Reifensimulation mit „guter Balance zwischen Rechenzeit und Genauigkeit“

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Ungeachtet der Tatsache, dass die niedersächsische Landeshauptstadt Konzernsitz der Continental AG ist, verbindet man die Hannover-Messe normalerweise trotzdem nicht unmittelbar mit Reifen. Aber nichtsdestoweniger wird es in diesem Jahr vom 13. bis zum 17. April bei der Messe auch um dieses Thema gehen, denn das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) in Kaiserslautern will vor Ort das von ihm entwickelte Reifensimulationswerkzeug „CDTire/3D“ präsentieren. So wie Fahrzeughersteller mittels entsprechender Software neue Fahrzeugdesigns virtuell testen, lange bevor das erste Auto dann tatsächlich vom Band rollt, soll das ITWM-Tool Räder/Reifen realitätsnah darstellen und dabei die Wärme berücksichtigen können, die beim Fahren entsteht und welche die Eigenschaften der Reifen verändert. Seien bisherige Berechnung in diesem Bereich entweder langwierig bzw. rechenintensiv, zu ungenau oder ließen sie sich meist nicht in das Gesamtfahrzeugmodell einfügen, so soll „CDTire/3D“ diesen Spagat besser meistern. Interessierte können sich am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand „Simulation“ bei der Hannover-Messe selbst ein Bild davon machen.

„Mit der Technologie haben wir eine gute Balance gefunden zwischen Rechenzeit und Genauigkeit“, sagt Dr. Manfred Bäcker, Leiter der Reifen- und Fahrzeugsimulation am ITWM. Die Simulation bilde die Realität gut ab und sei gleichzeitig schnell, verspricht er. Dazu bilden die Wissenschaftler eigenen Worten zufolge die Eigenschaften des Reifens über ein strukturmechanisches Schalenmodell ab. „Statt ihn als Volumenmodell abzubilden, stellen wir den Reifen als Schale dar – das spart viel Simulationszeit und berücksichtigt dennoch alle Eigenschaften“, erklärt Bäcker. Zunächst werden einzelne Schalen für jede funktionale Lage des realen Reifens – eine für jede Stahlgürtellage, eine für die Bandage usw. – berechnet und anschließend zu einer einzigen Schale zusammengefasst. Als Besonderheit wird dabei hervorgehoben, dass das Modell auch die Seitenwand mit berücksichtigt. Bei herkömmlichen Simulationen müssten die Autohersteller die Parameter gänzlich neu anpassen, sobald sich die Reifenbreite in der Simulation ändert oder der Reifendruck variiert, heißt es weiter. „Wir haben Geometrie und Materialeigenschaften komplett voneinander getrennt, man kann also die Geometrie des Reifens verändern, ohne das Modell angleichen zu müssen“, so Bäcker unter Verweis darauf, dass die ITWM-Reifensimulation bereits weltweit im Einsatz ist unter anderem bei Toyota und Daimler.

Zusätzlich zu dieser Simulation beziehen die Wissenschaftler demnach nun auch die Temperatur ein. Denn der Reifen wird beim Fahren verformt bzw. durchgewalkt, und die Bremsen geben ebenfalls Hitze ab, sodass er sich in der Folge erwärmt und sich in seinen Eigenschaften verändert. Die Forscher speisen die Ergebnisse aus „CDTire/3D“ eigenen Worten zufolge in das Temperaturmodell ein, simulieren anhand dieser Berechnungen, wie sich die Hitze im Reifen ausbreitet, und koppeln die Ergebnisse zurück ins Strukturmodell. Das Schweizer Formel-1-Team Sauber will das Temperaturmodell demnach künftig einsetzen, um ihre Rennwagen schneller zu machen. „Da das System modular aufgebaut ist, können wir das Temperaturmodell an jedes beliebige Simulations-Tool koppeln“, sagt Leiter der Reifen- und Fahrzeugsimulation am ITWM. So soll es sich beispielsweise auch an das Tool „CDTire/Realtime“ anbinden lassen: Diese Software kann etwa beim Auslegen eines elektronischen Regelsystems wie dem Elektronischen Stabilitätsprogramm (ESP) eingesetzt werden. Dieses Tool läuft – ebenso wie die Temperaturberechnung – in Echtzeit, allerdings bislang nur auf großen Rechnern im Labor. Künftig könne es während der Fahrt im Auto auf dort installierten Mikrocontrollern eingesetzt werden, um die Genauigkeit des ESP zu erhöhen. Bis dahin – schätzt Bäcker – wird es jedoch noch etwa ein bis zwei Jahre dauern. cm

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