Reifen Ihle sieht mögliche Sanierung auf breiter Basis – „Nicht überschuldet“

,

Dass die Ihle-Gruppe (Günzburg) Ende Februar Insolvenz anmelden musste, lag – so hatte das Unternehmen berichtet – an „einer unvorhersehbaren Verzögerung bei einer Zwischenfinanzierung“, wodurch „die notwendige Liquidität derzeit nicht mehr gegeben“ sei. Der Schritt offenbart einerseits die Probleme eines Unternehmens, das zwar seit Langem als größter unabhängiger Runderneuerer Deutschlands einen guten Ruf in der Branche genießt, aber durch seine schiere Größe besonders stark durch die strukturellen Verwerfungen am Markt sowie den Wegfall einiger Großkunden betroffen ist, an denen man wirtschaftlich sehr hing. Andererseits kommt darin aber auch zum Ausdruck, dass ein Großteil des Unternehmens wohl durchaus gute Chancen hat, weitestgehend unbeschadet durch das jetzt ablaufende Insolvenzverfahren zu gehen. Welche Zukunft dabei die Ihle-Runderneuerung selbst hat, darüber kann man nur spekulieren, auch wenn sich das Unternehmen dazu optimistisch gibt, wie Geschäftsführer Jürgen Eigenbrodt dazu im Gespräch mit NEUE REIFENZEITUNG unterstreicht.

Als Jürgen Eigenbrodt am Montag, dem 26. Februar, beim Amtsgericht Neu-Ulm die Insolvenzanträge für die vier zur Ihle-Gruppe gehörenden Gesellschaften Reifen Ihle Service (point-S-Betriebe), Reifen Ihle (Großhandel), R-I-G Technische Produkte (Runderneuerung) und R-I-G Karkassen (Karkassen) stellte, hatten er und die Eigentümerfamilie bereits monatelang um eine Restrukturierung gerungen.

Spätestens seit der Reifen-Messe 2012 war den Verantwortlichen in Günzburg klar, dass in den Folgejahren gerade für die Runderneuerung eine dramatische Veränderung bevorstehen würde. Damals im Sommer 2012 hatte die Continental AG dem Runderneuerungspartner Ihle die Kündigung der Zusammenarbeit per Ende 2013 avisiert. Über konkrete Zahlen schweigen sich die Beteiligten zwar unter Berufung auf vertragliche Vereinbarungen aus. Jedoch hatte Reifen Ihle selbst bis 2008 einen Millionenbetrag in die Erweiterung der Heißrunderneuerung investiert, um daraufhin ContiRe-Reifen für die Continental fertigen zu können. Die dazu nötige Finanzierung soll übrigens im kommenden Jahr nach Plan beendet werden. Während Reifen Ihle die Gesamtkapazität der Lkw-Reifenrunderneuerung mit 110.000 Reifen pro Jahr angibt, machte die ContiRe-Produktionsstraße daran 44.000 Einheiten (40 Prozent) aus. Ob die Continental diese Kapazitäten indes jemals komplett abgerufen hat, wird von Beobachtern durchaus bezweifelt.

Die Notwendigkeit einer Restrukturierung insbesondere der Ihle-Runderneuerung lag folglich bereits seit Monaten auf dem Tisch, bestätigt Jürgen Eigenbrodt gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG. Deshalb habe man bereits im vergangenen Jahr mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte sowie dem Restrukturierungsexperten Prof. Dr. Georg Streit von der Anwaltsgesellschaft Heuking Kühn Lüer Wojtek (München) ein entsprechendes Programm ausgearbeitet, in dessen Mittelpunkt ein Finanzierungspaket stehen sollte, mit dem die Ihle-Gruppe das zu erwartende kritische „Jahr eins nach Continental“ meistern wollte.

Dieses umfassende Paket habe man laut Geschäftsführer Eigenbrodt dann den Hausbanken – das sind die Sparkasse Günzburg-Krumbach sowie die lokale Commerzbank – vorgelegt, die wiederum von der Ihle-Gruppe die Erfüllung weiterer Voraussetzungen verlangte (sog. „Wenn-Bedingungen“). Dazu zählte unter anderem auch die Zusicherung der verschiedenen Ihle-Lieferanten, die Restrukturierung mit entsprechenden Kreditlinien und Zusagen sowie eventuellen Zugeständnissen zu unterstützen. Aber auch weitere flankierende Maßnahmen, etwa von den Warenkreditversicherern, habe Ihle als Voraussetzung beibringen müssen, damit die Banken das Finanzierungspaket abnicken würden, über dessen Höhe Eigenbrodt nicht in der Öffentlichkeit sprechen möchte.

Jürgen Eigenbrodt – hier bei einer offiziellen Präsentation der Partnerschaft mit der Continental AG – kann sich über eine breite Unterstützung aus den Reihen der Lieferanten und Kunden und Partner und Gläubiger freuen, so dass er auf eine nachhaltige Lösung und ein positives Ende des jetzt stattfindenden Insolvenzverfahrens der Ihle-Gruppe hofft

Jürgen Eigenbrodt – hier bei einer offiziellen Präsentation der Partnerschaft mit der Continental AG – kann sich über eine breite Unterstützung aus den Reihen der Lieferanten und Kunden und Partner und Gläubiger freuen, so dass er auf eine nachhaltige Lösung und ein positives Ende des jetzt stattfindenden Insolvenzverfahrens der Ihle-Gruppe hofft

Der Geschäftsführer betont unterdessen, dass eine Zwischen- bzw. Brückenfinanzierung für kaum ein Unternehmen im Reifenmarkt etwas Unbekanntes ist, dazu sei das Geschäft – ob mit Neureifen oder auch mit Runderneuerten, ob in der Produktion oder im Handel – einfach zu saisonal angelegt. Ebenfalls betont er, dass das vereinbarte Finanzierungspaket niemals zur Ablösung alter Darlehen habe dienen sollen. „Die Ihle-Gruppe ist nicht überschuldet“, wendet sich Eigenbrodt gegen etwaige Spekulationen.

Es sei der ursprüngliche Plan gewesen, so Eigenbrodt weiter, das Finanzierungspaket gemeinsam mit den Hausbanken bis Ende Januar/Anfang Februar unter Dach und Fach zu bekommen, da zu diesem Zeitpunkt einige nicht unerhebliche Forderungen fällig wurden. Noch Anfang Februar hatte die Ihle-Geschäftsleitung den Mitarbeitern im Rahmen einer Betriebsversammlung mitgeteilt, die zur Restrukturierung notwendigen Finanzierungsmittel seien „zu 98 Prozent“ gesichert.

„Zeit hat am Ende nicht mehr ausgereicht“

Da sich aber offenbar die Verhandlungen mit den Ihle-Lieferanten als komplexer erwiesen als zunächst angenommen, so Eigenbrodt, „hat die Zeit am Ende nicht mehr ausgereicht“. Während ein Großteil der Lieferanten, auch und gerade für die Runderneuerung, das Restrukturierungskonzept der Ihle-Gruppe zwar mitgetragen hat, wie offenbar auch die beiden erwähnten Banken, trifft dies offensichtlich nicht auf alle Partner zu. Natürlich möchte Geschäftsführer Jürgen Eigenbrodt auch die Namen entsprechender Unternehmen nicht in der Zeitung lesen, die der Ihle-Gruppe die prompte Unterstützung im Zusammenhang mit der geplanten Restrukturierung versagten. So oder so, darüber, dass Ihle sich eben nicht mit allen Lieferanten über das Restrukturierungspaket sowie das jeweilige Zutun des entsprechenden Lieferanten einigen konnte, sei das Paket in Gänze dann eben zu Fall gebracht worden.

Dem deutschen Insolvenzrecht folgend muss ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens spätestens binnen 21 Tagen beim zuständigen Insolvenzgericht (in der Regel das örtliche Amtsgericht) eingehen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig bzw. überschuldet ist. Nun, dieser Termin war dann am Montag, dem 26. Februar.

Die Restrukturierung der Runderneuerung war aber nicht nur durch die Trennung zwischen Continental und Reifen Ihle zum Ende vergangenen Jahres notwendig geworden, auch wenn dies sicherlich der größte zu verdauende Brocken für das mittelständische Unternehmen gewesen ist, stand das Geschäft mit dem Hannoveraner Reifenkonzern doch für geschätzte zehn bis 20 Prozent des Jahresumsatzes.

Darüber hinaus musste Ihle im Juli 2013 – kurz vor der Winterreifensaison – aber auch die Insolvenz eines großen Kunden für die Rigdon-Pkw-Runderneuerten hinnehmen: Praktiker/Max Bahr. Auch wenn Reifen Ihle natürlich noch weitere Kunden für die runderneuerten Pkw-Reifen hat, stellte der Absatzkanal „Baumarkt“ lange schon einen wichtigen Schwerpunkt des kontinuierlich rückläufigen Geschäftes dar. Der Wegfall dieser Großkunden allein schon habe den Bedarf an zusätzlichen Fremdmitteln zur Restrukturierung nur noch gesteigert.

Ein ebenfalls ganz zentraler Faktor für die Bredouille, in der sich die Ihle-Gruppe heute befindet, ist die allgemeine Entwicklung auf dem Reifenmarkt und hier insbesondere die Karkassenproblematik. So wurden im vergangenen Jahr in Deutschland dem BRV zufolge beispielsweise nur 970.000 runderneuerte Lkw-Reifen vermarktet – nach 2009 das zweitschlechteste Jahr für die Runderneuerung in Deutschland überhaupt. Dass die Runderneuerungsquote indes bei sehr guten 37 Prozent lag, verstellt dabei nur den Blick auf die Tatsache, dass es dem Markt für Neureifen kaum besser ging.

Hierin ist ein weiterer Faktor begründet, der das Geschäft der Ihle-Gruppe durchaus belastet. In ganz Europa sind es gerade die etablierten Neureifenhersteller, die ihre Runderneuerungsaktivitäten mit Nachdruck hochfahren – insbesondere Bridgestone und Continental zeigten dabei jüngst deutliche Aktivitäten. Vor diesem Hintergrund versuchen sich Runderneuerer (wie im Übrigen auch die Materiallieferanten) neu zu positionieren. Dies fällt nicht jedem Unternehmen leicht, war aber sicherlich für die Ihle-Gruppe nicht das zentrale Problem.

Schlimmer noch als dieser zunehmende Wettbewerbsdruck aufseiten des Abnahmemarktes und darauf folgender Verwerfungen im Markt – befördert noch durch jüngstes preisaggressives Auftreten vieler Marktteilnehmer – war und ist der Druck auf dem Karkassenmarkt. Die Kreisläufe für gute, runderneuerungsfähige Karkassen werden immer stärker durch die großen Neureifenhersteller mit ihren weitreichenden Vertriebsnetzwerken monopolisiert. Auf dem freien Markt noch kostengünstige 1A-Karkassen zu bekommen, wird immer schwieriger. Nicht zuletzt auch deswegen, weil der Anteil importierter Fernostreifen in Europa weiterhin auf einem hohen Niveau liegt, während diese Reifen nur selten freiwillig von etablierten Runderneuerern als runderneuerungsfähig akzeptiert werden. Das bekam auch die Ihle-Gruppe zu spüren, trotz ihres eigenen Netzwerks an zwölf point-S-Betrieben sowie des eigenen Karkassenhandels (R-I-G Karkassen).

Hinzu kommt noch die große Unbekannte: Wie entwickelt sich der Reifenmarkt 2014? Eine Frage, auf die sich fast niemand eine wirklich positive Antwort zu geben traut. „So viel in einem Jahr verdauen zu müssen, das ist für einen Mittelständler wie uns schon hart“, resümiert Eigenbrodt die Ausgangslage der Ihle-Gruppe vor ihrem Insolvenzantrag.

Reifen Ihle gilt seit Langem als der größte unabhängige Runderneuerer Deutschlands und ist den meisten hauptsächlich mit seiner Marke „Rigdon“ ein Begriff

Reifen Ihle gilt seit Langem als der größte unabhängige Runderneuerer Deutschlands und ist den meisten hauptsächlich mit seiner Marke „Rigdon“ ein Begriff

Der – mit Deloitte sowie Prof. Dr. Streit ausgearbeitete – Plan jedenfalls sei es gewesen, gerade auf die Veränderungen auf dem hiesigen Runderneuerungsmarkt offensiv zu reagieren. Wie Jürgen Eigenbrodt betont, habe man durchaus mit wachsenden Absätzen und somit Auslastungsgraden in der Produktion gerechnet, gerade weil diese – insbesondere bei Heißrunderneuerten – durch eine aggressive Preisgestaltung hätten befeuert werden sollen. Wie sich diese Pläne jetzt noch umsetzen lassen, ist freilich schwer zu sagen, auch wenn die Produktion zunächst weitestgehend normal im Günzburger Runderneuerungswerk weiter läuft. Jürgen Eigenbrodt jedenfalls hält im laufenden Jahr einen Absatz von 60.000 runderneuerten Lkw-Reifen – davon die Hälfte als Heißerneuerte – und 150.000 runderneuerten Pkw-Reifen für durchaus realistisch und erreichbar. Dieses wolle man über den Großhandel sowie über das Geschäft in den eigenen Filialen bewerkstelligen.

Dabei sei die Restrukturierung der Ihle-Runderneuerung im vergangenen Jahr eigentlich bereits auf einem guten Weg gewesen, betont Geschäftsführer Eigenbrodt weiter. So habe man sich intensiv darüber Gedanken gemacht – wie gesagt, auch unter Zuhilfenahme von externem Experten-Know-how –, wie sich das Produktsortiment in Zukunft zu entwickeln habe, damit man unabhängiger von allgemeinen Marktschwankungen wird und etwa in profitablen Nischen wachsen kann. Gerade das Segment der OTR-Reifen habe die Aufmerksamkeit des bayerischen Runderneuerers zuletzt wieder verstärkt auf sich gezogen, als das Ende der Continental-Partnerschaft näher rückte. Auch habe man bereits in einige andere Produkte investiert, etwa in die Runderneuerung von 17,5-Zoll-Lkw-Reifen oder 15-Zoll-C-Decken. Darüber hinaus habe man sich ganz genau die Prozesse in der Produktion angesehen: wo können die Produktivität gesteigert und die Arbeitsabläufe effizienter gestaltet werden. Entsprechende Ergebnisse habe die Ihle-Gruppe eigentlich in diesen Monaten in der Runderneuerung umsetzen wollen.

Man habe aber andererseits auch bereits schmerzhafte Einschnitte vollziehen müssen, so Eigenbrodt weiter. Allein im vergangenen Jahr habe das Unternehmen 50 Mitarbeiter entlassen müssen, 37 davon in der Runderneuerung, 13 in den point-S-Betrieben; jeweils inklusive Verwaltung. Aktuell beschäftigt die Unternehmensgruppe noch 230 Mitarbeiter, von denen 100 in der Runderneuerung beschäftigt sind (R-I-G Technische Produkte).

Point-S-Betriebe „wirtschaftlich gesund“

Selbst wenn das Unternehmen demnach auch im Einzelhandel dem Druck mit Entlassungen nachgeben musste, bescheinigen Marktbeobachter den zwölf point-S-Betrieben doch durchaus eine gute Substanz, die auch Jürgen Eigenbrodt unterstreicht. Die Betriebe seien samt und sonders in Familienbesitz und außerdem „wirtschaftlich gesund“. Gerade die Niederlassungen überzeugten durch ihre Zukunftsfähigkeit. Die Belieferung der Betriebe mit Reifen für das jetzt beginnende Frühjahrsgeschäft jedenfalls laufe reibungslos, unterstreicht der Geschäftsführer auch die offensichtliche Erwartung der Lieferanten, dass die Sanierung der Unternehmensgruppe möglich und das Ergebnis positiv sein wird.

Im Moment findet indes ein Verhandlungsmarathon mit allen Lieferanten und Kunden und Partnern und Gläubigern statt, wie man dem Ziel des Insolvenzverfahrens – eine rasche Sanierung bei Erhaltung möglichst vieler Arbeitsplätze – möglichst nahe kommen kann. Dass entsprechende Entscheidungen zuallererst die Runderneuerung treffen werden, scheint offenkundig. Bereits kurz nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte Jürgen Eigenbrodt gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG betont, man sei im Grunde ergebnisoffen, was die Zukunft der Runderneuerung betrifft. Das beinhaltet per Definition freilich auch den Verkauf, auch wenn dies natürlich niemand direkt aussprechen mag, wobei es sich auch nur schwer vorstellen lässt, welches Unternehmen vor dem Hintergrund der aktuellen Marktverhältnisse ein Interesse an einer Runderneuerung dieser Größenordnung haben könnte. An ein Ende der Runderneuerung in Günzburg jedenfalls mag unter den Marktbeobachtern niemand wirklich glauben. Nicht zuletzt gibt sich natürlich auch der Geschäftsführer der Ihle-Gruppe optimistisch, was die Zukunft des Werkes betrifft.

Zunächst einmal sind jedenfalls die Gehälter der Mitarbeiter durch das sogenannte Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit gesichert, jedenfalls bis einschließlich April. Was danach kommt, hängt ganz wesentlich von dem jetzt stattfindenden Verhandlungsmarathon ab und natürlich – wie so oft – vom Ausgang des jetzt beginnenden Umrüstgeschäftes, auf das natürlich auch Eigenbrodt große Stücke setzt.

Auch jetzt wird die Ihle-Gruppe durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte sowie den Restrukturierungsexperten Prof. Dr. Streit aus München unterstützt. Dieser stellte kurz nach Stellung des Insolvenzantrages sogar fest: „Ihle hat hohe Kompetenz auch in margenstärkeren und wachsenden Teilmärkten des Nutzfahrzeugreifengeschäfts; diese zukunftsfähigen Geschäftsfelder können ausgebaut werden. Die momentane Situation ist für das Unternehmen zwar schwierig, aber die Prognosen für eine Rückkehr zu positiven Ergebnissen sind vielversprechend.“ arno.borchers@reifenpresse.de

 

0 Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

An Diskussionen teilnehmen
Hinterlassen Sie uns einen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert