lage der Branche allemal. christian.marx@reifenpresse.de

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