Preissteigerungen können in 2011 nicht mehr verhindert werden

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Die Ankündigungen über Preissteigerungen nehmen im neuen Jahr an Frequenz und Höhe deutlich zu. Preisschritte über zehn Prozent und mehr sind an der Tagesordnung und kommen manchmal, bevor die zuletzt angekündigte Preisanhebung überhaupt umgesetzt wurde. Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, warum Runderneuerungsmaterialien gerade jetzt so viel teurer werden, haben die Kosten für den zentralen Preistreiber Naturkautschuk doch in den vergangenen zwei Jahren kontinuierlich angezogen? Giuseppe Ferrari, Geschäftsführer des Marangoni-Geschäftsbereiches Retreading Systems, erklärt im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG, was die zentralen Einflussfaktoren auf die Preisgestaltung am Markt sind und warum insbesondere jetzt alle Marktteilnehmer die Kilopreise anheben.

Der Preis für Laufstreifengummi – ob für die Heiß- oder die Kaltrunderneuerung – wird im Wesentlichen durch zwei Kostengruppen bestimmt. Gut zwei Drittel werden durch die Rohstoffkosten bedingt, das verbleibende Drittel sind sonstige Kosten, etwa Arbeit, Energie, Verwaltung, Vertrieb etc. Die Rohstoffkosten wiederum lassen sich ebenfalls gut nach Dritteln einteilen. Während das erste Drittel durch Naturkautschuk bedingt ist, gehen die verbleibenden beiden Drittel auf das Konto anderer Rohstoffe wie etwas Synthesekautschuk, Ruß, Chemikalien etc. (siehe dazu nebenstehendes Schaubild). Jeder Euro, den Naturkautschuk teurer wird, müsste nach dieser allgemeinen Kalkulation also den Preis für Laufstreifengummi mit rund 25 Euro-Cent belasten.


Wenigstens zwei Drittel der Produktionskosten von Runderneuerungsmaterialien werden durch Rohstoffe beeinflusst, wovon Naturkautschuk wiederum etwa ein Drittel ausmacht

Warum schlugen die gestiegenen Kosten für Naturkautschuk nun nicht bereits im vergangenen Jahr voll auf die Preise für Runderneuerungsmaterialien durch? Dies habe im Wesentlichen drei Gründe, erklärt Giuseppe Ferrari. Zentraler nivellierender Faktor dabei ist die allgemeine Marktentwicklung im vergangenen Jahr. Der europäische Runderneuerungsmarkt brach 2009 weniger stark ein als der Neureifenmarkt und konnte 2010 prozentual gesehen stärker wachsen als der Neureifenmarkt. Infolgedessen haben alleine die Auslastungsgrade der Produktionsstätten bei Marangoni, Kraiburg, Bandag oder Co. sich überaus positiv entwickelt, was wiederum zu einer Minimierung der Produktionskosten pro Stück geführt hat.

Gleichzeitig – und das ist der zweite zentrale Grund, warum sich im vergangenen Jahr die Preissteigerungen noch in einem moderaten Umfang bewegten – kamen Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen zum Tragen. Gerade Unternehmen, die unter dem Eindruck starker Markteinbrüche stehen, versuchen an allen Ecken und Enden des Wertschöpfungsprozesses Kosten zu minimieren. Sparprogramme umfassen dabei alles von der allgemeinen Unternehmensstruktur (siehe dazu den Beitrag über Marangonis neues Corporate Center in Rovereto in dieser Beilage) bis hin zum Personal. Gleichzeitig werden die Produktionsprozesse weiter optimiert und somit Effizienzen gesteigert.

Der dritte zentrale Grund ist, dass Unternehmen aus der Runderneuerungsbranche im vergangenen Jahr – auch unter dem Eindruck des krisenbedingt stark ansteigenden Wettbewerbs – eher bereit waren, eine Verringerung ihrer Margen zu akzeptieren, um Marktanteile zu halten und Produktionskapazitäten weiter so gut wie möglich auszulasten. Während Giuseppe Ferrari von Marangoni betont, man habe den Druck auf die Margen im vergangenen Jahr auffangen können, sehe man sich im laufenden Jahr nicht mehr imstande dazu.

Alle drei Gründe – die Marktentwicklung, die Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsprogramme sowie der Margenverzicht – sind aber nicht unendlich gültig bzw. möglich. Der Markt entwickelt sich zwar weiterhin positiv, Zusatzgewinne durch einen zusätzlichen Absatz können aber die Kostensteigerungen auf der Rohstoffseite nicht mehr decken. Auch geraten Sparprogramme irgendwann an ihre natürlichen Grenzen. Und von negativen Margen kann niemand langfristig existieren. Die Konsequenz daraus: Die Belastungsgrenze der Materialhersteller gilt vielerorts als erreicht, sodass heute die Kostensteigerungen viel stärker an den Markt, also den Runderneuerer, weitergegeben werden (müssen), als dies noch vor über einem Jahr der Fall war.

Giuseppe Ferrari betont in diesem Zusammenhang übrigens, dass es vonseiten Marangonis keinen Sinn mache, auf günstigere Rohstoffe zu setzen, um die Kostenbelastung zu reduzieren. „Marangoni ist vorwiegend aktiv im Qualitätssegment des Runderneuerungsgeschäftes und die Leistungsfähigkeit unserer Materialien wird jeden Tag mit der von Neureifen verglichen“, so der Geschäftsführer im Marangoni-Geschäftsbereich Retreading Systems. „Aus diesem Grund gelten für uns Leistungskriterien, die keinen Raum für eine Verschlechterung der Merkmale der von uns gebrauchten Rohstoffe oder der von uns angewandten Produktionsprozesse zulassen.“

Entsprechende Überlegungen gelten insbesondere für den Gebrauch von sogenanntem Reclaimed Rubber, also devulkanisiertem Gummi. Die negativen Auswirkungen, die solche Materialien auf die Leistungsfähigkeit einer Premium-Runderneuerung haben, so Ferrari, machen mögliche Einsparungen auf der Kostenseite mehr als zunichte. „In vielen Fällen gehen die preislichen Vorteile, die durch Lieferanten günstiger Rohstoffe angeboten werden, einher mit der Verringerung der Laufleistung und der Performance eines Reifens und können außerdem negative Folgen für die Beziehung zwischen dem Runderneuerer und dem Endkunden haben.“ Je höher die Belastungen durch traditionelle Rohstoffe werden, um so interessanter werden natürlich alternative Rohstoffe – trotz aller negativen Folgen auf die Produktqualität. arno.borchers@reifenpresse.de

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