Dikabo Deutschland: Wachsen im Verbund

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Genauso wie in der Industrie, im Reifenhandel und in der Runderneuerung gilt auch für den Karkassenhandel ein grundsätzlicher Trend zu immer größeren Organisationen. Dies – so erläutert Sven Wehrmeyer von Dikabo Deutschland – sei aber durchweg im Sinne und zum Nutzen der Kunden in Europa, die sich in der Regel in dieselbe Richtung entwickelten, also zu größeren Einheiten. Diese könnten aus einem größeren Pool an Karkassen wählen, der aufgrund einer größeren Dimensionsvielfalt immer komplexer wird, und wissen gleichzeitig einen starken Partner an ihrer Seite; Marktkonsolidierungen fänden eh vorwiegend am unteren Ende des Marktes statt. Aber auch bei Dikabo Deutschland kommt man nicht ohne unternehmensrechtliche Veränderungen aus: Am 1. Januar ist der Wehrmeyer Karkassenhandel in der Dikabo Deutschland GmbH aufgegangen, so dass sich Dikabo Deutschland nun auf den Verkauf wie auch den Einkauf konzentrieren kann.

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Verschmelzungen und Kooperationen gehören fest zum Karkassenhandel dazu. Insbesondere ein Blick auf den Mitte der 1990er Jahre im emsländischen Spelle gegründeten Wehrmeyer Karkassenhandel belegt dies exemplarisch. In den ersten Jahren nach der Unternehmensgründung bestand Wehrmeyers Geschäft ausschließlich aus dem Entsorgen, also Einsammeln von Altreifen, von denen die besten als runderneuerungsfähige Karkassen an Karkassengroßhändler weiterverkauft wurden; wenig später kaufte und verkaufte man nur noch Karkassen. Sehr bald merkte Svens Vater Horst Wehrmeyer, dass dieses Geschäftsmodell sich langfristig nur schwer tragen würde.

„Wir waren nicht groß genug“, so Wehrmeyer gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG; weiteres Wachstum schien begrenzt. Da man bereits sehr früh mit Evert Dilling, dem Gründer von Dikabo im nicht weit entfernten Assen in den Niederlanden, gute Geschäfte gemacht hatte, habe sich die Idee aufgedrängt, in Zukunft gemeinsam das Geschäft zu bestreiten. Wehrmeyer und Dilling seien sich 2002 dann sehr schnell und ohne Komplikationen einig über den Verkauf der Wehrmeyer Karkassenhandel GmbH an Dikabo geworden; die Familie Wehrmeyer sollte weiterhin das Geschäft vor Ort führen.

Mit einem starken Partner bzw. Eigentümer wie Dikabo an der Seite – das Unternehmen gilt als einer der größten und führenden Karkassenhändler Europas – habe sich dann das Geschäft rasant entwickelt, erinnert sich Sven Wehrmeyer. Hatte man am ursprünglichen Standort in Spelle noch ein Grundstück von 5.000 m², das zur Lagerung der Karkassen genutzt werden konnte, beschloss man noch im Jahr der Übernahme durch Dikabo den Umzug an einen anderen, ausbaufähigen Standort, ebenfalls in Spelle. Dieser bot – in einem Industriegebiet gelegen – schon 10.000 m² Platz mit der Option auf weitere 15.000 m².

Ein Jahr nach der Übernahme passierte dann etwas, woran sich heute niemand mehr gerne erinnert: Ein Großfeuer im niederländischen Assen vernichtete auf einen Schlag ein Großteil des dortigen Lagerbestands an Karkassen und etliche Einrichtungen. Über Nacht musste Hilfe her. Diese konnte Dikabo Deutschland leisten. Bereits einen Tag nach dem Feuer fuhren in Spelle die ersten „umgeleiteten Lkws aus Italien“ vor, die ihre geladenen Karkassen eigentlich nach Assen bringen wollten.

Innerhalb kürzester Zeit sei der Betrieb in Deutschland um über 50 Prozent gewachsen. Dass dies mit dem damals bestehenden Standort nicht langfristig auszuhalten wäre, schien bereits früh jedem in der Unternehmensgruppe klar gewesen zu sein, so dass Evert Dilling folglich die Option auf das Nachbargrundstück ziehen musste. Ab 2004 konnte Dikabo Deutschland somit dann über eine Lagerfläche von insgesamt 25.000 m² verfügen; für die Zwischenzeit hatte man sich mit einer Übergangslösung behelfen müssen. Heute ist am Standort in Assen im Übrigen von dem Feuer nichts mehr zu sehen; die Bau- und Renovierungsarbeiten sind komplett beendet.

In die Zeit der Übernahme durch Dikabo fiel auch die Änderung des Geschäftsmodells. Hatte man zuvor ausschließlich andere Großhändler mit Karkassen beliefert und diese von Reifenhändlern in einem Umkreis von 300 Kilometer um Spelle herum eingesammelt, sollte sich dies nun grundsätzlich ändern. Während einerseits der Karkassenverkauf kleinteiliger wurde, Wehrmeyer bzw. dann Dikabo Deutschland also zunehmend direkt an die Runderneuerer verkauft hat, wurde der Einkauf durchaus auch großteiliger. Mit anderen Worten: Für das Unternehmen aus dem Emsland wurden zunehmend auch Großlieferanten wichtige Auftraggeber für den Karkasseneinkauf.

Heute arbeitet Dikabo Deutschland etwa eng mit Continental und Goodyear Dunlop zusammen, was den Karkasseneinkauf über deren Handelsorganisationen betrifft. Laut Sven Wehrmeyer stammten heute nahezu zwei Drittel der eingekauften Karkassen von diesen und anderen Industriekunden, deren Bedeutung für den Betrieb bei Dikabo Deutschland damit alles andere als unerheblich ist. Selbstverständlich kauft Dikabo Deutschland auch bei anderen Karkassenhändlern Ware zu.

Wenn Verschmelzungen und Kooperation für die Entwicklung von Unternehmen (auch) im Karkassenhandel von zentraler Bedeutung sind, dann sind dies ebenfalls auch Expansionen. Mit Blick auf das nach der Übernahme rasant wachsende Karkassengeschäft hatte Dikabo Deutschland in eine zweite Niederlassung investiert, und zwar in Stuttgart. Dort lagerten ab 2005 auf einer Fläche von 5.000 m² dann ebenfalls Karkassen.

Sven Wehrmeyer begründete diesen Schritt mit der Nähe zum Kunden. Von dem zweiten Standort sollten insbesondere die Kunden in Süddeutschland schnellstmöglich beliefert werden. Nach 2008 hat sich der zweite Standort dann aber schlichtweg nicht mehr gerechnet, so dass er geschlossen wurde.

Die Expansion bezieht sich aber auch konkret auf das Geschäftsvolumen. Nachdem der Standort von Dikabo in den Niederlanden wieder halbwegs normal genutzt werden konnte, blieb Dikabo Deutschland auf Expansionskurs und setzte kurzfristig eine immer wichtiger werdende Rationalisierungsmaßnahme im größer werdenden Betrieb um: die Integration der Wehrmeyer Karkassenhandel GmbH, wie das Unternehmen ausschließlich bis zur Übernahme durch Dikabo 2002 hieß, in die Dikabo Deutschland GmbH.

Die ursprüngliche Logik, trotz Übernahme und Neugründung der Dikabo Deutschland GmbH an der alten Gesellschaft festzuhalten, machte lange Zeit Sinn, erläutert Sven Wehrmeyer. „Wehrmeyer hatte immer einen sehr guten Ruf als Karkassenankäufer. Und Dikabo hatte in Deutschland immer einen sehr guten Ruf als Verkäufer“, erläutert der Geschäftsführer. Folglich betrieb man die ursprüngliche von Horst Wehrmeyer gegründete Gesellschaft auch nach der Übernahme durch Evert Dilling fort, und zwar ausschließlich für den Einkauf. 99 Prozent aller von Wehrmeyer nach 2002 eingekaufter Karkassen gingen an den Kunden Dikabo Deutschland.

Diese doppelte Gesellschaftsführung bedeutete logischerweise einen ungleich höheren internen Verwaltungsaufwand, insbesondere was Buchhaltung, Rechnungslegung und weitere interne Aufgaben betrifft, die rechtlich und rechnerisch bei der Führung von zwei Gesellschaften fein säuberlich voneinander getrennt gehören. „Heute gilt: Wehrmeyer ist Dikabo“, sagt Sven Wehrmeyer, „unsere Kunden haben das verinnerlicht.“ Folglich ist der Wehrmeyer Karkassenhandel zum 1. Januar 2014 in der Dikabo Deutschland aufgegangen und damit als Gesellschaft erloschen. Die neue Dikabo Deutschland GmbH beschäftigt heute 30 Mitarbeiter.

Laut Sven Wehrmeyer sei die Integration der einen in die andere Gesellschaft vor allem auch dadurch notwendig geworden, weil sich der Geschäftsbetrieb eben mittlerweile in einer Größenordnung abspielt, dass etwaige Vorteile durch das Bestehen zweier Gesellschaften durch die Nachteile aufgewogen werden. Wie der Geschäftsführer betont, kauft und verkauft Dikabo Deutschland heute jährlich rund 230.000 bis 250.000 Karkassen; dabei handelt es sich ausschließlich um Lkw- und LLkw-Karkassen. Wehrmeyer: „Darauf haben wir uns spezialisiert.“ Der durchschnittliche Lagerbestand liegt dabei bei rund 65.000 Karkassen, der Jahresumsatz bei zehn Millionen Euro.

„Wir sind relativ schnell gewachsen“, so Wehrmeyer auch über die jüngste Vergangenheit. Folglich seien auch weitere Investitionen am Standort in Spelle notwendig, hervorgerufen mitunter auch durch die zunehmende Hinwendung zu Großkunden. Aktuell baut das Unternehmen etwa eine neue Lagerhalle mit 1.200 m² und investiert dafür rund 140.000 Euro. Die Halle ist an drei Seiten geschlossen und ermögliche so eine trockene Lagerung und Verladung der Karkassen.

Dass solche Großabnehmer einmal einen eigenen Karkassenhandel auf die Beine stellen und damit zu einem ernstzunehmenden Wettbewerber für Unternehmen wie Dikabo werden, befürchtet Sven Wehrmeyer nicht. Letzten Endes fielen auch bei Premio-, Vergölst- oder Euromaster-Betrieben genügend Fremdfabrikate an, so dass dann im Falle eines Falles eine doppelte Entsorgungsstruktur aufgebaut werden müsste. Da verließen sich die Hersteller doch lieber auf die Fähigkeiten etablierter Multi-Marken-Karkassenhändler, die darüber hinaus auch bei unabhängigen Reifenhändlern gesammelte Konzernmarken anbieten könnten; eine Win-win-Situation, findet Wehrmeyer.

Dass sich Dikabo Deutschland ausschließlich auf Lkw- und LLkw-Karkassen konzentriert, bedeutet freilich nicht, dass andere Produkte nicht geliefert bzw. vermittelt werden können. Dies sei der Vorteil einer Unternehmensgruppe wie Dikabo. Gerade der Standort in Assen ist neben den Standardprodukten auch auf verschiedene OTR-Karkassen spezialisiert. Ebenfalls zum Unternehmen Dikabo gehört die niederländische Robeo-Gruppe. Neben dem klassischen Karkassenhandel kümmert sich Robeo in Lelystad etwa auch intensiv um den Handel mit Pkw-Karkassen und gebrauchten Pkw-Reifen und gehört damit zu den Marktführern in Europa. Ebenfalls zur Unternehmensgruppe gehört der Karkassenhandel Recuband im belgischen Lochristi. Die gesamte Unternehmensgruppe, die außer von Evert auch von dessen Söhnen Harm und Gerlof geführt wird, verkauft jedes Jahr rund 650.000 Karkassen, von denen der überwiegende Teil auf dem europäischen Markt bleibt.

Unternehmen, die in solchen Dimensionen handeln, müssten sich um ihre geschäftliche Zukunft keine allzu großen Sorgen machen, findet Wehrmeyer. Auch die zunehmende Konsolidierung unter den Runderneuerern in Deutschland und darüber hinaus betreffe vorwiegend kleinere Runderneuerer. Und diese würden tendenziell eher von kleineren Karkassenhändlern beliefert werden, für die sich folglich wiederum ein Problem aus dieser Konsolidierung ergeben dürfte.

Sven Wehrmeyer macht sich außerdem auch die Geschäftsmaxime von Evert Dilling zu eigen: „Wir investieren unsere Gewinne in unsere Unternehmen.“ Mit anderen Worten: Der Bestand an Karkassen in Spelle sowie in Assen und an den anderen beiden Standorten ist ausnahmslos nicht fremdfinanziert; alle Karkassen seien bezahlt, so der Geschäftsführer, der die zum Teil hohe Kapitalbindung im Karkassenhandel betont, selbst wenn sich das Lager schnell drehe. arno.borchers@reifenpresse.de

 

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