Ellerbrock erhält neue Position in der Marangoni-Gruppe

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Die Ellerbrock Reifenrunderneuerungs-Technologie GmbH konnte Anfang Juli endlich die neue Mischerei am Standort in Henstedt-Ulzburg in Betrieb nehmen. Durch die sechs Millionen Euro teure Investition erfährt das Werk einen immensen Modernitätsschub und kann auch innerhalb der Marangoni-Gruppe eine komplett neue Rolle übernehmen, von der letzten Endes der deutsche Standort und die italienische Gruppe insgesamt deutlich profitieren können. Im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG erläutert Giuseppe Ferrari, Geschäftsführer des Marangoni-Geschäftsbereichs Retreading Systems, die neue Struktur der Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe.

Als am 22. März 2008 wegen eines „technischen Defektes“, so der offizielle Polizeibericht, ein Feuer in der Mischerei der Ellerbrock-Fabrik in Henstedt-Ulzburg ausbrach, wirkte dies zunächst wie ein Unglück, das vorwiegend negative Folgen für den Standort haben würde. Zunächst war dem auch so, mussten doch die in der benachbarten Laufstreifen- und Ringtread-Produktion genutzten Mischungen allesamt aus Italien herangeholt werden. Dass die globale Wirtschaftskrise gerade jetzt zuschlug, war in gewisser Weise „Glück“ für die Marangoni-Gruppe, hielt sich der Kollateralschaden durch die höheren Logistikaufwendungen doch in Grenzen.

Gleichzeitig hatte Marangoni ebenfalls Glück im Unglück, konnte man doch nach dem Feuer des vergangenen Jahres die Mischerei komplett neu einrichten und sie den aktuellen Anforderungen einer modernen industriellen Produktion anpassen. Von der alten Mischerei war ausschließlich die Sohlplatte noch brauchbar, die komplette Hardware inklusive der zur Mischerei gehörenden Silos für Ruß etc. mussten neu installiert werden, von dem Gebäude ganz zu schweigen. Im Mittelpunkt der sechs Millionen teuren Investition steht der automatische Banbury-Mischer mit einem Kammervolumen von 310 Litern und den ineinandergreifenden Rotoren mit variablem Abstand, die in der Runderneuerungsbranche einmalig seien. Einen solchen Mischer finde man ansonsten nur in der Neureifenindustrie und auch dort nicht überall. Darüber hinaus seien alle Anlageteile „State of the Art“, wie Guiseppe Ferrari betont, der gemeinsam mit Matthias Leppert auch Geschäftsführer der deutschen Gesellschaft ist. Im aktuellen Schichtbetrieb (fünf Tage à 24 Stunden) arbeiten seit Anfang Juli zwölf Mitarbeiter an einer monatlichen Produktion von rund 1.000 Tonnen Runderneuerungsmaterial. Dies ist ein doppelt so hoher Output wie die alte, im vergangenen Jahr abgebrannte Anlage im Dauerbetrieb an sieben Tagen die Woche leisten konnte. Und sie erfordert weniger Personal, waren bisher doch 20 Menschen in der Mischerei beschäftigt. Darüber hinaus ist in der neuen Mischerei sogar noch Platz für eine zweite Linie, die den aktuellen Output noch einmal verdoppeln würde. Dies, so Giuseppe Ferrari, sei aber derzeit keine konkrete Planung.

Mit der Fertigstellung der Bauarbeiten an der Mischerei im Juli konnte die Marangoni-Gruppe nicht nur alles schön und neu machen am Ellerbrock-Standort in Henstedt-Ulzburg und die Produktivität der Anlage deutlich erhöhen. Gleichzeitig habe die neue Mischerei deutliche Auswirkungen auf die Rolle der deutschen Tochtergesellschaft im Konzern und auf die Weiterentwicklungen der Qualitätsprodukte.

Da die alte Ellerbrock-Mischerei stets das Tempo der – nach einem Feuer im November 2003 erneuerten – Laufstreifen- und Ringtread-Produktion bestimmt hatte und als Engpass im industriellen Prozess betrachtet wurde, kamen vor dem Brand der Mischerei im vergangenen Jahr stets rund 20 bis 35 Prozent der Mischungen aus Italien. Die Anlage im Norden Hamburgs konnte also nicht autark betrieben werden. Durch die wesentlich höhere Produktivität der neuen Mischerei hat sich die Situation nun umgekehrt. Aktuell werden bei Ellerbrock nur rund 85 Prozent der hergestellten Mischungen in der eigenen Produktion gebraucht. Die überschüssigen Kapazitäten werden nun dazu genutzt, um entweder die Laufstreifen- und Ringtread-Produktion in anderen Produktionsstätten zu speisen oder aber Kunden in ganz Europa mit Heißrunderneuerungsmischungen zu beliefern. In jedem Fall wolle man die durch die neue Mischerei geschaffenen Kapazitäten zu einem Optimum ausnutzen.

Diese neue Rolle im Unternehmen hat außerdem zu einer allgemeinen Neuausrichtung in der gesamteuropäischen Logistik geführt, die nun Schritt für Schritt umgesetzt wird, betont Giuseppe Ferrari. Während früher Ware zu gleichen Teilen aus dem Logistikzentrum in Henstedt-Ulzburg und in Ferentino bei Rom europaweit ausgeliefert wurde, werde Ellerbrock auch hier künftig eine noch größere Rolle spielen. Wie der Geschäftsführer von Marangoni Retreading Systems mitteilt, sollen demnächst bis zu 65 Prozent der Ware direkt ab Henstedt-Ulzburg ausgeliefert werden, was dazu führen wird, dass demnächst verstärkt auch Ware ab Italien ins deutsche Zentrallager zugeliefert und von hier in großen Teilen Europas verteilt wird. Die Märkte, in denen dies hauptsächlich zu merken sein wird, und zwar durch kürzere, also bessere Lieferzeiten, sind Skandinavien, Osteuropa und vor allem Großbritannien.

Die Kunden in Großbritannien wurden bisher entweder direkt aus Italien oder aber aus dem Lager im englischen Newcastle bei Stoke-on-Trent beliefert. Künftig soll das Zentrallager in Henstedt-Ulzburg die Rolle des Zulieferers für Großbritannien übernehmen. Runderneuerer in Großbritannien können natürlich weiterhin aus demselben Produktsortiment auswählen, wenn sie – wie gewohnt – vor Ort bei ihrem Marangoni-Mitarbeiter bestellen. Allerdings wird die Ware in den meisten Fällen früher ankommen. „Wir bieten also auch einen besseren Service“, so Ferrari.

Die Lagerkapazitäten, die Ellerbrock am Standort in Henstedt-Ulzburg vorhält, seien ausreichend, so betont Ellerbrock-Geschäftsführer Matthias Leppert. Nicht zuletzt hat die erhöhte Produktivität in der Mischerei und der Laufstreifen- und Ringtread-Produktion dazu geführt, dass weniger „auf Lager“ gefertigt werden muss; die Durchlaufzeiten verkürzen sich also. Während früher Ware im Schnitt bis zu zwei Monate am Lager lag, ist dies heute nur noch ein Monat der Fall. Demzufolge hat die Lagerkapazität in Henstedt-Ulzburg in der jüngsten Vergangenheit deutlich zugenommen.

Die neue Rolle der Ellerbrock Reifenrunderneuerungs-Technologie ist dabei nicht nur durch ihre erweiterten Kapazitäten in der Mischerei, der Produktion und der Materialwirtschaft definiert. Auch die eingangs erwähnten Qualitätsfortschritte, die durch den neuen Banbury-Mischer erreicht werden können, wirken sich positiv auf die Rolle des deutschen Standortes in der Marangoni-Gruppe aus. So werden jetzt etwa nicht nur die ContiTread-Kaltlaufstreifen bei Marangoni bzw. seit neuestem bei Ellerbrock gefertigt, sondern auch die Mischungen werden nicht mehr komplett von der Continental AG zugeliefert, sondern – unter der Aufsicht des deutschen Reifenkonzerns – in Henstedt-Ulzburg gefertigt. Insbesondere nach den „Eco-Plus“-Profilen gebe es eine große Nachfrage.

Durch die Steigerung der Qualität der Mischungen soll künftig etwa das gesamte Europa mit rollwiderstandsarmen Laufstreifen und Laufstreifen mit Wintereigenschaften von Ellerbrock beliefert werden. Durch den neuen Banbury-Mischer können Silica, Ruß und andere Bestandteile besser in den verschiedenen Mischungen verteilt werden; auch ist die Temperatur der jeweiligen Gummimischung besser kontrollierbar. Kurz: Das Ergebnis der Mischungs- und auch Extrusionsvorgänge kann mit der neuen Anlage optimiert werden, was sich gerade bei hochwertigen Premiumlaufstreifen für rollwiderstandsarme oder Winterreifen auszahlt. Laut Matthias Leppert werde man vermutlich bis zu einem Jahr benötigen, bis das Optimum aus der neuen Mischerei herausgeholt ist.

Und es ist dieses Premiummarktsegment, in dem Marangoni (und dessen direkte Mitbewerber) sich mit dem Wettbewerb durch die Neureifenindustrie konfrontiert sieht, gleichzeitig aber auch durch „die Polarisierung des europäischen Runderneuerungsmarktes“, so Ferrari, quasi ‚von unten’ durch neue Marktteilnehmer aus dem Preissegment angegriffen wird. Solchen neuen Marktteilnehmern billigt der Marangoni-Geschäftsführer immerhin einen Marktanteil von 30 bis 40 Prozent zu; dies entspricht Erhebungen der NEUE REIFENZEITUNG zufolge deren ungefähre aktuelle Marktposition. Von weiterem Wachstum der Anbieter aus dem Preissegment geht Giuseppe Ferrari demnach nicht aus, will er doch ganz bewusst „die außereuropäische Konkurrenz abwehren“.

Dass dies nicht nur mit Ringtread-Laufstreifen und Premiummischungen geschehen kann, wissen auch die Manager in der Marangoni-Zentrale in Verona. Ein Blick auf Marangonis Marktanteil bei der Kaltrunderneuerung in Europa, der bei 26 Prozent liegt (2007), zeigt, dass es sich der italienische Konzern nicht leisten kann, nur auf das Premiumsegment zu setzen, auch wenn dies „unsere Stärke ist“. Es gebe nun einmal preissensible Kunden, für die Rollwiderstand nichts bedeutet und auch nichts bedeuten muss, da sich ihre Fahrzeuge in einem gemischten Einsatz befinden. Auch für solche Kunden halte Marangoni ein Produktsegment vor. Neben den herkömmlichen Profil-Liner- und Classico-Laufstreifen bietet Marangoni seit einiger Zeit auch sogenannte Unitread-Kaltlaufstreifen an. Vor diesem Hintergrund der Marktpolarisierung und Ausdifferenzierung des Marangoni-Sortimentes mache es im Übrigen auch keinen Sinn, die Produktion in Ferentino weiter zu modernisieren und dort eventuell eine Mischerei zu installieren wie sie nun bei Ellerbrock steht. Der Grund: Verschiedene Fabriken bedienen verschiedene Marktsegmente. Für den Marktführer gebe es „gute Gründe, auf all diesen Teilmärkten präsent zu sein“.

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