Kfz-Industrie setzt immer mehr auf Schwellenländer

Deutsche Hersteller von Luxusautos feiern ihre Modellpremieren zunehmend in China. Porsche präsentierte die Limousine Panamera erstmals in Schanghai, Daimler stellte dort die neue S-Klasse vor. Das starke Auftreten in Schwellenländern macht Sinn, findet die Bundeseinrichtung GTAI (Germany Trade & Invest), die deutsche Unternehmen auf ihrem Weg ins Auslandsgeschäft unterstützt. So wuchs der Pkw-Absatz trotz Krise in der Volksrepublik China im ersten Quartal gegenüber dem gleichen Quartal des Vorjahres um vier Prozent. Auch in Brasilien wurden vier Prozent mehr Fahrzeuge verkauft und in Indien stieg den Absatz um zwei Prozent. Gefragt sind extra für die einzelnen Länder produzierte Versionen, heißt es weiter in der GTAI-Veröffentlichung. Die Schwellenländer rücken immer mehr in den Focus der Kfz-Industrie. Die deutschen Hersteller von Nobelkarossen zum Beispiel richteten jüngst die Premiere ihrer neuen Modelle in China aus. Porsche etwa – nicht in Frankfurt, nicht in Mailand oder Detroit stellten die Schwaben ihre viertürige Limousine Panamera erstmals aus, sondern in Shanghai. Auch Daimler und Audi waren im April mit der Weltpremiere der neuen Generationen der S-Klasse in der Hybridversion bzw. des Groß-SUV Q7 auf der Messe Auto Shanghai 2009 vertreten.

Das starke Auftreten in Schwellenländern, vor allem in China macht Sinn, denn von den großen Automärkten der Erde wächst nur noch der der Volksrepublik China. Im ersten Quartal hat sie mit 1,6 Millionen verkauften Pkw die USA als weltweit größte Absatzregion bereits übertroffen. Der Pkw-Absatz in China lag damit im ersten Quartal laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) vier Prozent über Vorjahresniveau; allein im März kletterten die Verkäufe um zehn Prozent. Getrieben wurde die Nachfrage von der Halbierung der Verkaufssteuer für Fahrzeuge mit weniger als 1,6 Liter Hubraum sowie von Subventionen beim Autokauf für die ländliche Bevölkerung.

Allerdings ist der derzeit einstellige Zuwachs nur als gut zu bezeichnen, wenn er an westlichen Verhältnissen gemessen wird – noch vor einem Jahr wuchs der chinesische Automobilmarkt um 22 Prozent. Zudem hält sich die Sorge, dass das Frühjahr nur ein Strohfeuer war, so die GTAI weiter. In Indien konnten die Händler bis einschließlich März mit 447.200 Pkw knapp zwei Prozent mehr Fahrzeuge verkaufen. Deutlich gesunkene Kreditzinsen und eine Mehrwertsteuersenkung haben offenbar geholfen, die Nachfrage auf dem Subkontinent zu stabilisieren.

Der Fahrzeugabsatz in Brasilien stieg dem VDA zufolge im ersten Quartal um vier Prozent gegenüber dem Vorjahresniveau auf 642.000 Automobile; allein im März zogen die Verkäufe um 18 Prozent an. Zu Jahresbeginn hatte die Regierung die Steuern für Personenwagen gesenkt, was zu niedrigeren Verkaufspreisen führte. In Russland dagegen lagen die Pkw-Neuzulassungen in den ersten drei Monaten um 40 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Als Reaktion auf die deutlich rückläufigen Zahlen greift die russische Regierung der angeschlagenen Autoindustrie unter die Arme. So erhält der größte Pkw-Produzent des Landes Avtovaz (Lada) einen zinslosen Kredit über umgerechnet 560 Millionen Euro.

Trotz der Wirtschafts- und Finanzkrise erwarten Experten, dass der russische Automobilmarkt sich bis Ende 2009 stabilisiert hat. Frost & Sullivan zum Beispiel prognostiziert, dass Russland bis 2012 zum drittgrößten Markt hinter den USA und China heranwächst. „Sobald der russische Bankensektor seine Schwierigkeiten überwunden hat und Automobilkredite für Russen wieder verfügbar sind, werden die Pkw-Verkäufe wieder ihren Wachstumspfad erreichen“, so Analyst Andrij Iwtschenko.

Während also in Genf, Frankfurt oder Detroit Absatzflaute bei den Luxuslimousinen herrscht, rücken Shanghai und zunehmend auch Mumbay ins Blickfeld. Die Reichen der Schwellenmärkte sollen zumindest teilweise die Flaute in den Industrieländern auffangen. „Shanghai ist zur wichtigsten Automesse der Welt geworden“, so Daimler-Chef Dieter Zetsche auf der Auto Shanghai 2009.

Der IWF sieht den Besitz eines Autos als Massenphänomen, welches historisch mit der Industrialisierung einhergeht. Die Ökonomen erwarten, dass die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge von insgesamt weltweit 600 Millionen im Jahr 2005 auf 2,9 Milliarden bis 2050 steigt. China allein werde dann etwa die gleiche Menge an Kraftfahrzeugen besitzen wie die ganze Welt heute.

Viele Analysten sehen diesen Trend trotz Wirtschafts- und Finanzkrise prinzipiell ungebrochen. Mohit Arora, Senior-Marktanalyst bei JD Power, prognostizierte Mitte April 2009 in der Times of India: „China und Indien werden die Wachstumstreiber des weltweiten Automobilmarktes bleiben und ihre Größe bis 2014 verdoppeln. Wir erwarten, dass der chinesische Markt in den nächsten fünf Jahren von derzeit 5,8 Millionen Einheiten auf etwa 11 Millionen Einheiten zulegt, Indiens Fahrzeugmarkt dürfte von 1,5 auf 2,6 Millionen Einheiten wachsen.“

Auch die Unternehmen selbst sehen in Zeiten der Wirtschaftskrise vermehrt in den Schwellenländern Chancen. Das größte Wachstum erwartet die Automobil- und Zulieferindustrie – neben China und Indien – für Osteuropa sowie Zentral- und Südamerika, hier vor allem in Brasilien. Dies ergab eine Umfrage unter führenden Branchenvertretern durch die Unternehmensberatung KPMG Anfang des Jahres. Im Gegensatz zu den Vorjahren sehen die Unternehmen kaum noch Chancen darin, ihre Situation durch stärkere Kostenkontrolle verbessern zu können. Die Hoffnung habe sich deutlich hin in Richtung neuer Produkte und Märkte verlagert, betont Uwe Achterholt, Leiter des Bereiches Automotive bei KPMG.

Die Begeisterung für Autos ‚Made in Germany’ ist in den Schwellenländern ungebrochen. In der Region Asien-Pazifik steigerte zum Beispiel Audi seinen Absatz im März mit rund 15.600 verkauften Autos um rund fünf Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum – davon allein in China 11.848 Fahrzeuge. Der Erfolg ist insbesondere der exklusiv für den chinesischen Markt produzierten Langversionen des Audi A4 und A6 zu verdanken. Der A4L legte um 25 Prozent auf 2.338 Einheiten zu. Vom Modell A6L wurden 8.257 Einheiten an Kunden ausgeliefert, ein Plus von fünf Prozent. Weitere Absatzsteigerungen verzeichneten die Ingolstädter auf den Märkten Australien, Indien und Singapur.

Auch der Volkswagenkonzern insgesamt legte im ersten Quartal in den Schwellenländern zu. In Russland steigerte VW seine Auslieferungen deutlich um 14,1 Prozent auf rund 25.800 Einheiten und nimmt jetzt die vierte Stelle im russischen Markt ein. In Südamerika erreichte der Konzern in Brasilien ein Plus von 6,4 Prozent auf 157.300 Wagen. Gut lief es für den Konzern auch in der Region Asien-Pazifik. Er verzeichnete ein um 2,9 Prozentt gestiegenes Auslieferungsergebnis von 318.200 Fahrzeugen gegenüber dem Vorjahresquartal. In China legten die Auslieferungen dabei auf 284.200 Einheiten zu, plus sechs Prozent. Bis 2018 will VW den Absatz dort auf zwei Millionen Kfz steigern.

Der Erfolg im Reich der Mitte ist jedoch kein Selbstläufer. GM oder Toyota zum Beispiel starteten dort höchst unterschiedlich in das Jahr. Der US-Autobauer steigerte seine Verkäufe um 17 Prozent. Er profitierte vor allem von der boomenden Nachfrage nach Kleinwagen, ausgelöst von Steuererleichterungen seit Januar für Autos mit 1,6-Liter-Masschinen oder geringer. GM setzte allein 230.000 Microminivans im ersten Quartal 2009 ab. Toyotas Absatz in China hingegen brach um 17 Prozent ein. Die Hauptgründe bilden die geringe Händlervertretung der Japaner in den ländlichen Regionen, wo der Nachfrageschub zurzeit herkommt und die vergleichsweise schwache Aufstellung im Niedrigpreissegment.

Weiter auf dem Wachstumspfad blieb die BMW-Gruppe im ersten Quartal in China, Indien und Brasilien. Im Reich der Mitte lieferte das Unternehmen in den ersten drei Monaten des Jahres 16.580 Kraftfahrzeug aus, 13,8 Prozent mehr als in der Vorjahresperiode. Indien verzeichnete ein Plus von 15,1 Prozent auf 992 Auslieferungen, in Brasilien gingen im ersten Quartal mit 717 Auslieferungen 12,7 Prozent mehr Fahrzeuge an die Kunden. Unter den sogenannten BRIC-Staaten entwickelte sich einzig der Absatz in Russland von Januar bis März mit minus 0,6 Prozent leicht rückläufig. Hier lieferte die BMW Group im Betrachtungszeitraum insgesamt 4.184 Automobile aus.

Erfolgreich im Reich der Mitte ist auch Porsche, die Zuffenhausener verkauften im vergangenen Geschäftsjahr in China mit rund 7.600 Sportwagen 145 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Mercedes meldete für den März 2009 die bislang besten Monatsergebnisse in China überhaupt. Die Auslieferungen stiegen um 42 Prozent auf 5.400 Fahrzeuge. Nach seinem erfolgreichen Start in den USA wurde der Smart „fortwo“ im April in China eingeführt.

Viel schwieriger ist hingegen das Nutzfahrzeuggeschäft auch in den Schwellenländern geworden. In Indien zum Beispiel hat der Daimlerkonzern einen Rückschlag erlitten. Die Daimler AG wird in Indien künftig den Nutzfahrzeugbau ohne Partner betreiben. Das Unternehmen und die Hero Group lösten ihr Jointventure Daimler Hero Commercial Vehicles Ltd. auf. Angesichts der Wirtschaftskrise habe Hero seinen 40-prozentigen Anteil zurückgegeben, teilte die Daimler AG Mitte April mit. „An unseren Plänen zur Lkw-Produktion in Chennai ändert sich nichts“, sagte Nutzfahrzeugvorstand Andreas Renschler.

Als Folge muss Daimler die geplanten 700 Millionen Euro in den kommenden vier Jahren alleine zahlen. Das bisher von Daimler eingebrachte Eigenkapital von 24 Millionen Euro floss bereits als ausländisches Direktinvestment in das Land. „Die gegenwärtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern nichts an der langfristigen Ausrichtung von Daimler Trucks in den BRIC-Märkten. Indien ist für Daimler Trucks mehr als nur ein Markt, sondern auch der Schlüssel für eine völlig neue Generation von Produkten“, so Renschler weiter.

In die Zukunft führen soll die Branche auch die Entwicklung von Elektroautos und Hybridantrieben. So standen auf der Auto Shanghai 2009 neben Luxuslimousinen kleinere Fahrzeuge mit Hybrid-Antrieb und die ersten Elektrofahrzeuge im Rampenlicht.

Der Hersteller BYD etwa erfreute sich besonderen Besucherandranges. Das Unternehmen aus Shenzhen ist mit einem kleinen E-Auto, das bereits in China verkauft wird, in die internationalen Schlagzeilen geraten. Der Spezialist plant laut Medienberichten ab 2011 sogar den Export nach Amerika und Europa.

Der chinesische Staat unterstützt diese Entwicklung kräftig. Die Volksrepublik China plant Subventionen in Höhe von 1,46 Milliarden US-Dollar für die Entwicklung von Elektroautos. Dabei soll der Großteil der Hilfen direkt in die Hände der Konsumenten fließen, da sonst die Unternehmen in einen Wettlauf um die Mittel gerieten, erläuterte Vize-Finanzminister Zhang Shaochun gegenüber Journalisten Mitte April in Beijing. Bis zu 60.000 Yuan – umgerechnet rund 6.750 Euro – stünden in Zukunft als Beihilfe für den Kauf von elektrisch betriebenen Taxis oder Fahrzeugen der Kommunen bereit.

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