Aufspaltung der point S Nederland – „Nur Verlierer, keine Gewinner“

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Über Jahre hinweg zeichnete sich point S Development ausschließlich durch ein scheinbar uneingeschränktes Wachstum aus. Nun bekommt diese Wachstumsgeschichte einen deutlichen Kratzer, droht doch die niederländische point-S-Landesorganisation in zwei Teile zu zerfallen. Der Grund: Ein offensichtlich nicht unerheblicher Teil der Partner im Nachbarland hält die Gegenleistungen für die gezahlten Master-Franchisegebühren für zu gering, vermisst eine „europäische Strategie“ samt Support und will den Vertrag neu verhandeln. Daran haben die beiden Gesellschafter der point S Development – neben Deutschland insbesondere die Landesorganisation in Frankreich – offenbar kein Interesse. Stattdessen schließen sie einen neuen Franchisevertrag ab. Jetzt könnte europaweit ein Prozess in Gang kommen, bei dem es keine Gewinner, sondern nur Verlierer geben wird.

Als point S Nederland 2010 gegründet wurde, standen die Zeichen innerhalb der europäischen und der niederländischen point-S-Organisation auf Wachstum. Insbesondere auf Betreiben der damaligen Geschäftsführung in Deutschland unter Jürgen Benz (wurde im Dezember 2011 abberufen) und Rolf Körbler kam ein Prozess in Gang, dem point S Development heute 27 Landesorganisation und 3.000 Outlets unter dem bekannten blau-weißen Logo zu verdanken hat. Immer wieder wurde Kritik an dem vermeintlich grenzenlosen Wachstum geübt, so dass zuletzt im Sommer auf der Reifen-Messe in Essen auch die Rede von Konsolidierung und nicht mehr von weiterem Wachstum war. Unterdessen zeigt die point-S-Landkarte auch kaum mehr weiße Flecken.

Auch in den Niederlanden wuchs die Organisation schnell zu einer stattlichen Größe an. Im vergangenen Jahr gehörten immerhin 50 der gut 800 niederländischen Reifenfachhändler point S Nederland an, wie deren Geschäftsführer Wim Reijmerink nun im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG erläutert. Dass seither zwölf Partner, also ein Viertel der Landesorganisation, den Rücken gekehrt haben, führt Reijmerink neben dem üblichen Druck aus dem Reifenmarkt auch auf ein veritables Problem in der Zusammenarbeit mit point S Development zurück und moniert außerdem Kommunikationsdefizite.

Als point S Nederland gegründet und der Master-Franchisevertrag unterzeichnet wurde, hatten die Partner in den Niederlanden auf verschiedenen Geschäftsfeldern Gegenleistungen für ihre Franchisegebühren erwartet, die sich eben ihrer Ansicht nach rechneten. Nach Auffassung einiger niederländischer point-S-Partner seien entsprechende Erwartungen aber nicht erfüllt worden, kritisiert Reijmerink. Die europäischen point-S-Konditionen seien für die niederländischen Partner „problematisch“ gewesen; mit anderen Worten: Über den Parallelmarkt seien Reifen oftmals günstiger einzukaufen (gewesen). Auch in Bezug auf das Pkw- und das Lkw-Flottengeschäft seien die Erwartungen „überhaupt nicht erfüllt“ worden, so die Meinung vieler Partner in den Niederlanden laut Reijmerink. Außerdem versuche man in den Niederlanden mehr noch als andernorts die Verbindung zwischen dem klassischen Reifenhandel und dem Werkstatt-/Autoservicegeschäft hinzubekommen, wofür point S Development ebenfalls nicht den erwarteten und notwendigen Support geboten habe, so Reijmerink.

Soweit, so gut – Meinungsverschiedenheiten eben, die sich wohl im Gespräch lösen ließen. Wim Reijmerink zufolge habe man aber bereits seit Ende 2013 versucht, das Gespräch mit der Zentrale der point S Development und der beiden Gesellschafter dieser europäischen Dachorganisation zu suchen. Offenbar ohne nennenswerten Erfolg. Dem Vernehmen nach habe point S Development zunächst auf die Zahlung der „nicht unerheblichen“ Master-Franchisegebühren der Partner in den Niederlanden bestanden, was diese wiederum ablehnten. Ein substanzielles Gespräch über die vermeintlich fehlenden Gegenleistungen habe zu der Zeit nicht stattfinden können.

Im März dann habe point S Nederland die Kündigung von point S Development ins Haus bekommen – „ohne Vorankündigung“, wie Reijmerink gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG erklärt. Kündigungsfrist: 90 Tage. Das Tagesgeschäft in den Betrieben lief derweil weiter wie gehabt. Der letzte Versuch, sich im Rahmen der Reifen-Messe in Essen zu einem klärenden Gespräch zusammenzusetzen und zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, scheiterten dem point-S-Nederland-Geschäftsführer zufolge ebenfalls, woraufhin „die Mehrheit der Mitglieder“ beschlossen habe, die point-S-Organisation zu verlassen, obwohl seit 2010 hohe Beträge in den Aufbau der Marke investiert worden seien – was dadurch unter der Kontostelle „Fehlinvestitionen“ zu verbuchen wäre.

Seither hat es ein weiteres Treffen der Beteiligten gegeben, und zwar in Brüssel. Wie Reijmerink erläutert, habe man dort eine Übereinkunft gefunden, mit der man eigentlich gemeinsam voranschreiten und die Probleme der Vergangenheit hinter sich lassen wollte.

Allerdings – darüber ist man in vielen point-S-Betrieben in den Niederlanden irritiert – haben zwei der Vorstandsmitglieder von point S Nederland parallel dazu einen neuen Franchisevertrag mit point S Development unterzeichnet. Dadurch werde die Übereinkunft aus Brüssel augenscheinlich hinfällig und die Aufspaltung der niederländischen point-S-Organisation perfekt. Während einige Partner sich auch dem neuen Vertrag anschließen wollen und folglich wohl – wie gehabt – point-S-Partner bleiben werden, ist sich Wim Reijmerink sicher, die Mehrheit der Partner hinter sich zu haben.

Reijmerinks Plan ist es nun, die verbleibenden point-S-Partner, die den neuen Master-Franchisenehmern nicht folgen wollen, in eine neue Reifenhandelskooperation zu überführen. Wie viele Partner dies sein werden, ist noch unklar. Außerdem mochte Reijmerink im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG noch keinen Namen nennen, aber offensichtlich sind die Verhandlungen mit dem neuen Partner bereits weit gediehen, so dass eine Entscheidung noch im Laufe der kommenden Tage fallen werde. Es handele sich in jedem Fall um eine Organisation des ungebundenen Reifenfachhandels und nicht etwa um eine industriegeführte bzw. industrienahe Kooperation. Diejenigen Reifenhändler, die Reijmerink folgen werden, werden demnach in jedem Fall demnächst ihr point-S-Logo wieder herunternehmen; erwartet wird dies noch im Laufe dieses Jahres.

Reijmerink zufolge hätten die vergangenen Monate vergeblichen Verhandelns bzw. eher Nicht-Verhandelns nur Verlierer hervorgebracht und keinen einzigen Gewinner. Inwiefern sich auch eine ähnliche Situation wie die in den Niederlanden in anderen Landesorganisationen der point S einstellen könnte, mochte Reijmerink freilich nicht kommentieren. Dem Vernehmen nach gibt es aber auch in anderen Landesorganisation kritische Stimmen zu einem vermeintlich fehlenden Support vonseiten der europäischen Development-Gesellschaft.

Man muss sich aber auch Fragen, wie dort mit einem sechsköpfigen Team 27 Landesorganisationen entsprechend betreut und Konzepte weiterentwickelt werden können, so dass sich die Partner nicht gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten alle auf sich selbst zurückziehen. Die Frage, die sich folglich stellt: woher sollen die Impulse kommen, die die point S Development und ihre Landesorganisationen weiter voranbringen kann. Und die Baustellen werden nicht weniger: Erst kürzlich musste die italienische Landesorganisation einen Insolvenzantrag stellen.

Der Versuch, hierzu auch point S Development um eine Stellungnahme zu bitten, scheiterte. arno.borchers@reifenpresse.de

 

 

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