Marangoni: Fokussiert auf internationalen Wettbewerb

Der europäische Markt ist sehr herausfordernd für die Unternehmen im Premiumrunderneuerungsektor. Die wirtschaftlichen Bedingungen auf dem Kontinent haben dazu geführt, dass Flottenbetreiber und andere Endverbraucher die Gürtel enger schnallen mussten, während zeitgleich Neuankömmlinge von außerhalb Europas – sowohl bei neuen wie bei runderneuerten Reifen – das gesamte Wettbewerbsumfeld verändert haben. Unlängst bot sich der NEUE REIFENZEITUNG die Möglichkeit, eine Reihe von Führungskräften von Marangoni, des italienischen Spezialisten schlechthin in Runderneuerungsangelegenheiten, zu ihren Markteinschätzungen zu befragen: Giuseppe Ferrari (Geschäftsführer Runderneuerungssysteme), Brenno Benaglia (Commercial Director Nutzfahrzeug- und Industriereifen), Giovanni De Bei (Marketingmanager für Runderneuerung und Industrieprodukte) sowie Paolo M. Fincato (Direktor Unternehmensentwicklung und öffentliche Angelegenheiten).

Angesprochen auf die signifikante Karkassverknappung, mit der sich die europäischen Runderneuerer in der letzten Zeit konfrontiert sehen, weisen die Marangoni-Manager darauf hin, dass es ja nicht nur an Premiumkarkassen mangelt, sondern obendrein ein Rückgang an Lkw-Neuzulassungen und die extrem lange Nutzung von Reifen durch Flottenbetreiber zu beklagen seien und auch der Import von „Low-end“-Neureifen marktbelastend wirke. „In den letzten Jahren haben wir einen stetigen Anstieg der Importzahl an Ganzstahl-Lkw-Reifen in Europa gesehen“, kommentieren sie unisono. „Dieser Trend entspricht dem, was wir bereits in Nordamerika gesehen haben, obwohl diese beiden Märkte doch in vielfacher Hinsicht unterschiedlich sind. Die meisten dieser importierten Reifen kommen aus China-Fertigung, wo die Produktion von radialen Lkw-Reifen höher war und immer noch ist als der lokale Bedarf. Ausgenommen wenige Marken, werden die meisten dieser importierten Reifen nicht für anspruchsvollere Einsätze – wie zum Beispiel im Fernverkehr oder auf Stadt- und Reisebussen – genutzt, sie werden ohne einen echten Pre- und After-Sales-Service verkauft – und sie werden über das Ende ihres ersten Lebens hinaus keine weitere Verwendung finden“, sprich: Diese Reifen werden nicht oder kaum der Runderneuerung zugeführt.

Den Reifen fehle es an gleich mehreren wichtigen Qualitätskriterien, die aber durch einen viel niedrigeren Preis kompensiert würden, heißt es weiter. Allerdings sei es doch fraglich, ob diese „Kompensation“ einen geringeren Rollwiderstand und das Fehlen eines zweiten oder dritten Reifenlebens ausgleichen kann, was in der Regel mit Qualitätskarkassen durch ein sachgerechtes Handling und Management des gesamten Lebenszyklus eines Reifen erreicht werde.

Herstellern von Budgetneureifen geht es nicht um die Abdeckung aller Marktbedürfnisse, bei ihnen geht’s um den Preis. Die Marangoni-Marktkenner wissen, dass der europäische Lkw-Reifenmarkt ein sehr komplexer ist und jemand, der nur vom Preis her kommt, nicht gut aufgestellt und organisiert sein kann, um all die verschiedenen Anforderungen zwischen den verschiedenen Ländern, Produkten und Endverbrauchersegmenten erfüllen zu können. „Straßen- und Klimabedingungen zwischen den nördlichen und südlichen Ländern Europas sind sehr unterschiedlich, und der gleiche Reifen kann sich sehr unterschiedlich verhalten in Bezug auf Haltbarkeit und Runderneuerungsfähigkeit.“

Aber zurück zur wachsenden Verbreitung von importierten Neureifen und der Verknappung von Karkassen, bei der Marangoni davon ausgeht, dass das Problem sogar noch akuter in den kommenden Monaten werden könne. Aber: Das Marangoni-Management hat sehr wohl registriert, dass sich jedenfalls die ein oder andere Importmarke der Verbesserung von Karkassqualitäten angenommen habe und sich auch um den Aufbau von Marketing bemühe, sodass sich daraus – wenn auch eher langfristig – ein positiver Effekt auf den Runderneuerungssektor entwickeln kann, weil schließlich europäische Runderneuerer diese höherwertigeren Reifen eher akzeptieren werden bei ihrem Karkass-Auswahlverfahren, vor allem wenn dies durch Nutzung der Shearografie belegt wird.

Chinesische Reifenhersteller mit einem Qualitätsansatz müssten ferner einerseits enger mit den Verbrauchern und andererseits mit dem Runderneuerungssektor zusammenarbeiten, glaubt der italienische Branchenspezialist. „Wenn nicht-europäische und exportorientierte Lkw-Reifenhersteller langfristig in unseren Markt involviert sein wollen, dann reichen eine bessere Qualität und sonstige Features immer noch nicht aus, vielmehr müssten sie sich auch auf spezielle Vertriebs- und Servicenetzwerke stützen und regelmäßig Feedback von der Runderneuerungsindustrie einholen, die eine wichtige Rolle bei der Beurteilung von Reifen spielt.“

Produkte und Services machen den Unterschied aus

Die europäischen Premiummarken seien schon dabei, ihre Marktanteile zu verteidigen, so die Marangoni-Manager. Dafür werde ein großer Aufwand betrieben – nicht nur in Form sehr zielgerichtet entwickelter Produkte für definierte Kundensegmente (so für besonders ausgeprägte Qualitäten, die sich bei schwierigen Anwendungen bewähren müssen), sondern auch durch verbesserten Service und Programme für die Verbraucher, bei denen Lkw-Reifenrunderneuerer und auf Lkw-Reifen spezialisierte Händler in die Wertschöpfungskette involviert sind.

Und Marangoni selbst? Das Management verweist auf die stetig wieder neu gemachten Erfahrungen innerhalb des eigenen Netzwerkes in Europa mit mehr als 250 Produktionsstätten für die Kalterneuerung und die alltäglichen eigenen Erfahrungen im Werk Rovereto in Italien hinsichtlich Heißerneuerung, die bestätigen würden, dass doch eine deutliche Lücke besteht zwischen „den Marken, die bereits ein hohes Maß an Performance und Reputation erreicht haben – auch in anspruchsvollen Märkten wie Italien –, und anderen Reifennamen, die oftmals von Reifenhändlern bereits zum Ende ihres ersten Lebens aussortiert werden.“

Runderneuerungskonkurrenz aus dem Ausland

Einher mit der Zunahme der Lkw-Neureifenimporte, allerdings auf einer anderen geographischen Route, fließt ein wachsender Strom von vorvulkanisierten Laufstreifen und Materialien nach Europa. Vieles davon kommt eher aus Brasilien und Mexiko anstatt aus Asien. Der Grund für diesen Unterschied in geographischen Hinsicht sei ganz einfach, die Erklärung: „Während sich Asien im Allgemeinen und China im Besonderen noch in einer frühen Phase der Radialisierung und der Entwicklung einer strukturierten und zuverlässigen Runderneuerungsindustrie befinden, hat die Runderneuerungsindustrie in Lateinamerika bereits dieses frühe Stadium überwunden.“

Die zunehmende Verbreitung von vorvulkanisierten Runderneuerungsmaterialien im Budgetsegment stellt Marangoni zwar vor eine Reihe von neuen Herausforderungen für das europäische Geschäft im Allgemeinen, aber die italienische Firma glaubt, man selber – und auch andere Premiumanbieter – biete einiges, was die südamerikanischen Rivalen nicht können. „In den vergangenen Jahren haben wir eine Zunahme des Anteils heißrunderneuerter Reifen registriert. Es gibt einige Märkte in Europa, in denen die Heißrunderneuerung die vorherrschende Technologie ist und die Wachstumschancen für vorvulkanisierte Laufflächen in jedem Fall recht limitiert sind. Eine zweiter wichtiger Aspekt ist die wachsende Marktdurchdringung von Kaltrunderneuerungsmarken direkt von Neureifenherstellern wie Recamic, Bandag, Nextread, ContiTread und Novateck, die entwickelt wurden, um sowohl für die Runderneuerer als auch den Markt im Allgemeinen die Verfügbarkeit von Original-Laufstreifen und von integrierten Lösungen und Programmen zu gewährleisten. Beide  genannten Faktoren bestätigen, dass sich der europäische Markt immer stärker auf qualitativ hochwertige Runderneuerungskonzepte zubewegt, die als notwendige Ergänzung zu einer ständig verbesserten Qualität von Lkw-Neureifen und gestiegener Endverbrauchererwartungen in Bezug auf die Performance der Reifen über ihren gesamten Lebenszyklus hin dienen.“

Marangoni sieht die Position des eigenen Unternehmens in dieser Hinsicht im Einklang mit der allgemeinen Marktentwicklung, ist aber auch stark auf die wachsende Präsenz neuer Wettbewerber fokussiert: „Zusätzlich zu einer aktiven Rolle beim Wachstum des Heißrunderneuerungsmarktes in Italien und anderen ausgewählten Märkten durch den Ausbau unseres Marix-Lkw-Reifenprogramms stärken wir unsere Präsenz im Premiumsegment bei vorvulkanisierten Laufstreifen durch Einführung unseres neuen Konzeptes „Ringtread Black Line“, ein höchst innovatives Produkt, für dessen offizielle Markteinführung eine Veranstaltung im Herbst organisiert wird.“

Innerhalb des Segments kostenorientierter Konsumenten und solche mit weniger anspruchsvollen Anwendungen sowie geringerer Leistungsansprüche hat Marangoni die Produktlinien „Profil Liner“ und „Unitread“, die laut Firmenaussagen beide „weiter gestärkt“ werden sollen, um eine qualifizierte und zuverlässige europäische Alternative zu Importmarken bieten zu können.

Der Anteil Runderneuerungen wächst

Nach Schätzungen von Marangonis Marketingdepartment belief sich die Gesamtzahl der im europäischen Reifenersatzmarkt im Jahre 2011 verkauften Lkw-Reifen auf nahezu 20 Millionen Einheiten – in etwa ein Niveau zwischen dem von 2007 und 2008. Angesichts rund 6,5 Millionen verkaufter runderneuerter Reifen ist im vergangenen Jahr deren Anteil am Gesamtkuchen gestiegen. „Ein Teil des deutlichen Anstiegs konnte von Premiumprodukten erzielt werden, da diese der Schlüssel zu geringeren Kosten für Flottenbetreiber sind“, so die Marktbeobachtung. „Diese Entwicklung wird auch durch die starken Programme der Hersteller von Premiumneureifen bestätigt.“

Während Marangoni einerseits natürlich gerne über gute Nachrichten hinsichtlich wachsender Anteile der Runderneuerung im Reifenersatzmarkt spricht, können andererseits Negativentwicklungen nicht ausgeblendet werden und stimmen wenig froh: „Wenn wir auf die erste Hälfte des Jahres 2012 blicken, müssen wir leider sagen, dass der gesamte Ersatzreifenmarkt (Neureifen, Importe und Runderneuerte) um 20 Prozent unter dem Niveau des entsprechenden Vorjahreszeitraumes liegt. Der größere Anteil an dieser Zahl entfiel auf das Neureifensegment und dabei die großen Marken, die fast doppelt so stark gelitten haben wie der Runderneuerungssektor.

Auch wenn diese Zahlen insgesamt sehr negativ sind, sieht Marangoni doch auch darin eine positive Botschaft und Hoffnung für die Runderneuerungsindustrie. Es sei den Runderneuerungen zu verdanken, dass die Gesamtzahlen des Ersatzgeschäftes im Vergleich zu den horrenden Zahlen aus dem ersten Halbjahr 2009 doch noch relativ hoch sind.

Man gehe durch ein hartes Jahr und müsse versuchen, die aktuelle Situation objektiv zu analysieren. „Wir können feststellen, dass die Reifenverkäufe in der ersten Hälfte des Jahres nicht im Einklang mit der Realwirtschaft standen. Wir glauben, dass reduzierte Lagerhaltung und eine Tendenz, eigentlich abgefahrene Reifen auf Fahrzeugen noch nutzen zu wollen, den Reifenmarkt ernsthaft belastet haben. Der Juni 2012 ist weniger negativ verlaufen als die Vormonate; dies ist nur ein erstes Anzeichen für eine Verlangsamung des Abschwungs, aber wir glauben, dass die Flotten Reifen im Einklang mit wirtschaftlichen Trends ersetzen werden, daher erhoffen wir ein etwas besseres zweites Halbjahr 2012 im Vergleich zur ersten Hälfte.“

Was bedeutet das für Europas Runderneuerer? Eine Erhöhung des Reifenbedarfs werde vor allem den Runderneuerten zugutekommen, finanzielle Engpässe werden Flotten zwingen, die Kosten zu senken, ohne Kompromisse bei der Leistung einzugehen. „Das wird dazu führen, dass runderneuerte Reifen einen höheren Anteil am gesamten Ersatzmarket erreichen“, erwartet das Marangoni-Management. „Diese Veränderung verringert die bestehende Lücke zwischen der EU und den USA in Bezug auf die Anteile von runderneuerten Reifen. Im US-Lkw-Reifenersatzmarkt sind 50 Prozent Runderneuerte.“ stephen.goodchild@tyrepress.com/dv

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