Weltmarktführer Alligator will Position weiter festigen

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Erst jüngst durch den Ausfall mehrerer Transporterreifen aufgrund von Problemen mit Gummiventilen und der nachfolgenden Diskussion darüber, was zu tun sei, erschien das Thema „Sicherheit durch Ventile“ wieder im Rampenlicht. Obwohl es sich dabei ‚nur’ um ein Pfennigprodukt handelt, dessen Kosten in der Erstausrüstung wie auch im Ersatzmarkt stets zu vernachlässigen sind, kommt ihm für die Sicherheit im Straßenverkehr eine zentrale Bedeutung zu. Gerade mit Blick auf die anstehende, verpflichtende Einführung von Reifendruckkontrollsystemen auch in Europa verstärken Ventilhersteller wie Alligator aus Giengen/Brenz das Bemühen, ihre Produkte und deren Features zunehmend im Bewusstsein der Anwender zu verankern, von innovativen Neu- und Weiterentwicklungen ganz zu schweigen.

Bereits seit einigen Jahren bietet die Alligator Ventilfabrik GmbH in Zusammenarbeit mit der Stahlgruber Stiftung ein eintägiges Ventilseminar in Giengen/Brenz für die Teilnehmer des Lehrgangs zum Reifen- und Vulkaniseurmeister an. „Früher hat es oftmals einen sorglosen Umgang mit dem Thema Sicherheit gegeben“, stellt Josef Seidl fest. Dies habe sich aber merklich geändert, so der Alligator-Geschäftsführer, und führt dies eben auch auf die Anschaulichkeit von Präsentationen vor Ort und Führungen direkt durch die Produktionsstätte zurück, wie sie nun schon seit vier Jahren bei Alligator stattfinden. Außerdem bekomme jeder Teilnehmer eines Meisterkurses der Stahlgruber Stiftung einen der „überaus begehrten“ (Seidl) Alligator-Ordner an die Hand, in dem so ziemlich jede Information zum Produkt, dessen Einbau, Anwendung und Ausbau sowie zum Hersteller enthalten ist, die ein Meister in seiner Werkstatt gebrauchen kann.

Öffentlichkeitsarbeit und die strukturierte Etablierung von Informationsmechanismen sind die zentrale Stellschraube, über die das Interesse der Anwender an Ventilen hervorgerufen und gesteigert werden kann, ist der Geschäftsführer überzeugt. Folglich ist die Alligator Ventilfabrik nicht nur daran interessiert, die zukünftigen Fachkräfte aus dem Reifenhandel im Rahmen von Werksführungen (und natürlich während der Lehrgänge selbst), aber auch anlässlich von Schulungen für Großhandelskunden und bei Fachvorträgen, zu schulen, sondern wendet sich eben auch direkt an die Endverbraucher.

Eines der großen Themen, um das es während der Meisterkurse und der Führungen immer wieder geht, ist die Qualität günstiger Importventile aus Fernost. Ventile seien im Laufe ihres Lebens hohen und ständig wechselnden Belastungen ausgesetzt. Ob Fliehkräfte, hohe Temperaturen, Ozon, Salzwasser, Einzieh- und Durchziehkräfte – Kfz-Ventile aus Gummi oder Metall müssen einiges aushalten. Und wie Josef Seidl betont, kämen immer wieder Ventile aus Fernost nach Europa, die die hohen Anforderungen des deutschen Herstellers und weltweiten Marktführers kaum erfüllen würden.

In Ermangelung strikter Mindestwerte für die in Europa vermarkteten Ventile und Ventilsysteme kämen die meisten der China-Produkte auch noch zu Recht auf den europäischen Markt, wird beklagt. Ein Beispiel: die Biegewechselbeanspruchung. Laut ETRTO (European Tire and Rim Technical Organisation) soll ein in Europa genutztes Gummiventil 40.000 definierte Wechselzyklen – also Verbiegungen bei Raumtemperatur – unbeschadet überstehen, ohne etwa durch die Fliehkräfte an der Ventilbohrung einzureißen. „Dies“, so der Alligator-Geschäftsführer weiter, „übersteht fast jedes Venil.“ Um den Anforderungen aus der Praxis zu genügen, werden die Ventile aus dem baden-württembergischen Giengen/Brenz hingegen bis zu zehn Mal höheren Belastungen ausgesetzt, als dies durch die ETRTO vorgegeben ist. Auch bei der Festigkeit des Gummis (ausgedrückt durch die sog. Shore-Härte) gebe es international keine einheitlichen Standards, sodass die US-amerikanische SAE-Norm etwa weicheres Gummi zulässt und vorschreibt, als dies wiederum durch die entsprechende Deutsche Industrienorm (DIN) vorgesehen ist; Vorgaben durch die ETRTO gibt es hierbei wiederum nicht.

Da es keine verpflichtende ECE-Regelung für Kfz-Ventile in Europa gibt, sondern lediglich die internationalen Angleichungsversuche nationaler Standards durch die ETRTO, kommt den Vorgaben der Erstausrüstungskunden aus der Automobilindustrie eine zentrale Rolle bei der Normierung von Gummi- und Metallventilen zu. Ein Unternehmen wie die Alligator Ventilfabrik GmbH, das unter den europäischen Fahrzeugherstellern so beinahe jeden namhaften Erstausrüster zu seinen Kunden zählen darf, legt folglich entsprechend hohe Maßstäbe an die Qualität der eigenen Produkte an, selbst wenn die Anforderungen der Erstausrüstungskunden – dies ist eher ungewöhnlich – teilweise deutlich übererfüllt werden.

In den vergangenen Jahrzehnten, seit dem das Unternehmen in den 1920er Jahren aus einer Abteilung der Spielwarenfabrik Margarete Steiff (Steiff-Teddybären) entstand und langsam zu einem Spezialisten für Luftventile aufstieg, wurde das Produktsortiment des schwäbischen Traditionsunternehmens nicht nur ständig ausgebaut und den sich ändernden Anforderungen (etwa durch die Reifendruckkontrolle) angepasst, auch die Qualitätskontrollen sind seither ständig verfeinert und erweitert worden. Wie Josef Seidl bei einem Rundgang durch die in Teilen denkmalgeschützten Werkshallen erläutert, werde jedes einzelne Ventil während des Fertigungsprozesses mehrmals auf seine Qualität hin kontrolliert.

„Qualität muss man produzieren, man kann sie nicht sortieren“, begründet der Geschäftsführer die hohen Maßstäbe. Diese seien allerdings auch notwendig, da sich der Produktionsprozess im Hundertstelmillimeterbereich abspielt, verschiedene Bauteile und Materialien (in der Regel Messing oder Aluminium und Gummi) miteinander verbunden werden müssen und auch noch eine Vulkanisation des Gummis stattfindet. Bereits nach dem Bohren wird jeder Ventilkörper etwa vollautomatisch kontrolliert, ob sich gegebenenfalls Bohrspäne – gerade bei Aluminiumspäne ein großes Problem – festgesetzt hat; auch wird natürlich die Maßhaltigkeit der Bohrungen überprüft. Ähnlich hoch – also nicht unter 100 Prozent – ist die Kontrolldichte bei den Ventileinsätzen, die immerhin aus sieben verschiedenen Bauteilen zusammengesetzt werden müssen, ergänzt Gerd Häussler, langjähriger Produktionschef und heute für das Innovationsmanagement des schwäbischen Familienunternehmens zuständig.

Reifendruckkontrolle und Ventile

Eines der Themen, mit dem sich die Alligator Ventilfabrik gerade in den vergangenen Jahren intensiv beschäftigt hat und noch in Zukunft beschäftigen wird, ist die Entwicklung und Weiterentwicklung von Ventilen, die bei der Reifendrucküberwachung zum Einsatz kommen können. Auf diesem Feld habe Alligator seit über zehn Jahren Erfahrung, betont Seidl, und hat insbesondere in Kooperation mit dem Automobilzulieferer und RDK-Systemhersteller Beru maßgeblich zur Weiterentwicklung dieser Systeme in den vergangenen Jahren beigetragen. Aber auch mit anderen Systemanbietern – namhafte Ausnahme ist hier Schrader Electronics, der eigene Ventile nutzt – und Erstausrüstungskunden pflege man eine enge Zusammenarbeit und liefere teilweise bereits seit Jahren die Schraubventile für die Systeme sowie die Sensorgehäuse zu.

Die neueste Errungenschaft aus dem Hause Alligator ist dabei ein neues Befestigungskonzept mit starrer Anbindung, das die Montage der Sensoreinheit deutlich vereinfachen und sich flexibel an die jeweiligen Bedürfnisse der verschiedenen Fahrzeughersteller anpassen soll: das „Alligator Plug & Play“. Dabei wird das Alligator-Reifenventil im so genannten Plug-and-play-Verfahren einfach in das Sensorgehäuse angedockt, so Gerd Häussler. Durch eine spezielle Kontaktierungstechnik kann das Ventil sogar als Sendeantenne verwendet werden. Dies reduziere die erforderliche Sendeleistung und schone daher die Batterie. Das umfassende Alligator-Baukastensystem ermögliche es, Einschraubventile aus Messing oder Aluminium sowie auch die speziell für die Anwendung mit RDK-Systemen entwickelten Snap-in-Ventile aus Gummi zu verwenden, betont Häussler und ergänzt, dass auch bei der vom Felgendesign abhängigen Länge des eingesetzten Reifenventils große Flexibilität bestehe. Es sei hier erwähnt, dass bei RDK-Systemen in der Regel Aluminiumventile zum Einsatz kommen, um das Gewicht des Gesamtsystems möglichst gering zu halten. „Der wesentliche Vorteil von ‚Alligator Plug & Play’ im Vergleich zu anderen starren Sensorkonstruktionen, bei denen das Gehäuse direkt an das Ventil angespritzt ist: Durch das Baukastensystem reduzieren sich Logistikaufwand und Bevorratung erheblich. Dies gilt gleichermaßen für Hersteller und für Werkstätten im Reparatur- und Ersatzteilgeschäft“, ergänzt Josef Seidl.

Ob sich in Zukunft, wenn RDK-Systeme auch in Europa zur Pflicht für Neufahrzeuge werde, auch die Gummiventile (Snap-in) durchsetzen werden, sei aktuell schwer zu beurteilen, so der Geschäftsführer weiter. Oberstes Gebot sei natürlich, dass die Sensoreinheit eines jeden Systems dauerhaft fest mit dem Rad verbunden bleibt; eine sich lösende Einheit könne zu einem Sicherheitsrisiko werden. Nach dem in den Vereinigten Staaten Reifendruckkontrollsysteme verpflichtend eingeführt wurden (September 2007), setzten die Automobilhersteller zunächst allesamt auf Metallschraubventile zur Befestigung der entsprechenden Systeme. Um Zeit beim Einbau der Systeme und Kosten für die Ventile einzusparen, beginnen Automobilhersteller in den USA sich zunehmend für Snap-in-Ventile aus Gummi zu interessieren, da diese – auch bei RDK-Systemen – einfach mittels des passenden Einziehwerkzeugs durch die Ventilbohrung des Rades gezogen werden können.

Allerdings habe sich bei Tests herausgestellt, so Gerd Häussler, dass die Sensoreinheit, wenn sie durch ein Gummiventil im Rad befestigt ist, nicht schwerer als 15 Gramm sein darf, um bezüglich der auf das System wirkenden Fliehkräfte auf der sicheren Seite zu sein. „Dies wird den Trend hin zur weiteren Miniaturisierung weiter fortsetzen“, ist sich Seidl sicher. Freilich müssten solche Gummiventile bei jedem Reifenwechsel erneuert werden, so dass der Automobilhersteller seinen Käufern also Kosten mit auf den Weg gibt, die er in der Produktion selber eingespart hat. Wenn demnächst auch in Europa RDK-Systeme vorgeschrieben sind, werden Automobilhersteller mit ziemlicher Sicherheit zunächst auch „auf die bewährte Technik“ der Metallschraubventile setzen, glaubt Seidl, auch wenn es bereits Interesse an Snap-in-Ventilen für RDK-Systeme auch von in Europa produzierenden Automobilherstellern gibt.

Investitionen in Deutschland

In den vergangenen Jahren hat das schwäbische Familienunternehmen klar den Investitionsschwerpunkt auf das Ventilwerk im polnischen Nekla gelegt, das die Alligator Ventilfabrik in 2005 gekauft hatte, nach dem man sich bereits 1997 am polnischen Ventilproduzenten Stomil mit Fabrik in Sroda Wielkopolska bei Poznan beteiligt hatte, der dann drei Jahre später komplett übernommen wurde. Im nicht weit entfernten Nekla, wo neben der Fertigung auch das Verkaufsbüro für Osteuropa untergebracht ist, sind rund 220 Menschen beschäftigt. Gerade in dieser Region habe die Ventilmarke „Stomil“ eine lange Tradition und sei gut eingeführt. Wie Josef Seidl ankündigt, wolle man in Zukunft wieder in den deutschen Standort Giengen/Brenz (die ehemalige EHA-Produktion in Mühlheim wurde bereits 2003 mit der Produktion in Giengen verschmolzen; am Standort besteht noch ein Auslieferungslager) verstärkt investieren, wo derzeit rund 240 Mitarbeiter beschäftigt sind.

Die Alligator-Ventilfabrik ist mit einer Jahresproduktion von bis zu 200 Millionen Snap-in-Ventilen Weltmarktführer mit einem Marktanteil nach eigener Aussage von rund 30 Prozent. Insgesamt fertigt das Unternehmen im Jahr über 365 Millionen Teile, darunter auch etwa 50 Millionen der überaus bekannten und traditionsreichen „Blitz-Ventile“ für Fahrräder. Seit drei Jahren verfügt das Unternehmen über eine eigenes Verkaufs- und Konstruktionsbüro in Seoul, Südkorea, von wo aus die Alligator-Kunden im asiatisch-pazifischen Raum bedient werden. Mit ihren drei Marken „Alligator“, „EHA“ und „Stomil“ ist das Unternehmen auch insgesamt und weltweit führender Anbieter von Reifenventilen. Das Unternehmen erwirtschaftet im Jahr einen Umsatz von rund 50 Millionen Euro und gehört zur Steiff-Gruppe, die seit jeher in Familienbesitz ist.

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