Räderkonzern UniWheels: In Europa die Nummer 3

Mit der Übernahme der ATS-Gruppe Anfang 2008 durch die Unternehmensgruppe UniWheels, die ihrerseits erst 2005 aus der Taufe gehoben worden war, ist in Europa ein Aluminiumräderkonzern entstanden, der sich in die Liste der Wettbewerber auf Rang 3 eingeordnet hat: mit deutlichem Abstand hinter den beiden europäischen Marktführern und auch außereuropäisch engagierten Firmen Ronal und Borbet, aber sichtbar bezogen nur auf das Produkt Aluminiumräder vor Hayes Lemmerz und dem türkischen Anbieter CMS. Hinter diesen im Erstausrüstungsgeschäft im scharfen Wettbewerb zueinander stehenden „Big Five“ klafft schon eine Lücke. Die im Rahmen einer Konsolidierungswelle verbliebenen Hersteller im europäischen Aluminiumrädermarkt sind entweder respektable Nischenanbieter geblieben oder warten noch darauf, von der noch nicht abgeschlossenen Marktbereinigung schließlich heimgesucht zu werden.

Mehrheitsgesellschafter der im schweizerischen Hünenberg ansässigen Holding UniWheels ist Ralf Schmid, der nicht nur die Gruppe geschmiedet hat, sondern dereinst auch Marken wie Rial geführt und Alutec aufgebaut hat. Minderheitsgesellschafter ist sein Cousin Michael „Mike“ Schmid, der im Unternehmen Verantwortung im technischen Bereich trägt und über die Produktionsstätten wacht.

Die UniWheels-Gruppe hat mit drei Räderfabriken (zwei im ostpolnischen Stalowa Wola, eine im sauerländischen Werdohl) eine theoretische Jahreskapazität von um die sieben Millionen Aluminiumgussrädern. Die sind aktuell nicht voll ausgelastet, wie im Rahmen der aktuellen Krise auch bei allen nennenswerten Mitbewerbern. Dabei ist dies Unternehmen signifikant stärker auch im Ersatzgeschäft unterwegs als die beiden Marktführer. Harald Jacksties, Leiter Marketing in der Firmengruppe, taxiert das aktuelle Verhältnis von Erstausrüstungsanteil zu Rädern für die Ersatzmärkte auf nahezu 2 zu 1, weiß aber auch, dass Zulieferer der Automobilindustrie Getriebene ihrer Großkunden sind und sich dieser Anteil eher mal hin zur Erstausrüstung denn zum Ersatzmarkt verschiebt.

Aktuell heißt der größte Erstausrüstungskunde (bezogen aufs Volumen) Audi, gefolgt von Volkswagen und Volvo. Beim Daimler mit den Marken Mercedes-Benz, Smart und AMG war man schon mal stärker vertreten. In diesem Falle war es die Insolvenz, die im Juli 2007 über die ATS-Gruppe hereinbrach, sodass sich die Gewichte in der Kundenstruktur verlagerten, aber das ist das alljährliche Spiel in der Erstausrüstung: Mal profitiert man vom Anlaufen eines neuen Modells, mal wird man vom Auslaufen eines anderen in Mitleidenschaft gezogen. Auf einer etwas längeren Zeitleiste gesehen, gleicht sich so etwas immer wieder aus. Insgesamt sieht sich die ATS-Gruppe beim OE-Kundenmix jedenfalls gut aufgestellt.

Auch wenn damit noch nicht die volle Auslastung in Sicht wäre, ist zum Beispiel dieser Tage die Erstausrüstung der „ATS Leichtmetallräder GmbH & Co. KG“ einer von zwei Profiteuren vom Ausscheiden eines Wettbewerbers: Norwegens Fundo musste Insolvenz anmelden, wodurch der schwedischen Automobilmarke Volvo ein bedeutender Lieferant abhanden gekommen ist. Diese Lücke konnte das Verkaufsteam um den verantwortlichen ATS-Erstausrüstungsdirektor Hans Pfahl mit den Kapazitäten der UniWheels-Unternehmensgruppe ausfüllen, zweiter Nutznießer ist übrigens die ebenfalls bei Volvo stark engagierte Borbet-Gruppe.

Solch ein zusätzlicher Auftrag ist ein Silberstreif am Horizont, ist Pfahl bewusst, dass dies noch nicht das Ende der automobilen Krise darstellt. Er ist seit 23 Jahren im Geschäft, hat in dieser Zeit so manches Auf und Ab der Branche wie des eigenen in Bad Dürkheim ansässigen Unternehmens erlebt und bleibt daher Realist.

Denn auch für die UniWheels-Gruppe sind die Zeiten hart: Ca. 1.800 Beschäftigte hatte man noch in 2008, Ende dieses Jahres dürften es noch etwa 1.500 bis 1.600 sein, vermeidet auch Jacksties alle Schönrederei. Die Unternehmensstruktur ist bereits gestrafft, die Verlagerungen auf den Hauptstandort Bad Dürkheim, die möglich waren, sind bereits erfolgt: Finanzchef, Personalchef, Leiter Controlling, die EDV-Mitarbeiter usw. – Sie haben alle ihre Büros in dem traditionsreichen Verwaltungsgebäude an der Bruchstraße bezogen und damit lange verwaiste Räumlichkeiten wieder mit Leben gefüllt. Was man sich vor der Übernahme durch UniWheels bei ATS fast nicht mehr vorstellen konnte, ist inzwischen Realität: Es wird bereits eng.

Dass bei Stellenstreichungen in einer Krise zuerst Mitarbeiter in der Produktion betroffen sind im Rahmen von Rationalisierungen, gilt natürlich auch bei diesem Unternehmen. Aber hier sind zusätzlich Doppelbesetzungen durch die Zusammenlegung von ATS- und UniWheels-Strukturen entstanden, die jeder Unternehmer vermeiden muss. Schließen sich neue Aufgabenverteilungen leider aus, so müssen eben die „berühmt-berüchtigten“ Synergien gezogen werden, hinter denen sich dann aber in der Realität nichts anderes als schmerzliche Entlassungen verbergen: Auch in der Verwaltung entfallen über die ganze Gruppe gesehen Stellen.

Die Zusammenlegung von einzelnen Unternehmensteilen ist manchmal ein kompliziertes Puzzle. In diesem Falle aber passen die einzelnen Puzzleteile recht gut zueinander. So sind die beiden polnischen Werke nur durch eine Straße voneinander getrennt, sodass sie sich gut werden ergänzen können. Die bereits zuvor zu UniWheels gehörende Produktionsstätte wird vorrangig auf die Fertigung von Rädern fürs Ersatzgeschäft ausgelegt, weil schon in Zeiten vor der ATS-Übernahme besonders auch auf kleinere Räderserien ausgelegt. Das neu hinzugekommene vormalige ATS-Werk wird primär den Erstausrüstungskunden zur Verfügung stehen, weil es einerseits auf die größeren Losgrößen ausgerichtet ist und andererseits von den Automobilherstellern längst auditiert und zertifiziert ist. Eine schlechte und eine gute Nachricht gingen für die Beschäftigten des Räderwerkes Werdohl in den letzten Wochen durch die Medien. Die schlechte: Während die Kapazitäten in den beiden polnischen Fabriken weitgehend unangetastet bleiben, werden in Werdohl künftig weniger Räder hergestellt. Die gute Nachricht: Neben den in den letzten Monaten erfolgten Investitionen in die Effizienz vor allem des ehemaligen ATS-Werkes in Stalowa Wola ist auch erfolgreich nach Möglichkeiten gefahndet worden, aus dem Werk Werdohl einen Hightech-Standort zu machen. Eine zweistellige Millioneninvestition in neue Lackiertechniken und Fertigungsverfahren für Werdohl ist bereits projektiert für die nächsten Jahre. Und mit einer Kapazität von um die 1,3 Millionen Einheiten jährlich wird Werdohl auch hinsichtlich Volumen ja nicht bis an eine Grenze geführt, in der die Überlebensfrage für das Werk gestellt werden müsste.

Einerseits sollen hier die „schwierigen“ und anspruchsvollen Räder künftig hergestellt werden und solche ab etwa 18 Zoll aufwärts, wo die deutsche Aluminiumräderindustrie vor allem gegenüber preisgünstigen Fernostanbietern noch einen erkennbaren Know-how-Vorsprung hat. Andererseits haben die Ingenieure von ATS und UniWheels hier erstmals ihre Kompetenz gebündelt einbringen können und eine völlig neue Technologie namens APR (Advanced Pressure Rolling) entwickelt, die – so sie denn das erhoffte und auch schon ein wenig erwartete Wohlwollen der Automobilhersteller findet – einen echten Entwicklungssprung verheißt. Immerhin hat bereits ein erster OEM für APR Entwicklungsaufträge erteilt.

Wer den Werdegang der ATS-Gruppe seit etwa den 80er Jahren verfolgt hat, der weiß, dass hier immer wieder versucht worden ist, technologische Akzente zu setzen. Da gab es Flops (erinnert sei beispielsweise an das Hochhornrad ATS plus), aber auch bis heute wirksame Entwicklungen wie das ursprünglich in Kooperation mit Porsche entwickelte zweiteilige und reibgeschweißte Hohlspeichenrad, das in der jüngsten Generation als einteiliges Hohlspeichenrad und als eigene ATS-Entwicklung noch heute in die Erstausrüstung geliefert wird. Ein völlig neues technologisches Highlight basierend auf der Hohlspeichenidee ist bereits in der Pipeline, aber für konkrete Angaben ist es Jacksties und Pfahl noch zu früh, nur dass weitere Gewichtseinsparungen und bislang nicht vorstellbare Designmöglichkeiten am Horizont erscheinen und bereits die Phantasie der Stylisten in der UniWheels-Gruppe und bei einigen OEMs entflammt haben, lässt er sich entlocken.

Mehr-Marken-Strategie mit Markenphilosophien

Neben der Vollständigkeit halber erwähnten weiteren Standorten auf Malta und Vertriebsgesellschaften in Moskau und im schweizerischen Luterbach spielt allein schon aus historischen Gründen der Standort Fußgönheim eine Rolle, an dem sich die Handelsmarke Rial so ausgezeichnet entwickelte, dass sie zur Keimzelle von UniWheels werden sollte und noch heute die volumenstärkste Marke der Gruppe ist. Nun ist die räumliche Nähe zwischen Fußgönheim und Bad Dürkheim zwar nicht so frappierend wie zwischen den beiden Räderwerken in Polen, aber es handelt sich nur um wenige Autominuten.

Also ist der Komplettradspezialist wheels24.com Trading bereits zur Unternehmenszentrale umgezogen und haben auch die Rial Leichtmetallfelgen GmbH und die Alutec Leichtmetallfelgen GmbH verwaltungstechnische Aufgaben in die Weinstadt Bad Dürkheim abgegeben. An eine Aufgabe deren beider Standorte in Fußgönheim ist jedenfalls mittelfristig aus den verschiedensten Gründen nicht gedacht. Denn einerseits ist auch der Platz am alten ATS-Stammwerk in Bad Dürkheim limitiert und andererseits sind gerade erst im letzten Jahr Investitionen in die Leistungsfähigkeit der Logistik in Fußgönheim geflossen. Die schnelle Lieferfähigkeit aus den Rial- und Alutec-Lägern gilt im deutschen Felgenersatzmarkt als eine Stärke der beiden Marken.

Deren Vertriebsverantwortliche Gerhard Ackermann (Rial) und Simone Maier-Paselk (Alutec) sind es gewohnt, sich auch im firmeninternen Wettbewerb miteinander zu behaupten, sie haben aber jetzt in der eigenen Gruppe einen weiteren Mitspieler in Form der von Erwin Eigel geführten Marke ATS erhalten. Die hat zwar wie auch Rial Formel-1-Gene, wurde aber zur alleinigen „Motorsportmarke“ der Gruppe erkoren. Überall, wo in der Vergangenheit Motorsport in Zusammenhang mit Rial betrieben wurde, ist bereits auf ATS umgepolt worden.

ATS ist die Premiummarke im UniWheels-Markenstrauß, abzulesen ist das auch an den exklusiven Neudesigns, mit denen das Frühjahrsgeschäft 2009 bestritten wird: Superlight, X-treme und Victory. Der Slogan für ATS lautet „German high-tech wheels“. Ob geschmiedet, aus Magnesium, als Verbundrad – immer wenn es um eine besondere Technologie geht, soll sie in Zusammenhang mit ATS gebracht werden. Das wäre dann geradezu eine „Wiedergeburt“ der Marke mit 40 Jahre Tradition, deren Ruhm in den letzten zwei Jahrzehnten arg eingestaubt war. Im Übrigen wird ATS auf die eigene Winterreifenschiene namens „exclusive line“ verzichten müssen. Was im Frühjahrsgeschäft Premium sein soll, muss bei Winterrädern konsequenterweise ebenfalls Premium sein. Dass sich die Marke ATS damit vom Massenmarkt endgültig verabschiedet, erscheint also gewollt.

Mit der Aufgabe des Motorsportengagements zugunsten von ATS hat Rial ein Marketingtool verloren. Aber beide Marken in fast deckungsgleichen Segmenten gegeneinander antreten zu lassen, das hätte unwillkürlich zu Kannibalismus geführt. Im Übrigen ist die Markendifferenzierung einschließlich separater Vertriebswege in den letzten Jahren derart konsequent praktiziert worden, dass sich gewissermaßen eine „Rial“-Kultur und eine „Alutec“-Kultur herausgebildet haben. Rial steht für „Tradition“, „Prestige“, untadelige Qualität. Die Zielgruppe mag ein wenig konservativ sein, sie ist aber auf jeden Fall anspruchsvoll. Harald Jacksties als Marketingverantwortlicher weiß, dass Positionierungen wie „Mainstream“ eher unscharf sein mögen, aber damit spricht Rial gewiss eine größere Zielgruppe an als ATS. Mit den nicht polarisierenden, aber mit edler Anmutung ausgerüsteten Neudesigns Trenta, Lugano und Milano geht Rial produktseitig gut aufgestellt ins Jahr.

Die dritte Marke im Verbund heißt Alutec, ist modern bis modernistisch, will trendy sein, cool wirken. Der Slogan „style and more …“ ist Programm. Automobile Leidenschaft soll durch das Räderprogramm befriedigt werden, die Tuningklientel ist damit schon eine natürliche Zielgruppe. Ein Neudesign „Shark“ hat nicht den Anspruch, nun unbedingt jedem Gusto gerecht zu werden. Alutec will polarisieren, vielleicht auch provozieren.

Während für die genannten drei Marken auch Marketingaktivitäten und Werbebudgets vorgesehen sind, wird beim vierten „Namen“ im Markenstrauß eher geknausert. Anzio hat nicht den Anspruch, eine explizit nachgefragte Marke zu werden, sie befriedigt aber eine nun mal vorhandene Klientel: Anzio ist die Budgetmarke in der Gruppe. Zwar halten sich die Investitionen in Anzio in überschaubaren Grenzen, einen hauseigenen Slogan leistet man sich mit „Italian Style“ immerhin. Das Budgetprodukt hat aber auch eine gewichtige Funktion, denn Anzio-Räder werden primär auf den Kompletträdern von wheels24.com montiert. Nebeneffekt: Damit muss sich kein Räder der UniWheels vermarktender Reifenhändler durch das Komplettradgeschäft von wheels24.com düpiert fühlen. Dass das Neudesign „Racer“ bereits kurz nach Einführung „wie geschnitten Brot“ läuft, kann auch bei einem Rad von der Billigschiene ja nicht schaden.

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