RH Alurad: An das gute Image vergangener Zeiten anknüpfen

Dass der Name RH Alurad zu den wenigen gehört aus der Aluräderbranche, die beim autoaffinen Endverbraucher bekannt sind, hat nicht zuletzt etwas damit zu tun, dass das in Attendorn beheimatete Unternehmen vornehmlich in den 90er-Jahren kräftig die Werbetrommel gerührt hat und vor allem Sportstars – nicht die Sternchen, sondern schon echte „Promis“ wie Tennisspielerin Steffi Graf, Hochspringerin Heike Henkel, Fechterin Anja Fichtel, Gewichtheber Manfred Nerlinger und andere – ebenso mit den glänzenden Aluminiumrädern posierten wie die Fußballer erst des FC Schalke 04 und später des 1. FC Köln in ihren Stadien vor den Banden mit dem Schriftzug des Räderanbieters medienwirksam dem Ball hinterherrannten.

Auch der Fachhandel hat letztlich von RH Alurad profitiert, auch wenn manche Maßnahme aus Attendorn erst einmal Befremden auslöste. Den Trend hin zu immer größeren Rädern, der Einsatz für mehrteilige Räder und nicht zuletzt die Einstufung des Aluminiumrades nicht als Gebrauchsgut, sondern als Modeartikel haben den Absatz ganz allgemein angekurbelt und den höherwertig positionierter und damit für den Absatzmittler Reifenhändler margenstärkerer Räder ganz besonders. Dass sich RH Alurad als Erster locker über die bekannten Absatzstrukturen hinwegsetzte und den Großhandel ausbootete, dass RH Alurad mit seinen Direktmailings in Auflagen von mehr als 30.000 an Autohäuser den „natürlichen Feind“ der Reifenhändler als Absatzkanal erst so richtig hoffähig machte und dass RH das Komplettrad „erfand“ und damit die Kernkompetenz des Handels attackierte, war schon ziemlich grundsätzlich als wenig hilfreich empfunden worden. Dass sich RH Alurad in Fragen wie Reklamationsabwicklung als wenig kulant zeigte, wirkt da schon wie eine Petitesse.

Bei seinen direkten Wettbewerbern – anderen Räderanbietern und Tunern – war RH Alurad wenig gelitten. Das mag zum einen am Neidfaktor liegen, denn RH hatte einfach Marketingdrive mit Ideen wie einem „Goldenen Ventil“ und erschrak die Zunft mit ungewöhnlich üppiger, oftmals teurer, aber auch nachhaltig erfolgreicher Werbung; sonst wäre der Name nicht bis heute – siehe oben – bei Endverbrauchern gut verankert. RH Alurad hat sich keine Freunde unter den Wettbewerbern gemacht, weil das Unternehmen – obwohl als Premiummarke positioniert – auch immer mal wieder unter das allgemein akzeptierte niedrigste Preisniveau schoss, weil RH-Räder manchmal nicht Trends setzten, sondern Trends hinterliefen: Im Allgemeinen nennt man dies Kopieren.

Zum Abschluss der Geschichte: Seit Mitte des abgelaufenen Jahrzehnts war RH Alurad immer stärker in Schieflage gerutscht. Der Eigner des Unternehmens Rüdiger Höffken erschien nicht mehr im Wirtschaftsteil vor allem der lokalen Presse mit Erfolgsstorys, sondern wegen „Steuersachen“. Bekanntlich werden diese Negativschlagzeilen ja gerne gelesen – zumal sie dann von der lokalen Ebene sogar den Weg bis hin in die BILD fanden. Am 16. Oktober 2008 kam, was sich abgezeichnet hatte: Insolvenzantrag. Die Werke in Gorcyze (Polen: Guss, Bearbeitung und Wärmebehandlung) und Ladenburg (Lackieren) gingen ganz schnell den Bach runter, das Insolvenzverfahren für den Standort Attendorn mit den beiden Marken RH und Artec entwickelte sich in 2009 hingegen zu einer für den Außenstehenden mitunter skurril anmutenden zähen Geschichte mit einigen Volten, die aber schließlich doch erfolgreich zum Ende gebracht wurde: Schließlich gilt der verantwortliche Rechtsanwalt Dr. Bruno Kübler als äußerst erfahrener Insolvenzverwalter und Koryphäe auf seinem Gebiet. Weder chinesische Anbieter (hinter denen China Wheel stand) noch ein „Verwerter“ bekamen den Zuschlag, sondern die ortsansässige erfolgreiche Unternehmerfamilie Böhmer (zu der auch die auch über die Region hinaus bekannte Attahöhle gehört).

Zum Neuanfang der Geschichte: Für einen Betrag irgendwo zwischen einer und zwei Millionen Euro bekam die Unternehmerfamilie Böhmer zum 1. Januar 2010 den Zuschlag, wie viel genau, ist Definitionssache. Einerseits hatte der Übernehmende Verpflichtungen wie Arbeitsplatzgarantien einzugehen, andererseits sind Werte wie Lagerbestände gerade bei Aluminiumrädern schwer zu beurteilen: Was ist schon ein Ladenhüter, was lässt sich noch zu einem passablen Preis vermarkten, was ein „Renner“? Eine typische Situation, in der sich der eine reich, der andere arm rechnen kann. Zum geschäftsführenden Gesellschafter wurde Robert Böhmer (29) ernannt, der zwar nicht direkt aus der Räderbranche kommt, aber als Wirtschaftsingenieur bereits in den Diensten des Automobilherstellers Audi und des -zulieferers Magneti Marelli stand und dessen Bekenntnis zur automobilen Affinität schon von daher nachvollziehbar ist. Zweiter Geschäftsführer ist mit Wolfgang Späth (56) ein Mann, der schon mehr als drei Jahrzehnte Branchenerfahrung mitbringt, die Marke Artec – die schließlich in die RH-Gruppe integriert worden war – aufgebaut hatte und damit nicht nur produktions-, marketing- und vertriebsmäßig mit dem Produkt bestens vertraut ist, sondern auch das Unternehmen RH Alurad aus dem Effeff kennt. Auch Späth hält Anteile an der „neuen“ RH Alurad GmbH, er ist Minderheitsgesellschafter. Mit 26 Beschäftigten (Stand Ende 2010) hat sich die Gesamtmitarbeiterzahl im Vergleich zur alten RH (nur Standort Attendorn) zwar in etwa halbiert, im Branchenvergleich ist das für eine reine Vertriebsgesellschaft dennoch eher üppig.

Eine Aluräderfirma zum 1. Januar zu übernehmen, ist kein optimaler Zeitpunkt – wenn es denn überhaupt einen gibt. Das Winterrädergeschäft ist gelaufen, fürs anstehende Frühjahrsgeschäft ist es zu spät, um noch Akzente zu setzen usw. In diesem Falle kamen 2010 auch nicht unbedingt die Arbeit erleichternd gerichtliche Scharmützel um Namensrechte mit dem Alteigner, um Zugriff auf Kokillen und Altbestände etc. hinzu – 2010 war noch nicht das richtige Startjahr für RH, sondern ein Jahr des Übergangs. Immerhin: Die RH-Designs des vergangenen Jahres mochten in einer schnelllebigen Modebranche wie dem Umrüstmarkt von Aluminiumrädern zwar als nicht mehr wirklich „up to date“ gelten, sind aber als „klassische Designs“ auch nicht wirklich „out“ gewesen.

Man habe immerhin schwarze Zahlen geschrieben in 2010, betont Wolfgang Böhmer (57), der die Diversifikation des Familienunternehmens betont. Die Ziele mit dem neuen Unternehmensbereich im Automobilzubehörgeschäft seien im vergangenen Jahr nicht nur erreicht, sondern übertroffen worden. Das ermutigt ihn um so mehr, weiter ins Rädergeschäft zu investieren, da eine Erfolgsgeschichte schreiben zu wollen und die Unternehmensgruppe noch breiter aufzustellen. All dies habe man geschafft trotz diverser Widrigkeiten und Anfeindungen von außen, die es aber weder geschafft haben, die Euphorie des Mannschaft nachhaltig zu torpedieren noch die Motivation zu bremsen.

Dass Wolfgang Späth ein „Rädermann“ ist, weiß man und wird keiner in der Branche bestreiten. Aber auch Robert Böhmer scheint von dem Virus, der von Alurädern auszugehen scheint, infiziert. Begeistert zeigt er ein neues, zu dem Zeitpunkt noch geheimes Design – und ist enttäuscht, wenn der ins Vertrauen Gezogene sich „nur“ angetan zeigt. Wobei Böhmer sich keineswegs in den Stylingphantasien eines Newcomers verliert, sondern durchaus realitätsbezogen aufzählt, auf welchen Fahrzeugmodellen er sich das RH-Neudesign in welchen Größen vorstellt.

Und damit auch schon gleichzeitig signalisiert, wo er „die neue RH“ positioniert sehen möchte: in etwa da, wo „die alte RH“ stand. Robert Böhmer: „Wir wollen an das gute Image vergangener Tage anknüpfen, die Marke RH Alurad soll ganz eindeutig im Premiumsegment positioniert sein. RH-Designs sollen das Highend-Segment besetzen.“ RH soll einen Exklusivstatus bei ausgewählten Händlern haben, von „VIP-Kunden“ ist die Rede.

Allerdings gibt es sehr wohl mehr als Abweichungen um Nuancen zu vergangenen Zeiten: Mit Mehrteilern wolle man sich künftig weniger befassen, nicht nur weil dieses Segment im Markt rückläufig ist aus den verschiedensten Gründen, sondern auch weil es schwierig ist, einen zuverlässigen Lieferanten vor allem für die Sterne zu finden. Die von der „alten“ RH Alurad aufgegebene Volumenmarke Artec (siehe gesonderten Beitrag im Rahmen des Räderreports) soll revitalisiert werden, was übrigens schon bei Übernahme zum Jahreswechsel 2009/2010 mit Gründung der Artec Automotive GmbH beschlossene Sache war. Und was die vormaligen Macher für überflüssig hielten, wurde bereits wieder eingeführt: RH hat wieder einen ganz aktiven Außendienst, der im Übrigen auch noch weiter gestärkt werden soll. Auch die früher schon gelegentlich beklagten Defizite im Exportgeschäft sollen jetzt endlich beseitigt werden. Und noch eine Veränderung: Wurde früher das Komplettradgeschäft kräftig gepusht, wird es jetzt eher marktkonform betrieben.

Und natürlich darf die Frage nach der Produktion nicht fehlen, zumal die alten in Vor-Insolvenzzeit eigenen Werke in Polen und Ladenburg nicht mehr zur Verfügung stehen. Wolfgang Späth kennt die in Frage kommenden Aluräderwerke und setzt dabei einerseits auf jene, die auch Erstausrüstungsräder herstellen, bei denen also schon von daher Qualität gewährleistet ist, aber auch eine gewisse Mentalität. Und zu seinen Überzeugungen hat auch immer gehört, Aufträge zu streuen, um Abhängigkeiten zu vermeiden. Ferner ist er nicht auf den niedrigsten Produktionspreis fixiert, den man vielleicht in China erzielen kann, sondern zieht Europa-Fertigung nicht nur ins Kalkül, sondern ist permanent auf der Suche. Wenn alles Sonstige passt, dann dürfen die Kosten auch mal höher sein als bei einem Fernostpartner. RH Alurad hat derzeit verschiedene Produzenten in Europa sowie Fernost und selbst in Deutschland Kokillen platziert, blickt sich aber weiter nach Alternativen um.

Die Gesellschafter und Geschäftsführer der beiden unabhängigen Firmen RH Alurad und Artec Automotive eint das Ziel, erst einmal Vertrauen im Markt aufbauen, intensive Kundenpflege betreiben, Partnerschaften schmieden zu wollen und auch im Detail – so bei der Reklamationsabwicklung – allzeit gesprächsbereit und wo möglich kulant zu sein. Das Jahr 2010 ist genutzt worden, um erst einmal klare, vernünftige Strukturen bzw. eine wirklich neue RH Alurad aufzubauen. An 2011 wird man den Erfolg messen können. detlef.vogt@reifenpresse.de

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