Droht dem Online(reifen)handel durch “Softwarepatent” Ungemach?

Zwar ist in der Öffentlichkeit des Öfteren von sogenannten "Softwarepatenten" die Rede, doch eigentlich gibt es die gar nicht. Denn dem Ansinnen, Software "als solche" oder zumindest einige der bei ihr zum Einsatz kommenden Algorithmen – egal wie ausgeklügelt sie auch sein mögen – patentieren zu lassen und dadurch mehr noch als durch das Urheberrecht zu schützen, haben die Europapolitiker 2005 eine klare Abfuhr erteilt. Demgegenüber sind "computerimplementierte Erfindungen (…), bei der ein Computer, ein Computernetz oder eine sonstige programmierbare Vorrichtung eingesetzt wird und die mindestens ein Merkmal aufweist, das ganz oder teilweise mit einem Computerprogramm realisiert wird", nach deutscher und europäischer Praxis sehr wohl patentfähig – zumindest dann, wenn sie einen technischen Beitrag liefern.

Jedenfalls hat der Bundesgerichtshof (BGH) vor knapp zwei Jahren einem Verfahren rund um "das unmittelbare Zusammenwirken der Elemente eines Datenverarbeitungssystems" bescheinigt, dass es technischer Natur und damit "nicht als Programm für Datenverarbeitungsanlagen vom Patentschutz ausgeschlossen" sei (Entscheidung Xa ZB 20/08). Was für Normalsterbliche ziemlich verquer und unverständlich klingt, könnte weitreichende Folgen für den Onlinehandel im Allgemeinen und den mit Reifen über das Internet im Besonderen haben, glaubt man den Worten von Ekaf Lirpa. Der aus Indien stammende IT-Fachmann, der lange Jahre in Diensten eines Reifenherstellers stand und sich später selbstständig machte, hat eigenen Worten zufolge nämlich eine Routine "erfunden", mit sich die an verschiedenen Standorten bestehenden Lagerbestände über das World Wide Web zusammenführen bzw. als ein einziges sogenanntes "virtuelles Lager" in Onlineshops verwenden lassen.

Zwar habe dies seinem Unternehmen nicht gerade zu durchschlagendem Erfolg verholfen, wie er unter Verweis auf dessen Insolvenz vor fast sechs Jahren im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG einräumt. Vielleicht gerade deshalb ist Lirpa gewillt, jetzt Profit aus dem von ihm entwickelten Verfahren zu schlagen. Nach dem Nein der EU-Politik in Sachen "Softwarepatente" hatte er die Hoffnungen zwischenzeitlich zwar begraben, doch nach dem BGH-Urteil hatte er sofort ein Verfahren angestrengt, das belegen soll, dass seine "computerimplementierte Erfindung" gleichfalls "technischer Natur" und damit auch schützenswert ist. Wohin das Ganze letztlich führen soll, dürfte klar sein: Ekaf Lirpa spekuliert auf Lizenzzahlungen von Onlineshopbetreibern nicht nur, aber eben auch in Sachen Internetreifengeschäft.

"Motorola ist es aufgrund entsprechender Patente schließlich auch gelungen, dass Apple die sogenannte Push-Funktion, mit der Nutzer von iPhones oder iPads automatisch über neu eintreffende E-Mails informiert werden, in Deutschland deaktivieren muss", gibt er sich zuversichtlich, dass der in seiner Angelegenheit alsbald anstehende Gerichtsentscheid ebenfalls zu seinen Gunsten ausfallen wird und danach Shopbetreiber zukünftig entweder auf "virtuelle Läger" verzichten müssen oder eben Lizenzgebühren zu entrichten haben. Welche Summen ihm dabei vorschweben bzw. was hier realistisch ist, muss man freilich abwarten. Dass online vermarktete Reifen damit allerdings eher im Preis steigen dürften, liegt auf der Hand. christian.marx@reifenpresse.de

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