Toyo beseitigt das Problem fehlender Kapazitäten

Noch vor etwa einem Jahrzehnt gehörte die Toyo Tire & Rubber Co., Ltd. (Osaka/Japan) in der Welt der Reifenhersteller zu den Top Ten. Danach wurde Toyo „durchgereicht“: Koreaner, Chinesen und Taiwanesen und schließlich auch Inder drängten sich beim Umsatz vorbei oder schlossen auf. Durchaus denkbar, dass das ungestüme Wachstum der Newcomer weitergeht, aber Toyo erscheint mit einem bereits mittelfristig sehr ambitionierten Wachstumsprogramm – womit vornehmlich ein Kapazitätenausbau gemeint ist – alles andere als willens, diese Entwicklung einfach hinnehmen zu wollen. Von aktuell 30 Millionen Einheiten jährlich soll der Reifenoutput schon bis zum Jahr 2015 auf 45 Millionen Stück katapultiert werden.

Während der Heimatmarkt Japan eher geringe Wachstumspotenziale bietet und darum die beiden dortigen Pkw- und Lkw-Reifenwerke in Sendai und Kuwana – in einer kleineren Fabrik unter dem Namen Nippon Giant Tire werden ferner EM-Reifen ganz überwiegend für den Heimatmarkt hergestellt – auch in den nächsten Jahren keine wesentlichen Kapazitätsausweitungen erfahren werden, blicken nahezu alle Reifenhersteller auf die Region Südostasien, in der der jährliche Bedarf kräftig wächst und nach allen Prognosen auch in den nächsten Jahren weiter deutlich zulegen dürfte. Toyo hat dem Rechnung getragen und erst im Herbst letzten Jahres den malaysischen Reifenhersteller Silverstone (Kamunting/Bundesstaat Perak) – dessen Marke in den 90er Jahren auch schon mal den Weg nach Europa gefunden hatte und darum manch einem Marktteilnehmer noch in Erinnerung sein dürfte – und ein halbes Jahr darauf auch noch dessen Mehrheitsbeteiligung am chinesischen Lkw-Reifenhersteller Shandong Silverstone LuHe (Zhucheng/Shandong) übernommen. Darüber hinaus aber sind seit dem letzten Jahr Werksneubauten im chinesischen Zhangjiagang (Provinz Jiangsu) und – angrenzend an die Silverstone-Akquisition – seit Kurzem in Malaysia für Pkw-Reifen im Bau. Die neuen Produktionsstätten sollen vornehmlich den Bedarf in Südostasien und dabei vor allem China befriedigen, womit auch europäische Automobilhersteller gemeint sind, die in der Region Autos herstellen. Das Lkw-Reifenwerk wird überwiegend Produkte für die Region sowie für den japanischen Markt bereitstellen. Und zur Komplettierung der Konzernkapazitäten sei auch der erst ein halbes Jahrzehnt junge eigene Produktionsstandort in den USA nicht vergessen: Das dortige Pkw-Reifenwerk in White (Bartow County/Bundesstaat Georgia), in dem neben Toyo auch die im nordamerikanischen Tuningmarkt bestens vertretene Hausmarke Nitto produziert wird, erlebt ebenfalls gerade einen deutlichen Kapazitätsausbau. Langfristig, so die Vision von Tamotsu Sakuramoto, seit fast zweieinhalb Jahren Präsident der Toyo Tire Europe GmbH (TTE/Willich am Niederrhein), sieht er aber auch ein Toyo-Reifenwerk für Europa am Horizont – entweder eine Akquisition („wenn sich eine Gelegenheit bieten sollte“) oder ein Neubau.

Als sich der weltgrößte Reifenhersteller Bridgestone vor gut drei Jahren mit etwa acht Prozent an Toyo beteiligte (die gleiche Größenordnung der Anteile gilt noch heute), da wähnte so mancher Beobachter das Ende der Toyo-Unabhängigkeit eingeläutet – obwohl die beiden Unternehmen die Liaison für „lose“ erklärten. Denn von der gemeinschaftlichen Entwicklung von Produktionstechnologien war ebenso die Rede wie von einer gegenseitigen Unterstützung in der Reifenproduktion, worunter man wohl am ehesten ein gegenteiliges Offtake verstehen konnte. Tatsächlich hatte in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise keines der beiden Unternehmen Bedarf, beim anderen Produktion in Auftrag zu geben; und aktuell haben beide Firmen das gleiche Problem fehlender Kapazitäten. „Gelebt“ werde die Kooperation mit Bridgestone derzeit eher im Hintergrund, wie in den Bereichen Logistik und Einkauf, sagt Sakuramoto.

Müßig zu diskutieren, ob die „Stand-alone“-Politik Toyos eher den Gegebenheiten beim japanischen Reifenprimus, der auch keine vakanten Produktionskapazitäten hat, geschuldet ist oder der Erkenntnis, dass Joint Ventures für den japanischen Reifenhersteller in der jüngeren Vergangenheit wenig erquicklich endeten – erst zwei Gemeinschaftsunternehmen mit Cheng Shin in China und zuletzt die mit Conti und Yokohama betriebene Lkw-Reifenfabrik in den USA – und sich auch für Offtakes keine kompetenten Partner aufdrängen. Toyo Tire & Rubber ist ein selbstbewusstes Unternehmen und verfügt auch über technologische Potenziale, die man gar nicht mit anderen teilen wolle, ergänzt der Europachef TTE einen ja auch nicht unwesentlichen Aspekt.

Technologisch sehr wohl auf Augenhöhe mit den Premiummarken

Nein, schon aus Kapazitätsgründen kann Toyo Tires nicht mit den ungleich größeren Premiummarken des Reifenmarktes in der Erstausrüstung mithalten. Nein, auch preislich ist Toyo im Ersatzmarkt weit von den „big shots“ der Branche entfernt. Während der erstere Umstand ja wie beschrieben partiell behoben wird, wurmt zweiterer: Angesichts der Qualitäten, der auf ein Minimum geschrumpften Reklamationsquoten und der Reputation in der Erstausrüstung gehöre man auf ein höheres Level, sagt Tamotsu Sakuramoto, und der Technische Direktor TTE Wilhelm Höppner ergänzt, dass es über Audi hinaus gleich mehrere Anfragen anderer Autohersteller an Toyo gebe, Reifenlösungen für höchst ambitionierte Fahrzeugprojekte anzubieten.

Angesichts der aktuell ja noch herrschenden Produktionsknappheit, die dem Unternehmen nun schon seit Jahren hinterherschleicht, dürften die Anfragen der Automobilhersteller zwar das Toyo-Management mit Stolz erfüllen, dass die Entwickler im fernen Japan diese alle erhören werden, erscheint dennoch unrealistisch. Das viertgrößte japanische Reifenunternehmen (hinter Bridgestone, Sumitomo Rubber Industries und Yokohama) hat im Heimatland OE-Status bei Toyota/Lexus, Nissan, Mitsubishi und Mazda, bei Letzterem auf manchem Modell exklusiv. Die derzeitigen europäischen Erstausrüstungskunden heißen Renault und Audi. Beim deutschen Premiumhersteller hat Toyo in den letzten Jahren einige äußerst anspruchsvolle Projekte realisiert, hat sogar – ungewöhnlich genug für einen deutschen Autobauer – schon mal Exklusivstatus oder ist Referenz und auch in hochaktuelle Entwickungen involviert. Aber wer Zulieferer der exklusiven Topmodelle eines Automobilherstellers mit übersichtlichen Stückzahlen ist, von dem wird auch erwartet, dass er für Volumenfahrzeuge liefert. Das wird auch bei Audi so sein, welches Modell mag Höppner aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht verraten.

Das Audi-Engagement dient nicht zuletzt der Imageaufwertung. Tuner und Reifenhandel aber haben längst erkannt, dass Toyo insofern eine „dankbare“ Marke ist, dass das so enorme Größenprogramm so gut wie keine Lücke im UHP-Bereich und die Reklamationsabteilung beim Reifenhersteller Auslastungsprobleme bekommen hat. Hinzuweisen auch darauf, dass im UHP-Segment die Produkte gemeinhin kürzere Produktionszyklen haben als bei Standardreifen und man bei diesem „Spezialisten für Hochleistungsreifen“ sicher sein kann, einen Reifen zu erhalten, der technologisch absolut auf der Höhe der Zeit ist. Gilt es eine neue Größe zu kreieren, so wird zuerst auf den Bedarf im deutschen Markt geblickt, der zwar der „wettbewerbsintensivste in Europa“ ist (O-Ton Sakuramoto), aber auch der Leitmarkt für so manche unternehmerische Entscheidung.

Deutschland ist der bedeutendste Markt in Europa

Die deutsche Vertriebsgesellschaft des Reifenherstellers befindet sich im gleichen Gebäude in Willich wie die europäische Organisation. Erst zum letzten Jahreswechsel ist man aus Neuss kommend hierher umgezogen. Die Gründe dafür waren ganz pragmatische: Der Mietvertrag am alten Standort war ausgelaufen, der Bürobau in Willich passte von der Größe besser und liegt verkehrstechnisch noch günstiger, womit vor allem die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes durch das eigene Personal per Auto gemeint ist. Der Vermieter scheint darüber hinaus ein Faible für japanische Unternehmen zu haben, wenn man sich in der direkten Nachbarschaft umblickt.

Etwa 120 Personen stehen derzeit europaweit auf der Toyo-Gehaltsliste, 52 davon sind in Willich stationiert. Eigene Vertriebsgesellschaften hat das Unternehmen außer in Deutschland (von wo Österreich mitbearbeitet wird) auch in Italien, den Niederlanden, Großbritannien und Russland. Über weitere Vertriebsgesellschaften denke man permanent nach, so der Europa-Präsident, aber es müsse vom Timing her passen, verweist er auf die aktuellen wirtschaftlichen Probleme in einzelnen Staaten der Europäischen Union. Da sei man vielleicht besser beraten, ein wenig abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Zumal man sich über die guten Beziehungen zu Importeuren in diesen Ländern freue und keinen Handlungsbedarf sehe, dieses Verhältnis kurzfristig auf den Prüfstand zu stellen. „Wir sind in Europa, um mit Reifen Geld zu verdienen“, lautet Sakuramotos lapidare Leitformel. Toyo Tire Europe übrigens ist eine Tochtergesellschaft der japanischen Toyo Tire & Rubber Co., als Mitgesellschafter ist der Mitsubishi-Konzern im Boot.

Europaweit hat Toyo im vergangenen Jahr etwa 200 Millionen Euro umgesetzt, der deutsche Markt steht dabei für einen Anteil von ca. einem Drittel und ist somit der bedeutendste Europas. Hierzulande entfallen um die 90 Prozent des Umsatzes auf Pkw-Reifen einschließlich SUVs und Offroad, wobei sich – wie bei anderen Reifenherstellern auch – in den letzten Jahren die Anteile von Sommer- zu Winterreifen zunehmend angeglichen haben und derzeit etwa bei „50 zu 50“ liegen. Die restlichen knapp zehn Prozent Umsatz entfallen auf Lkw-Reifen, wobei im Markt eigentlich kaum Anzeichen zu erkennen sind, Toyo wolle diesen Bereich forcieren. Auch hier dürfte der Mangel an zur Verfügung stehender Ware der Grund sein. Über die Einführung einer zweiten Marke neben Toyo – Silverstone und Nitto fallen da zuerst ein – wird im Übrigen derzeit nicht einmal nachgedacht und ist damit wenigstens mittelfristig auch nicht zu rechnen.

Toyo ist traditionell im deutschen Markt reifenfachhandelsorientiert und hat dort eine eindeutige Domäne. Die relativ gute Positionierung bei point S ist historisch bedingt, erinnert Wilhelm Höppner daran, dass man mit manchem heutigen Kooperationsmitglied bereits bestens zusammengearbeitet habe, als dieses noch gar nicht daran dachte, sich eines Tages dem Verbund anzuschließen. Beim deutschen Großhandel ist Toyo insgesamt gesehen eher unterrepräsentiert und die Marke noch am ehesten dort zu finden, wo aus einem Einzelhändler mit den Jahren ein regionaler Grossist geworden ist. Bei den internationalen Reifengroßhändlern vor allem aus Benelux kommt Toyo vor, aber eher im Rande: Größere Graumarktprobleme kennt man in Willich nicht. Auch die Präsenz auf den Einkaufsplattformen, die in den letzten Jahren aus dem Boden schossen, ist äußerst übersichtlich. Das Autohausgeschäft wird nicht forciert, wo man allerdings Erstausrüstungsstatus hat, kann und will man sich dem auch nicht entziehen, so Höppner. Aber: „Wir sind ein Reifenhersteller, der hauptsächlich an Reifenhändler verkauft.“

Die Marke Toyo hat viele Facetten, steht aber vor allem für Sicherheit

Die Antwort auf die Frage, wofür die Marke Toyo denn stehe, welche Werte sie beinhalte, ist gar nicht so einfach zu beantworten. Als besonders stark im Ultra-High-Performance-Segment verankert und somit sportiv orientiert, hat die Marke Reputation bei Fahrzeugveredlern und im seriennahen Motorsport gleichermaßen. Tatsächlich gibt es ja auch ein gewisses Motorsportengagement, das sich derzeit von der Rundstrecke bis hin in den harten Offroadeinsatz erstreckt (Robby Gordon konnte mit und dank Toyo-Reifen auf der „Dakar“ mehr als Achtungserfolge verbuchen).

Hinsichtlich des Umweltengagements erinnert Technikchef Wilhelm Höppner daran, dass Toyo der einzige Reifenhersteller ist, der (beim Px Ne) recyceltes Polyester für die Karkasse verwendet und Produkte des Hauses im Heimatmarkt Japan das „Triple-A“ beim Rollwiderstand haben, die höchste erdenkliche Einstufung. Auch in Nordamerika ist Toyo mit einem Öko-Ganzjahresreifen namens „Versado Eco“ ganz vorne mit dabei; dass man in Europa derzeit noch ein wenig hinterherhinkt bei „grünen Reifen“ im Ersatzgeschäft erklärt sich – man kann es sich denken – im Wesentlichen durch Kapazitätsengpässe. Aber ein europäischer Automobilhersteller wie Audi würde Toyo-Reifen nicht so wertschätzen und am Band montieren, würden die Produkte im Wettbewerbsvergleich auch nur mittelmäßig platziert sein hinsichtlich Rollwiderstand.

Zwar stelle man gerne die UHP-Kompetenz des Unternehmens heraus, so Höppner abschließend zur Positionierung der Reifenmarke, „aber Toyo steht zuallererst für Sicherheit“. Die Kollegen aus Forschung und Entwicklung sowie die in den Reifenwerken hätten ihre enormen Potenziale in dieser Hinsicht in der Vergangenheit immer wieder abgerufen. Wer darüber verfügt, der wird sich auch in Zukunft im Markt weiterhin allein bestens behaupten können. detlef.vogt@reifenpresse.de

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