Genan: „Rohstoff Altreifen“ so lange wie möglich im Kreislauf halten

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In Europa fallen jedes Jahr bis zu 3,5 Millionen Tonnen Altreifen an – eine unvorstellbare Menge. Während immer noch rund ein Drittel davon in der Zementindustrie zur sogenannten „thermischen Verwertung“ landet, hat sich in den vergangenen 25 Jahren zunehmend eine Branche entwickelt, deren Ziel das Recycling der alten Gummis ist, wobei Recycling hier als „Ersatz von Primärrohstoffen“ verstanden werden soll. Treibende Kraft hinter dieser Entwicklung und heute mit Abstand Marktführer in Europa – technologisch wie auch mengenmäßig – ist Genan. Das dänische Unternehmen mit Sitz in Viborg und sein Gründer Bent Nielsen haben es sich zum visionären Ziel gemacht, einmal zehn Prozent des weltweiten Altreifenaufkommens zu recyceln und als Ersatzrohstoffe wieder in Umlauf zu bringen. Während dieses Ziel in Europa nahezu erreicht ist, sollen jetzt Nordamerika und dann die BRICS-Staaten folgen. Wichtiger als die Menge allerdings ist den Verantwortlichen dabei die Entwicklung neuer, möglichst hochwertiger Anwendungen. Auch wenn Genan ein gewinnorientierter Betrieb ist – für die Umwelt sei es zentral wichtig, wenn der „Rohstoff Altreifen“ so lange wie möglich im Kreislauf bleibt.

button_nrz-schriftzug_12px-jpg Dieser Beitrag ist in der Runderneuerungsbeilage zum Juni-Heft erschienen, die Abonennten hier als E-Paper lesen können.

Bent Nielsen steht nicht im Ruf, seine unternehmerischen Aktivitäten mit einer gewissen Zögerlichkeit zu betreiben. Im Gegenteil: Der ursprünglich aus der Verlagsbranche stammende Däne hatte sich bereits in jungen Jahren gefragt, warum es in Dänemark eigentlich ein etabliertes Sammelsystem für Altpapier gibt, für Altreifen aber eben nicht. Warum diesen „wertvollen Rohstoff verbrennen oder wegwerfen?“

Aus der dann 1976 gekauften kleinen Runderneuerungsfirma in Viborg entwickelte Nielsen im Laufe weniger Jahre eines der größten privaten Reifenhandelsimperien, das es in Europa je gab. Erst 2003 verkaufte er seine Viborg-Handelskette für 300 Millionen Euro an Michelin. Damals gehörten zur Kette europaweit über 650 Niederlassungen.

Dies hat freilich die weitere Expansion des Recyclinggeschäftes unterstützt, wenn auch nicht bedingt, das für Nielsen „die Zukunft“ darstellte und mit dem er bereits 1990 mit der Inbetriebnahme der ersten Anlage am heimischen Standort in Viborg begonnen hatte. Der Verkauf der Viborg-Handelskette war auch als klares Signal an die Branche zu verstehen: Nielsen will sich jetzt nur noch um die Weiterentwicklung des Altreifenrecyclings, der dazu notwendigen Technologien, Netzwerke und vor allem Anwendungen des Ausgangsmaterials kümmern; die klare Entscheidung eines Entrepreneurs eben.

Lars Raahauge, bei Genan Director of Business Development, kann Recycling ausschließlich als „Ersatz von Primärrohstoffen“ verstanden werden; wertvolle Rohstoffe zu verbrennen oder wegzuwerfen sei das Letzte, was man tun dürfe

Lars Raahauge, bei Genan Director of Business Development, kann Recycling ausschließlich als „Ersatz von Primärrohstoffen“ verstanden werden; wertvolle Rohstoffe zu verbrennen oder wegzuwerfen sei das Letzte, was man tun dürfe

Dem Antrieb des Unternehmers liegt auch die Erkenntnis zugrunde, dass Deponieren, Exportieren oder gar Verbrennen in jedem Fall schlechte Alternativen sind. Schlecht für die Umwelt, weil das Altreifenproblem zusammen mit dem Gebrauchtreifen etwa von Europa ins arme Afrika mitexportiert wird. Dies sei „unethisch“, findet Lars Raahauge, Director of Business Development bei Genan, weil am Ende die Reifen fast immer auf einer Deponie landen, was in Europa längst durch die Abfallrahmenrichtlinie verboten ist. Schlecht für die Umwelt auch, weil das Altreifenproblem in den Öfen der Zementindustrie deutlich mehr Umweltgase wie CO2 produziert als das Genan-Recycling. Die für diese Mitverbrennung gebräuchlichen Begriffe wie „thermische Verwertung“ oder „Energy Recovery“ im Englischen seien so zynisch wie irreführend, findet man in Viborg. So etwas habe nichts mit Recycling zu tun, wie man es verstehen sollte, also das Wiederinverkehrbringen von einmal gebrauchten Rohstoffen als Ersatz für natürliche Ressourcen.

Während dieses Recycling bei Stoffen wie etwa Kupfer, Glas oder Papier relativ simpel und offensichtlich ist, gab es dafür in Bezug auf Reifen bei Gründung der Firma Genan weder die Technologie noch die Anwendungen, geschweige denn einen Markt. Wie sollte ein vulkanisierter Reifen, in dem neben Natur- und Synthesekautschuk, Ruß und Stahl auch Textilien und jede Menge Chemikalien stecken, ein zweites Leben erhalten, insbesondere dann, wenn Runderneuerung – die zugegeben beste Weiterverwendung eines Altreifens – keine Option darstellt? Wie sollte er bearbeitet werden, damit daraus weiterverwertbare Alternativrohstoffe entstehen? Und in welchen Anwendungen sollten diese Materialien dann genutzt werden? Fragen über Fragen, auf die Bent Nielsen und sein Genan-Team in den vergangenen 25 Jahren Antworten gefunden haben.

Das Ausgangsmaterial, das durch die vorwiegend mechanische Bearbeitung in verschiedenen Shreddern in den Genan-Recyclinganlagen entsteht, ist dreigeteilt. Während mittlerweile sogar 75 Prozent des Eingangsmaterials, also der Altreifen, in Gummigranulat und Gummipulver zerkleinert werden können, entstehen weitere 16 Prozent hochwertiger und wieder verwertbarer Stahlabfälle. Und – „das große Problem für Genan“ – neun Prozent Textilien. Ein minimaler Anteil der Altreifen – in der Regel Fremdkörper wie Steine etc. – kann nicht recycelt werden.

Die Textilien, das sind Nylon, Rayon und Polyester, machten früher sogar noch einen größeren Anteil am Ausgangsmaterial aus. Dass dieser Anteil durch technologische Weiterentwicklungen der Genan-Anlagen weiter verringert werden konnte, sieht Lars Raahauge zwar als großen Erfolg des Unternehmens. Ein „großes Problem“ sei dies aber dennoch, stehe dieser Anteil doch zwischen dem Anspruch, 100 Prozent der angelieferten Altreifen auch wirklich zu recyceln, und der Realität, dass dies technologisch eben nur schwer zu leisten ist.

Über die Technologie, die in den mittlerweile fünf weltweit betriebenen Genan-Anlagen zur Anwendung kommt, möchte man in Viborg am liebsten nicht allzu viel verraten. Eine Führung durch eine der Anlagen haben selbst langjährige Geschäftspartner unter den Altreifenentsorgern in Europa mitunter noch nie erhalten. Auch die Tatsache, dass keine der Eigenentwicklungen, die in Zusammenarbeit mit deutschen Maschinenbauern entstanden seien, patentgeschützt sind, ist dem Bedürfnis geschuldet, keine Detailinformationen über die gebrauchte Technologie zu veröffentlichen; Patente sind öffentlich, wenn auch theoretisch geschützt. „Wir haben keine Patente, dafür 1.000 kleine Geheimnisse“, umgeht der Director of Business Development bei Genan gekonnt die Frage nach den nicht beantragten Patenten, die man sicherlich hätte haben können.

Je länger Genan im Recyclinggeschäft ist, umso definierter und komplexer werden die möglichen Anwendungen, für die das Ausgangsmaterial genutzt werden kann. Dies ist nicht nur logische Folge der stattfindenden Forschung und Entwicklung. Sondern ist auch Folge der sich mehr und mehr entwickelnden Nachfrage nach entsprechenden Recyclingrohstoffen. Diese allerdings, so betont Lars Raahauge im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG, sei nicht vom Himmel gefallen, sondern musste mitunter in enger Kooperation mit Genan erst „induziert“ werden.

Genan hat sich mit Erfolg seinen eigenen Markt geschaffen; Nachfrage nach Altreifengranulat etwa, das als Untergrund für Kunstrasensportplätze oder als Bodendämmmaterial auf Bahnübergängen, Kinderspielplätzen oder in Werkstätten und Pferdeställen genutzt wird, habe sich erst in den vergangenen Jahren entwickelt – in Parallelität zum Angebot aus Dänemark. Auch zur Geräusch- und Wärmedämmung werde Genans Recyclingmaterial zunehmend genutzt. Gleiches treffe auf die Nutzung im Straßenbau zu, wo der Director of Business Development großes Potenzial und enorme Wachstumschancen sieht. Es kommt folglich auch nicht von ungefähr, dass Genan bemüht ist, sich auf diesem Markt mit speziellen Entwicklungsprojekten, etwa mit Evonik Industries aus Essen, hervorzutun.

Bei diesem speziellen Projekt etwa geht es in aller Kürze um Folgendes: Asphalt wird heute in der Regel ein Material namens Styrol-Butadien-Styrol (SBS) beigemischt. Der so modifizierte Asphalt verringert den Wartungsaufwand und erhöht die Haltbarkeit der Straße. SBS kann nun aber auch durch recyceltes Genan-Gummigranulat und ein spezielles Evonik-Polymer namens Vestenamer ersetzt werden – bei gleicher Leistungsfähigkeit. Genan vertreibt dieses neue Produkt unter dem Markennamen „Road+“ – ein Beispiel dafür, wie Genan-Material weitergenutzt werden kann. Raahauge hofft darauf, dass sich darüber hinaus Recyclingmaterialien ganz allgemein auf dem „gigantischen Markt für Straßeninfrastruktur“ durchsetzen werden.

Solche möglichen Anwendungen böten schon einen klaren Mehrwert im Vergleich zur Granulierung und Nutzung als Unterbau für Sportplätze – vom Marktpotenzial einmal ganz abgesehen. Eines der großen Ziele bei Genan allerdings ist es, das granulierte und pulverisierte Ausgangsmaterial wieder in der Neureifenfertigung zu nutzen. Damit würde sich der Kreislauf des Reifens komplett schließen, findet Raahauge; quasi „von der Wiege bis zur Wiege“. Bereits heute, soviel ist bekannt, experimentieren viele Reifenhersteller zum Thema Devulkanisation. Ebenfalls bekannt: Es ist bisher offenbar niemandem gelungen, die dazu notwendigen physikalischen und chemischen Prozesse auf eine Art zu steuern, dass die bei der Vulkanisation entstehenden Schwefelbrücken aufgebrochen werden, nicht aber die Kautschukmoleküle, und dass dies auch noch zu Kosten und mit einem Output geschieht, so dass sich daraus eine industrielle Anwendung ergeben könnte.

Vor drei Jahren hat Genan in Kooperation mit einem führenden Reifenhersteller am Standort im dänischen Viborg ein Pilotprojekt ins Leben gerufen, bei dem es ebenfalls um die Devulkanisation und die Nutzung von Recyclingpulver in der Neureifenproduktion geht. Genan allein hat dazu bisher bereits knapp 40 Millionen Euro investiert, die Hälfte allein in neues Equipment zur Herstellung von ultrafeinem Gummipulver. Zu den technologischen Details der Anlage bzw. dem Status-quo des Projekts möchte Raahauge indes nichts sagen, auch in Abstimmung mit dem Projektpartner. Außer: „In Zukunft wird es einen gut funktionierenden, effizienten und qualitativ hochwertigen Produktionsprozess geben, mit dem wir auch große Mengen devulkanisierten Gummi zur Wiederverwendung in der Reifenproduktion fertigen können.“

Raahauge betont unterdessen, Genan kooperiere in Bezug auf die Devulkanisation mit einigen führenden Neureifenherstellern. Auch wenn die Kosten für Naturkautschuk, den das Recyclingmaterial ja zum Teil ersetzen soll, in der jüngsten Vergangenheit wieder deutlich gesunken sind, sei auch der finanzielle Anreiz an der Devulkanisation immer noch hoch genug, so Raahauge, um entsprechende Projekte nachhaltig zu stützen. Bei Genan hofft man, stets in Abhängigkeit der Reifenanwendung einmal zehn Prozent Naturkautschuk durch Recyclingmaterial zu ersetzen; der erwartete Durchbruch.

Es sind solche und die zahlreichen anderen Anwendungen, mit denen aus dem Genan-Verfahren erst ein Geschäft wird. Während Genan sich natürlich auch die Entsorgung von Altreifen – dies sind ausnahmslos gebrauchte Pkw-, Lkw- und Industriereifen, nicht aber unvulkanisierte oder bereits irgendwo deponierte oder länger gelagerte Reifen – in seinen fünf Fabriken bezahlen lässt, stammt doch ein Großteil der Einnahmen aus dem Verkauf des Ausgangsmaterials. (Umsatzkennzahlen meldet das Unternehmen im Übrigen nicht. Diese sollen aber im dreistelligen Millionenbereich liegen.) Folglich sei auch das Thema gleichbleibende Qualität des Ausgangsmaterials von zentraler Bedeutung, so Raahauge. Man könne es sich schlichtweg nicht erlauben, zweitklassige Altreifen in den Genan-Anlagen zu recyceln, so seltsam das auch klingen mag.

Um diese gleichbleibende Qualität garantieren zu können, muss sich Genan gewissen Maximen unterwerfen. Natürlich sind die Recyclingwerke hochgradig automatisiert. Pro Werk sind in der Regel nur bis zu 30 Mitarbeiter beschäftigt, während die eigentliche Produktion im 24/7-Schichtsystem von lediglich vier Mitarbeitern aus der Leitstelle heraus betrieben wird. Bei Genan heißt dies „No hands on the tyres“, zu Deutsch: Niemand fasst den Reifen an.

Eine entsprechende Automatisierung sei auch durch eine Kostenoptimierung bedingt, erklärt Raahauge weiter. Eine Standardfabrik mit einer Jahreskapazität von 70.000 Tonnen kostet 60 Millionen Euro. Genan sieht für seine Recyclingtechnologie ein operatives Optimum bei 35.000 Tonnen jährlich bzw. einem Vielfachen davon. Neben den Qualitätsanforderungen machen also auch die hohen Investitionskosten den vollautomatischen Betrieb der Anlagen notwendig und die laufenden Kosten planbar.

Ebenfalls gehört es zu den Genan-Maximen, dass Märkte gleichmäßig aufgeteilt werden. Aktuell betreibt Genan, wie bereits erwähnt, fünf Recyclinganlagen weltweit, davon vier allein in Europa, und zwar dem Unternehmen zufolge mit Ausnahme Oranienburgs alle an der Auslastungsgrenze. Das erste Werk steht in Viborg am Sitz des dänischen Unternehmens und wird dort seit 1990 betrieben. Es läuft mit einer Kapazität von 70.000 Tonnen pro Jahr. Die drei weiteren europäischen Fabriken stehen alle auf deutschem Boden. Die erste entstand 2003 in Oranienburg bei Berlin und wurde mit einer Kapazität von 65.000 Tonnen in Betrieb genommen. Das zweite Werk steht in Dorsten-Marl (2008, 70.0000 Tonnen), das dritte in Mindelheim-Kammlach (2010, 70.000 Tonnen).

Dass drei Fabriken in Deutschland ansässig sind und keine etwa in Italien, Polen oder Spanien, hat einen simplen Grund. In Oranienburg betrieb Bent Nielsens ehemalige Viborg-Reifenhandelsgruppe ein Runderneuerungswerk, das ebenfalls 2003 an Michelin ging (das heutige Laurent-Reifen-Runderneuerungswerk); kurz vor dem Verkauf war in derselben Stadt das Recyclingwerk entstanden. Das zweite Werk liege westlich des Ruhrgebiets an einer strategisch-logistisch überaus günstigen Stelle mit einem immensen Altreifenaufkommen im weiteren Umkreis. Und das dritte Werk wurde ebenfalls in Deutschland gebaut, so Raahauge, weil man sich da bereits an den Standort gewöhnt hatte und sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und der komplexen Antragstellung eines solchen Fabrikbaus in Deutschland gut auskannte.

Jedes Werk entsorgt dabei in der Regel auch Altreifen aus den ihm nahegelegenen europäischen Nachbarländern. Während Deutschland mit den drei Anlagen natürlich im operativen Zentrum Genans steht, stammen in der Regel nur rund 50 Prozent der dort recycelten Reifen auch aus dem Land. Wenn dann 2016 auch das fünfte und womöglich letzte Werk in und für Europa in der Nähe von Toulouse in Südfrankreich ans Netz geht (ebenfalls auf 70.000 Tonnen ausgelegt), verfügt das dänische Unternehmen in Europa über eine Recyclingkapazität von 345.000 Tonnen pro Jahr; aktuell sind dies noch 275.000 Tonnen pro Jahr.

In Genans Anlagen wird nahezu vollautomatisch recycelt, und zwar in der Regel an der Kapazitätsgrenze; man folgt der Maxime: „No hands on the tyres“

In Genans Anlagen wird nahezu vollautomatisch recycelt, und zwar in der Regel an der Kapazitätsgrenze; man folgt der Maxime: „No hands on the tyres“

Bei einem Altreifenaufkommen von rund 3,5 Millionen Tonnen pro Jahr kann Genan dann ab 2016 die angestrebten zehn Prozent des Aufkommens recyceln. Da aus den Zahlen der ETRMA zum europäischen Altreifenmarkt hervorgeht, dass die Menge der nach der Genan-Definition recycelten Altreifen jeweils rund ein Drittel des gesamten Aufkommens umfasst (knapp 40 Prozent werden europaweit „thermisch“ verwertet, also verbrannt; in Deutschland liegt der Anteil sogar deutlich über 40 Prozent), also etwa 1,1 Millionen Tonnen, kann Genan ab 2016 vermutlich einen Marktanteil von rund einem Drittel daran auf sich vereinen.

Spannend wird die weitere Entwicklung des jetzt schon weltgrößten Altreifenrecyclers. Im vergangenen Jahr hat das dänische Unternehmen eine weitere Anlage – die fünfte – in Houston (Texas/USA) in Betrieb genommen. Dort können jährlich rund 100.000 Tonnen Altreifen recycelt werden, so Raahauge; die größte Anlage dieser Art weltweit. Erst dieser Tage ist das Werk dort auch offiziell seiner Bestimmung übergeben worden. Damit nicht genug. Für den riesigen nordamerikanischen Reifenmarkt, dessen Größe dem europäischen nicht unähnlich ist, plant Genan insgesamt bis zu fünf Recyclinganlagen. Folglich dürften dort in den kommenden Jahren vier weitere Anlagen errichtet werden, so der Director of Business Development weiter. Konkrete Bauentscheidungen für dieses Wachstum gibt es indes noch nicht.

Der Takt, nach dem Genan weitere Recyclinganlagen weltweit bauen will, wird grob durch einen Zwei-Jahres-Rhythmus vorgegeben. Von der Baugenehmigung bis zur Inbetriebnahme vergehen in der Regel rund 15 Monate; es dauert weitere drei Monate, bis die Anlage ihren normalen Regelbetrieb fährt. In der Zeit davor finden Planungen und Antragstellungen für die notwendigen Genehmigungen statt. Durch die hohen und oben bereits erwähnten Investitionssummen – 70.000 Tonnen Kapazität für rund 60 Millionen Euro – ziehe man es in der Genan-Zentrale in Viborg vor, immer nur eine Fabrik zur Zeit zu bauen.

Einer der zentralen Schritte dabei, einen neuen Markt – etwa wie den in den USA – zu erschließen, ist die Schaffung einer nachhaltigen Nachfrage nach Gummigranulat und -pulver. Bereits 2009 hatte Genan demnach seinen ersten Vertriebspunkt in den USA eröffnet (heute sind dies schon vier) und darüber vier Jahre vor der Werkseröffnung Kundennetzwerke im Land aufgebaut. Das Material dazu kam aus Europa. „Diese Strategie ist für uns allgemeingültig“, so Lars Raahauge. Erst mit einem Kundenstamm, der nahezu groß genug ist, das Ausgangsmaterial einer eigenen Fabrik vor Ort abzunehmen, falle die Investitionsentscheidung.

Die demnächst fünf Genan-Recyclinganlagen in Europa entsorgen jeweils auch die Altreifen aus denen ihnen nahegelegenen Nachbarländern, dadurch erklären sich die drei Anlagen im zentral gelegenen Deutschland; immerhin 50 Prozent der in den deutschen Genan-Anlagen recycelten Menge stammt aus dem europäischen Ausland

Die demnächst fünf Genan-Recyclinganlagen in Europa entsorgen jeweils auch die Altreifen aus denen ihnen nahegelegenen Nachbarländern, dadurch erklären sich die drei Anlagen im zentral gelegenen Deutschland; immerhin 50 Prozent der in den deutschen Genan-Anlagen recycelten Menge stammt aus dem europäischen Ausland

Das Unternehmen sieht sich aktuell mit seinen Recyclinganlagen in Dänemark, Deutschland, den USA und bald auch in Frankreich auf „seinem Heimatmarkt“. Dort teile man dieselbe Mentalität, das selbe Geschäftsverständnis und einen verlässlichen rechtlichen Rahmen, der sich jedem Europäer ohne Weiteres erschließe. Darüber hinaus möchte Genan aber auch international expandieren, wie der Director of Business Development erläutert. Auch in der Genan-Zentrale in Viborg mache man sich freilich keine Illusionen darüber, in welchen Regionen und Ländern dieser Welt langfristig das größte Wirtschaftswachstum stattfinden werde und wo somit enormes Potenzial auch für Altreifenrecycler wie Genan entstehe: die BRICS-Staaten. Dieses Akronym steht für Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.

In diesen Ländern seien die geschäftlichen Rahmenbedingungen, die „Geschäftskultur“, indes soweit von dem in Europa und den USA Bekannten entfernt, dass man dort lieber auf „starke Partner vor Ort“ setzen möchte, um entsprechende Recyclinganlagen und Vertriebsnetzwerke aufzubauen. Raahauge zufolge sollten die Partner wenigstens 65 Prozent an den zu gründenden Joint-Venture-Unternehmen halten und sich entsprechend an den Investitionskosten beteiligen.

Genan würde weiterhin seine Technologie liefern und dabei auch keinerlei Abstriche machen, was etwa den Automatisierungsgrad der Anlagen betrifft. Wie bereits erwähnt: Die Reinheit und die hohe Qualität des Ausgangsmaterials ist zentral für das Genan-Geschäftsmodell. Man würde auch in Schwellenländern technische Anlagen nicht durch Arbeitskraft ersetzen wollen, auch wenn dies mit Sicherheit die Investitionskosten senken würde. „Da wollen wir keine Kompromisse bei den Produktionsstandards eingehen“, so Raahauge weiter. Auch wenn durch die Errichtung einer neuen Genan-Recyclinganlage immer nur sehr begrenzt direkt neue Arbeitsplätze geschaffen werden, sollten in den vor- und nachgelagerten Branchen etliche neue Jobs entstehen, etwa unter den Entsorgern oder im Bereich der Anwendungen des Ausgangsmaterials. Eine Genan-Anlage induziere demnach auch einen gewissen wirtschaftlichen Wandel. In Viborg bei Genan hofft man darauf, dass auch weltweit der „Rohstoff Altreifen“ so lange wie möglich im Kreislauf bleibt. arno.borchers@reifenpresse.de

 

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