Continental bindet Devulkanisierung stärker in Produktion ein

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Anfang des kommenden Jahres beginnt die Continental mit den Bauarbeiten zu einem neuen, vollintegrierten Opens external link in new windowRecycling- und Runderneuerungswerk in Hannover-Stöcken und investiert dafür rund zehn Millionen Euro. Dank eines neuartigen Chemikalien-Mixes und der dazugehörigen Prozessführung kann in Zukunft wesentlich mehr des sogenannten Rezyklats in der Reifenproduktion genutzt werden. Was genau der deutsche Hersteller am Stammsitz vorhat und ob sich diese Pläne auch andernorts umsetzen ließen, erklärt Dr. Boris Mergell, Leiter der Material- und Prozessentwicklung bei Continental, im Interview mit der NEUE REIFENZEITUNG und betont, dass die Investition „ökologisch wie ökonomisch sinnvoll“ sei.

NEUE REIFENZEITUNG:
In der Vergangenheit sind immer wieder Verfahren diskutiert worden, nach denen mehr recyceltes Material in der Reifenproduktion und in der Runderneuerung Verwendung finden soll; Stichwort: Devulkanisierung. Was genau geschieht in Ihrem Recyclingwerk mit dem Material, bevor es erneut in die Produktion gelangt?

Dr. Boris Mergell:
Das Ausgangsmaterial für unser Recyclingverfahren ist ein feines Gummipulver, das mit einer Kombination aus chemischen und mechanischen Prozessen devulkanisiert wird. Durch das gezielte Aufbrechen von Schwefelverbindungen können wir erheblich verbesserte Materialeigenschaften des sogenannten Rezyklats erreichen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Verfahren, bei denen durch die sehr hohen Temperaturen auch Polymerketten abgebaut werden, funktioniert unser Devulkanisierungsverfahren durch den Zusatz von Chemikalien bereits bei niedrigeren Temperaturen.

NEUE REIFENZEITUNG:
Worin genau liegt die Innovation, dass Sie ‚nun in der Lage’ sind, wie sie schreiben, Rohstoffe aus Altreifen wieder in die Produktion einfließen zu lassen?

Dr. Boris Mergell:
Die Innovation besteht in dem verwendeten Chemikalien-Mix und der dazugehörigen Prozessführung, welche wesentlich schonender als bei herkömmlichen Verfahren ist.

NEUE REIFENZEITUNG:
Woher stammt das Material? Ist es Raumehl aus der Runderneuerung, Abfall aus der Neureifenproduktion? Ist auch unvulkanisierter Gummi dabei?

Dr. Boris Mergell:
In der Anfangsphase werden wir das Ausgangsmaterial Raumehl aus unserem Runderneuerungswerk beziehen. In der Zukunft werden wir auch Ganzreifengranulate als Ausgangsmaterial verwenden. Unvulkanisierte Abfälle werden in dieser Anlage nicht recycelt, allerdings werden in unserer Pilot-Recyclinganlage im slowakischen Puchov bereits kalandrierte Stahlkordabfälle aus der Produktion aufgearbeitet. Hierbei fallen Stahlkord und sogenannte ‚grüne Mischung’ an, die komplett wieder in den Produktionsprozess zurückgeführt werden kann. Das dazugehörige Verfahren hat Continental patentiert.

NEUE REIFENZEITUNG:
Sind unter den recycelten Altreifen auch Wettbewerbsreifen?

Dr. Boris Mergell:
Bei den verwendeten Altreifen setzten wir gezielt auf unsere eigenen Reifen, die zum Runderneuern in unser Werk kommen. Diese sind uns sowohl im Hinblick auf die Zusammensetzung und als auch andere Charakteristika bestens bekannt.

NEUE REIFENZEITUNG:
Wo und in welchem Umfang wird das Recyclingmaterial denn in der Produktion genutzt?

Dr. Boris Mergell:
Wir verwenden unser Recyclingmaterial gezielt in verschiedenen Mischungen, wobei die jeweiligen Rezepte und Prozesse angepasst werden. Die Menge Recyclingmaterial, die wir in den Zielmischungen verwenden, variiert zwischen zehn und 30 Prozent, sodass der Anteil des Recyclingmaterials im Reifen zwischen zwei und sieben Prozent variiert.

NEUE REIFENZEITUNG:
Könnte dieser Anteil noch in Zukunft weiter gesteigert werden?

Dr. Boris Mergell:
Ja, er kann mittelfristig durchaus auf fünf bis zehn Prozent gesteigert werden, allerdings müssen wir hierfür noch einige technische Herausforderungen meistern.

NEUE REIFENZEITUNG:
Macht das Recyclingmaterial denn dieselben Produkteigenschaften eines Reifen möglich wie noch ungenutzte Rohstoffe?

Dr. Boris Mergell:
Als Premiumhersteller zeichnen sich unsere Produkte durch gleichbleibende Qualität aus. Auch beim Einsatz von Recyclingmaterial erfüllen die Material- und Reifeneigenschaften immer die Marktanforderungen.

NEUE REIFENZEITUNG:
Continental hat aber doch auch bisher Recyclingmaterial in seiner Reifenproduktion genutzt, oder?

Dr. Boris Mergell:
Das stimmt, wir verwenden bereits heute Recyclingmaterial in der Produktion.

NEUE REIFENZEITUNG:
Inwiefern dient das neue Werk der ökologischen Nachhaltigkeit Ihrer Produktion?

Dr. Boris Mergell:
Im nächsten Jahr wird unsere Pilotanlage mit einem jährlichen Verarbeitungsvolumen von 4.000 Tonnen den Betrieb aufnehmen. Schon mit dieser Anlage können wir pro Jahr etwa 2.400 Tonnen Kautschuk und 1.600 Tonnen Füllstoffe wie Silika und Ruß einsparen. Im Vergleich zum Einsatz von frischen Rohstoffen ergibt sich eine jährliche CO2-Einsparung von 8.000 Tonnen.

NEUE REIFENZEITUNG:
Und inwiefern dient es auch der Kostenersparnis und der Erlangung einer größeren Unabhängigkeit von Rohstofflieferanten?

Dr. Boris Mergell:
Die globalen Rohstoffmärkte unterliegen einer starken Volatilität, von daher ist der Einsatz von Recyclingmaterial nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll.

NEUE REIFENZEITUNG:
Wann genau sollen die Bauarbeiten beginnen und wann kann die Produktion im neuen Werk aufgenommen werden? Gibt es Pläne für weitere solche Werke?

Dr. Boris Mergell:
Die Bauarbeiten für das Werk in Stöcken beginnen Anfang 2013 und wir hoffen, dass die Produktion wie geplant im Sommer anlaufen kann. Nach Abschluss des Pilotprojektes werden wir prüfen, ob und wo weitere Werke aufgebaut werden. Das geplante Werk in Stöcken ist bereits so ausgelegt, dass die Jahresproduktion von 4.000 auf 8.000 Tonnen ausgebaut werden kann.

NEUE REIFENZEITUNG:
Wie stellen Sie sicher, dass immer genügend Karkassen für eine hohe Auslastung der Anlage vorhanden sind?

Dr. Boris Mergell:
Wir haben die Kapazität unserer Anlage an dem Bedarf und dem sehr positiven Feedback unserer ContiLifeCycle-Kunden orientiert. Dementsprechend sind wir uns sicher, dass wir zu jeder Zeit einen adäquaten Karkassrückfluss gewährleisten können. ab


Continental will künftig mehr Recyclingmaterial – das sogenannte Rezyklat – in seiner Reifenproduktion verwenden, dies sei „ökologisch wie ökonomisch sinnvoll“
  

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