„Alternder Despot“ contra „Listige Witwe“ – Rätselhafte Gratwanderungen des Dr. Hubertus von Grünberg

Die Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten sind auch an Conti/Schaeffler nicht spurlos vorübergegangen, doch sind alle Nöte und Qualen darauf nicht abzuwälzen. Die Rezession und damit die Gefahr eines radikalen Abschwungs der Automobilindustrie drohte bereits in einer für Continental anfälligen Phase. War es Wagemut des Conti-Managements, sich in zweistelliger Milliardenhöhe zu verschulden, oder Übermut, gar Selbstüberschätzung? War die Versuchung, aus dem als langweilig geltenden Gummiwarenkonzern einen weltweit führenden innovativen Automobilzulieferer machen zu wollen, zu groß? Dass der Continental-Konzern drauf und dran ist, nicht allein seine Selbstständigkeit zu verlieren, sondern Gefahr läuft, zerschlagen zu werden, beweist, dass die Strategie wie eine Seifenblase platzte, denn ob und wie weit die Einschätzungen des Managements von Realismus geprägt waren, zeigt sich stets im Angesicht der Realität. Erhalten Erklärungen wie unvorhersehbare Finanzkrise, Rezession, verwerfliche oder gar ungesetzliche Anschleichtaktiken den Glauben an die Unfehlbarkeit eines Spitzenmanagements? Also: Alles die Schuld des Marktes!? Oder waren die Herren einfach naiv genug zu glauben, ein hoher Schuldenberg stünde dem Versuch einer feindlichen Übernahme im Wege? Schon vor 22 Jahren glaubte Goodyear-Boss Mercer sich eine Diversifikations- und Expansionsstrategie leisten zu können, weil Goodyear zu groß für feindliche Übernahmeversuche sei. Mit „einem Gorilla“ würde niemand einen Ringkampf beginnen wollen. Von den Folgen dieses Fehlers hat sich The Goodyear Tire & Rubber Co. bis heute nicht völlig erholt. Die da noch mit weitem Abstand # 1 des weltweiten Reifenmarktes liegt heute bezogen auf Größe weit hinter Bridgestone und Michelin zurück und bezogen auf Bilanzstrukturen ist der Abstand noch weit hoffnungsloser.

In den zur Übernahmeschlacht verkommenen Vorgängen um Continental/Schaeffler zitiert inzwischen ein Journalist den anderen, fast alle beziehen sich mehr oder weniger stark auf so bezeichnete „Informationen aus dem Umfeld von …“, man hört Reden wie Gegenreden, Provokationen aus Richtung Hannover und harte Repliken aus Herzogenaurach. Ist es „nur“ eine Schlacht oder eine Posse obendrein, in welcher Wirtschaftskoryphäen nach Befriedigung von Eitelkeiten streben und Gefahr laufen, sich in einem Schmierenstück wiederzufinden? Ist Hubertus von Grünberg nun der pflichtbewusste und stur preußischen Tugenden ergebene Adelsmann oder, so fragt die Süddeutsche Zeitung, ein gnadenlos um Machterhaltung kämpfender „alternder Despot“, dazu auf der Verliererstraße? Und was macht eine bis dahin vielfach mit höchsten Orden ausgezeichnete Vorzeigeunternehmerin zur „listigen Witwe“? Mit Schmähungen wurde in Hannover der Anfang gemacht, als Manfred Wennemer die Contenance verlor und Schaeffler bescheinigte, „selbstherrlich, egoistisch, rechtswidrig und dazu ohne industrielle Logik“ vorzugehen. Das war die Vorstufe zur Eskalation, der Boden für verbrannte Erde war bereitet.

Die Conti-Strategie

Der Continental-Konzern ist mit seiner unter von Grünberg begonnenen und unter Wennemers Führung weiter verfolgten Strategie gescheitert und hat sich förmlich zu Tode gesiegt, „die Gummibude“ hat ein Jahrzehnt verloren und steht wieder am Anfang. Dass konzernintern selbst von Führungspersönlichkeiten Zweifel zerstreut werden sollen, man sei keinesfalls „back to square one“, lässt tief blicken. Auf Deutsch oder Niedersächsisch kommt damit zum Ausdruck, man sei keinesfalls dorthin zurückgeworfen, wo man vor einem Jahrzehnt stand, als mit der Übernahme des Bremsenherstellers Teves eine neue Zeitrechnung beginnen sollte. So wie es aussieht, kann man die Continental-Strategie mit Schmackes in die Tonne treten. Es gibt keinen unabhängigen Automotive Supplier Continental mehr. Allein das Überleben der „Gummibude“ (so genannt vom Physiker Dr. Hubertus von Grünberg) scheint möglich. Unklar bleibt, wer Herr im Haus werden wird. Schaeffler ist für den Bereich Reifen/Gummi vermutlich nicht mehr als eine Durchgangsstation.

Erfolgreiche Reifenhersteller produzieren bestmögliche Reifen, sind führend in F&E und Entwicklungspartner der Automobilindustrie, bringen neue Produkte und Dimensionen als erste Anbieter in den Markt, um so lange den Rahm abschöpfen zu können, bis „Follower“ gleichziehen und die Preise allmählich verfallen. Große Märkte, Kern- bzw. Schlüsselmärkte, werden möglichst mit „Inlandsproduktion“ abgedeckt, Fabriken durch Automatisierung und Rationalisierung wettbewerbsfähig gehalten. Zur Sicherung einer guten Verankerung im Handel wird auch schon mal vertikale Konzentration betrieben, also Auf- und Ausbau einer eigenen Handelskette und/oder Franchiseorganisationen. Last, but not least wollen/sollen/müssen Reifenhersteller in allen Absatzkanälen der Ersatzmärkte vertreten sein, beim unabhängigen Fachhandel, beim Großhandel, im Autohaus und selbstredend auch bei allen Mass Merchandisern, sofern diese sich mit Reifenvermarktung beschäftigen. Anders als Automobilzulieferer setzen Reifenhersteller auf ihre starke Marke. Um Marktanteile zu sichern. Um Marktpotenziale auszuschöpfen, wurden irgendwann Mehr-Marken-Strategien entwickelt und mit wichtigen Beschreibungen versehen in den Märkten eingeführt. Was als Mehr-Marken-Strategie glorifiziert wird, ist – das sieht man heutzutage genauer als je zuvor – nichts anderes als dass um eine wirkliche Reifenmarke herum zweitrangige Marken ohne Image und ohne sonstige Inhalte billig platziert werden. Damit wird „Überschussproduktion“ in den Markt gedrückt. Zu auskömmlichen und nicht auskömmlichen Preisen.

Spektakulär und kompliziert ist das bis hierhin nicht. Nachdem Größe („Skaleneffekte“) zum Maß aller Dinge von zu vielen Managern hochgejubelt wurde, war der Weg für immer neue, sinnvolle und sinnlose Übernahmen frei. Immer aber schmeichelte es dem Ego von Führungspersonen.

Erster Teil der Conti-Strategie

Bei Amtsantritt sah für Dr. Hubertus von Grünberg die Continental-Welt wie folgt aus: Nummer 4 des weltweiten Reifenmarktes, Überholen ausgeschlossen, zu weit entfernt waren die „Großen Drei“ (Bridgestone/Michelin/Goodyear). Präziser noch: Die „Zweiten Drei“ (Continental/Pirelli/Sumitomo Rubber Industries bzw. „Dunlop“) brachten nicht einmal zusammen so viel Umsatz zusammen wie jeder der „Ersten Drei“. Während des Hantierens mit dem Angstbegriff „Skaleneffekte“ und damit verbunden einer angeblich verschwindenden Wettbewerbsfähigkeit zeigte sich der Naturwissenschaftler von Grünberg schon seines Schlafs beraubt. Aus Continental sollte längerfristig ein als unverzichtbar geltender Modul- bzw. Systemanbieter werden. Das begann mit kleiner Münze. Der Reifenhersteller baute Montagestationen auf, um Kompletträder in die Erstausrüstung liefern zu können. Da passte nett ins Bild, dass sich die von ihrem Vorstandsvorsitzenden von Grünberg stark gestützte Generalbevollmächtigte Dr. Haussmann mit einer grandiosen Erfindung verewigen wollte: MMP! Modular Manufacturing Process. Seltener ist heiße Luft der Öffentlichkeit schöner verkauft worden. Auf dem Weg zum Systemanbieter wollte von Grünberg dazu intensiv mit deutschen Universitäten zusammenarbeiten und auf interne Entwicklung setzen; Akquisitionen waren nicht vorgesehen. Auf diesem gut geplanten Weg hätte es zehn bis 20 Jahre gedauert, bis sich Umsätze und Erträge nennenswert bemerkbar gemacht haben könnten. Als sich 1999 die Muttergesellschaft ITT vom Bremsenhersteller Teves trennen wollte, griff von Grünberg, als vormaliger Teves-Chef, zu und blätterte – aus damaliger Sicht – ein Vermögen auf den Tisch, das den Konzern durchaus in eine hohe (nicht zu hohe) Verschuldung trieb und ihn strapazierte. Aber ein strategisches Ziel war erreicht worden. Zur Ergänzung: Continental war nun nicht mehr nur eine „Gummibude“, sondern nach eigener Wahrnehmung zu einem Rad-Reifen-Spezialisten herangereift. Wenige Wochen später trat von Grünberg aus nicht näher genannten privaten Gründen als Vorstandsvorsitzender zurück, allerdings nur um Dr. Ulrich Weiss als Aufsichtsratsvorsitzenden beerben zu können. Von Grünberg-Nachfolger Dr. Stephan Kessel musste nach weniger als zwei Jahren im Amt gehen und Manfred Wennemer Platz machen, dessen Bereich ContiTech eigentlich verkauft werden sollte, was nur in Ermangelung eines Käufers scheiterte.

Die Story „Continental Reifen und Bremsen“ musste nun öffentlichkeitswirksam vermarktet werden. Angeblich ergibt sich ein technischer Vorteil daraus, dass Reifen- und Bremsenspezialisten eng zusammenarbeiten konnten. Im Leben kann Glaube allein schon mal Berge versetzen, so auch hier. Dass Continental-Reifen herausragende Eigenschaften beim Bremsen zeigen, hat wenig mit der Bremsenschwester im Konzern zu tun und viel damit, dass die Entwickler den Fokus auf kurzen Bremsweg gesetzt haben zu Lasten anderer Eigenschaften. So stehen Michelin-Reifen für Langlebigkeit und Rollwiderstandsoptimierung und sind darin – messbar – deutlich besser als Continental-Reifen. Deren Bremsergebnisse erreichen sie jedoch nicht. Damit ist nichts dazu gesagt, ob nun Michelin- oder Continental-Reifen die besseren sind. Die erreichten Bremswerte können prinzipiell von jedem anderen guten Reifenhersteller erreicht werden, dazu muss man keinen Bremsenhersteller sein Eigen nennen. Ob dann das Produkt in der Summe seiner Eigenschaften die derzeitige Conti-Qualität erreicht, gilt es hier nicht zu beurteilen. An der Qualität von Continental-Reifen ist nicht das Geringste auszusetzen.

Zweiter Teil der Conti-Strategie

Der Teves-Bereich allein versprach schon wegen der Produkte ABS und ESP für die Zukunft hohe Zuwachsraten, zudem hatte der Reifenhersteller noch viele weiße Flecken auf der Weltkarte zu füllen. Wachstum war damit vorgegeben. Nun ging es darum, den Konzernbereich ContiTech, der in die Strategie nicht mehr passte, zu versilbern. Weil sich kein Käufer mit akzeptablem Angebot fand, wurde die Strategie passend gemacht, ContiTech von der Verkaufsliste genommen.

Das war nicht alles. Sobald Continental finanziell wieder Luft hatte, akquirierten Wennemer & von Grünberg links und rechts, was die Continental AG zu einem Automotive Supplier machen sollte. Antreiber waren nicht länger Lopez-Vorstellungen; vielmehr wollten Analysten plausible Wachstumsstories hören und der Conti-Konzern hatte sich dem Wachstum verschrieben und der Rendite. Offiziell geht es im Konzern um Stakeholder Value, aber es ist fair, Wennemer als Persönlichkeit zu beschreiben, der Shareholder Value am Herzen liegt, wobei er in der Wahl seiner Mittel alles andere als zimperlich war, wie Begriffe wie „Wennemer-Kapitalismus“ zeigen. Und dass Gewerkschaftsführer ihn kaum besser als sogenannte „Heuschrecken“ schätzten, geht in dieselbe Richtung. Nein, es ist wirklich nicht unfair, ihn als Gewinn für die Aktionäre aus aller Welt zu sehen, die ein- und aussteigen, sobald es sich lohnt, denen das Unternehmen dessen Aktien sie besitzen vorher gleichgültig war und nachher gleichgültig sein wird zu beschreiben, während die restlichen Stakeholder unter ferner liefen rangierten.

Auch für das Gemeinwesen war Wennemer nicht der große Bringer. Mit aller Konsequenz hat er Produktion in Billiglohnländer verlagert. Unter von Grünberg wurde die Belegschaft noch trickreich beruhigt. Eigentlich gehe es gar nicht um Verlagerung, sondern um Ausbau. Lediglich weniger anspruchsvolle Produkte sollten in Billiglohnländern hergestellt werden mit dem erklärten Ziel, damit gerade die Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten. Wennemer war in dieser Hinsicht sehr viel klarer und rigoroser. Unter Verweis auf die Eigentümer aus aller Welt sah er die Deutschen und die deutschen Produktionsstätten nicht länger in einer Sonderrolle. Vergessen, dass sich gerade dieser Konzern jeden noch so kleinen Ausflug außerhalb deutscher Grenzen überhaupt leisten konnte, weil in Deutschland das Geld dafür verdient worden war und immer noch verdient wird. Ohne die im Inland erwirtschafteten Erträge ist der Global Player Continental ein Nichts, ein Garnichts. Und: Hochwertige und damit sehr profitable Erzeugnisse lassen sich in Billiglohnländern nur in limitierten Kleinmengen an die Frau und an den Mann bringen. Gedanken dieser Art können Manfred Wennemer nicht getrieben haben. Der Rotstift blieb stets gespitzt, alles was der Gewinnmaximierung im Wege stand, wurde eliminiert. Wenig Spielraum für andere Gedanken. Soziale Marktwirtschaft? Gefühlsduselei von Träumern ohne wirtschaftliche Kenntnisse! Noch nichts gehört von Globalisierung und Globalisierungsdruck? Da klang es aus seinem Mund schon besserwisserisch-arrogant, wenn er Manager anderer DAX-Konzerne öffentlich bloßstellte mit Bemerkungen, der Rückkauf eigener Aktien sei nun – sinngemäß – das allerletzte, wenn einem gar keine gute Idee mehr verblieben sei, dann mache man halt so etwas. Aktionäre sollten sich mit Wertsteigerung und nicht mit Dividenden bescheiden. Doch die manchmal noch äußerst lebensunerfahrenen Analysten heben und senken den Daumen nach nicht vorhersehbaren Bewertungsmaßstäben. Sie empfehlen heute zum Kauf für 110 Euro (im Hinblick auf das angebliche Potenzial) und genieren sich nicht, die Aktie zwei Monate später auf 60 Euro zu setzen. Es war zwar immer noch derselbe Konzern, doch ein Mitglied des Aufsichtsrates soll irgendetwas schwadroniert haben, das hat anscheinend schon mal einen heftigen Rutsch ausgelöst. Wie clever, intelligent, gebildet und erfahren, zu schweigen gar von lebenserfahren „die Finanzwelt“ tatsächlich ist, offenbart das, was nun als „Finanzkrise“ beschrieben vor uns liegt.

Im Bestreben, einen großen Automotive Supplier zu bilden, ordnete Wennemer auch im Reifenbereich alles der Rendite unter. Eine Desavouierung des Reifenbereichs gelang ihm mit dem Verkauf des Geschäftsbereichs Landwirtschaftsreifen an die tschechische CGS. Da lief die Produktion endlich voll und ganz im von Wennemer so heiß geliebten Billiglohnland Tschechien, doch die Aussichten waren ihm nicht attraktiv genug. Provoziert wurde auch immer wieder der Geschäftsbereich Nutzfahrzeugreifen unter Hinweis auf zu niedrige EBIT-Margen, selbst wenn diese um die zehn Prozent herum lagen. Wennemer galt Analysten als „Mann, der auch liefert“. Und da geht es um das „volle Programm“. Belegschaftsabbau, Werksschließungen! Gingen Belegschaften nicht auf seine Forderungen ein, wurde im Zweifel die Sense herausgeholt. Arbeitnehmervertreter klagten oft darüber, mit Wennemer nicht verhandeln zu können, sondern Kommandos befolgen zu müssen. Deshalb haben ihm diese Stakeholder auch „keine Träne nachgeweint“, so Mitglieder der Arbeitnehmerseite des Aufsichtsrates.

Die Möglichkeit zum Todesstoß schufen Wennemer und von Grünberg durch ihre Entscheidung, den Geschäftsbereich VDO von Siemens zu kaufen, nach Meinung im Grunde aller Fachleute zu einem völlig überteuerten Preis. Damit hatte der Konzern einen zweistelligen Milliardenbetrag Schulden angehäuft. Auf längere Zeit konnten die Analysten nicht mehr mit schönen Wachstumsgeschichten rechnen. Die Phantasie war aus der Geschichte heraus.

Mit dem Niedergang des Conti-Aktienkurses öffnete sich die Tür für Schaeffler sperrangelweit. Was Wennemer mit der VDO-Akquisition erreichen wollte, nämlich die Sicherung der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit des Automobilzulieferers Continental, verkehrte sich ins Gegenteil und entpuppte sich als sein allergrößter Fehler. Lieber groß akquirieren und dann mit Härte sanieren, d.h. Kosten reduzieren, Belegschaftsabbau. Das bringt einen Konzern schneller voran, stellt die großen Unternehmensführer ins Rampenlicht; sofern es denn klappt! Sonst bringt es ihn um. Ganz nebenbei entstand ein Konzern mit (zu) großer Abhängigkeit von der Automobilindustrie. Von seinem Minimalziel, mindestens 40 Prozent der Umsätze nicht mit Erstausrüstern zu generieren, war der Konzern weit entfernt und damit auch von einem möglichst stabilen Fundament. Dabei hatte es zuvor Alternativen gegeben. Spatzen pfeifen es von den Conti-Dächern, dass ernsthaft zur Debatte stand, einen Übernahmeversuch des Reifenherstellers Goodyear zu wagen. Doch Manfred Wennemer war dagegen.

Erste Zusammenfassung:

Zweifelsohne waren von Grünberg und anschließend Wennemer sehr erfolgreich. Jedenfalls aus Sicht der Aktionäre und nur derer, die sich dann auch rechtzeitig aus dem Staub gemacht haben. „Gewinne mitnehmen“ heißt das Spiel. Von diesem Erfolg profitierten die Belegschaften nicht, diese machten Bekanntschaft mit den Strapazen der Wachstumsstrategie, denn finanzielle Restrukturierungen gab es eigentlich permanent. Kaum war etwas abgeschlossen, verlangte Wennemer weitere Bescheidungen. Er selbst wurde von seinen Öffentlichkeitsarbeitern als der große bescheidene Führer gezeichnet. Das ist allerdings vor dem Hintergrund eines jährlichen Einkommens von bis zu vier Millionen Euro und Pensionsansprüchen von knapp einer Million Euro jährlich keine große Kunst. Ein Bescheidenheitstanz auf solchem Hochseil macht sich gut fürs Ego, das man angeblich nicht hat und dennoch streicheln muss.

Niemand verkündet inzwischen lauter, Schaeffler brauche dringend Geld, als die Conti-Gremien Vorstand und Aufsichtsrat. Den Herren ist klar, dass Schaeffler sich von „der Gummibude“ trennen wird, sofern es einen Käufer mit halbwegs fairem Preisangebot gibt. Da passt ins Bild, dass der Conti-Konzern schön „schlachtreif“ mit seinen Business Units aufgestellt ist, die bald (vielleicht im Jahr 2009 oder vielleicht auch erst 2012) zur Filiale innerhalb der Schaeffler-Gruppe herabsinken werden.

Mit dem Eintritt des neuen Großaktionärs gilt: Die Entscheidungen werden so oder so in Herzogenaurach getroffen und wenn es wirklich zur Abspaltung „der Gummibude“ kommt, dann sind wir „back to square one“. Also dort, wo man vor zehn Jahren schon war. Klar, es hat hier und dort Verbesserungen gegeben. Man muss alles daran messen, was die heute so bezeichnete Rubber Group finanziert hat, sehen, wohin die Erträge gegangen sind, die der Geschäftsbereich Reifen erwirtschaftet hat und wo man sein könnte, hätte man sich auf das, was man versteht, beschränkt. Das US-Problem mit General Tire ist nicht gelöst. Zwar hat es auch mal nach vielen Jahren ein ausgeglichenes Ergebnis gegeben oder gar einen Gewinn, aber strukturell ist nichts geschehen, weil der Konzern seit 20 Jahren keinen Mut aufgebracht hat, die Dinge in den USA im Vorwärtsgang wirklich auf den Weg zu bringen. Investieren in USA? Nicht doch, solange der CAS-Bereich dringend Geld braucht und einen besseren Return zu bieten hat.

Verheerende Aussichten nun auch für Continental? Das muss nicht sein. Für „die Gummibude“ kann es durchaus auch ein gutes Leben nach von Grünberg und Wennemer geben. Mit einem Umsatz von immerhin zehn Milliarden Euro steht mit der Rubber Group ein Unternehmen parat, das im Wettbewerb sehr gut bestehen kann. Man kann sich aber bereits darauf freuen, was die Führungsleute sagen werden, wenn die Rubber Group wieder alleine steht. Dann war die angeblich großartige und so wirkungsvolle Verknüpfung mit dem Contibereich CAS zwar ganz nett, aber immer doch sehr überschätzt gewesen. Und Verkauf des Nutzfahrzeugreifenbereichs? War ja nie so gemeint, oder? Man wird lernen, dass eine Strategie immer eine wortreiche Geschichte ist und Schwerpunkte gesetzt werden auf der Grundlage dessen, was man in der Hand hat und wer am Ruder sitzt. Da werden Schwächen zu Stärken und Stärken zur unschlagbaren Überlegenheit. Es hilft immer der Glaube an die eigenen Worte.

Wie wird die Übernahme enden?

Das Spiel ist erst mit dem Abpfiff beendet. Kann Schaeffler die Finanzierung sicherstellen, kann Schaeffler pünktlich die Milliarden so zurückzahlen wie es mit den Banken vereinbart ist? Sind die Conti-Vorstände noch die Herren der Aktiengesellschaft oder werden sie Schaeffler-Marionetten. Es kommt wohl darauf an, welche Seite sich durchsetzt, ob Obstruktion betrieben werden kann, ob auf Zeit gespielt wird oder Schaeffler noch so stark ist, alles im „Dampfwalzenverfahren“ regeln zu können. Schaeffler kann es sich partout nicht leisten, mehr Zeit zu verlieren als unbedingt nötig.

Die Hauptdarsteller: Maria-Elisabeth Schaeffler und Hubertus von Grünberg

2001 wurde der damals 60-jährigen Frau Schaeffler das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland verliehen, für – so der Stiftungserlass – „Leistungen, die im Bereich der politischen, der wirtschaftlich-sozialen und der geistigen Arbeit dem Wiederaufbau des Vaterlandes dienten. Das Verdienstkreuz soll eine Auszeichnung all derer bedeuten, deren Wirken zum friedlichen Aufstieg der Bundesrepublik Deutschland beiträgt.“ 2003 folgte die Verleihung des Bayerischen Verdienstordens, 2007 die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes I. Klasse der Bundesrepublik Deutschland. Die Aufzählung könnte fortgeführt werden. Selbstherrlich, egoistisch und rechtswidrig handelnde Geschöpfe werden seitens des Staates nicht so ausgezeichnet, listige Witwen wohl auch nicht. Dass Frau Schaeffler ein Medizinstudium nach einigen Jahren abbrach, auch ein später begonnenes BWL-Studium nicht abschloss, sie Hundeliebhaberin ist und den kleinsten der drei Fiffis gerne auf dem Arm hält, ist vielen Beobachtern auch Erwähnung wert. An ihrer Seite weiß Maria-Elisabeth Schaeffler CEO Dr. Jürgen Geißinger. Dieser wird als nicht zimperlich und durchsetzungsstark beschrieben, auch als machtbewusst. Furcht scheint ihm fremd zu sein. Was er anfasste, führte er schnell zu einem guten Ende. Bisher. Dass die Schaeffler-Seite den Ton angibt und bestimmen will was zu tun und zu lassen ist, hat Geißinger ohne den geringsten Zweifel klar gemacht. Er scharrt nicht mit den Hufen, sondern erhebt, was aus seiner Sicht die natürlichste Sache überhaupt ist, den Führungsanspruch. Nach allen Provokationen und Störfeuern aus Hannover, so seine Wahrnehmung, wird er gar nicht erst versuchen zerbrochenes Porzellan zu kitten, sondern es bei erster sich bietender Gelegenheit ausfegen.

Auf der Gegenseite Dr. Hubertus von Grünberg. Als „preußischer Renditejäger“ apostrophiert in einem Artikel der Financial Times Deutschland und bewundert. Die Journalistin muss an seinen Lippen gehangen haben. Für von Grünberg müsse alles groß und schwierig sein, für das Physikstudium habe er sich wegen der hohen Durchfallquote interessiert und promoviert habe er über Einsteins Relativitätstheorie. Unmögliches gebe es bei ihm nicht und für den Physiknobelpreis eingereichte Arbeiten konsumiere er im Urlaub als Spaßlektüre. Ich habe schon einmal in einem anderen Beitrag ketzerisch festgehalten, dass dank solcher Überhöhung jeder andere nur halbwegs gescheite Zeitgenosse dann wie ein alter Opa erscheinen muss, der dem Enkel bestenfalls etwas von Petrosilius Wackelzahn vorlesen kann. Folgt man der Dame der FTD, so kann man sich die Frage schwer verkneifen, ob Hubertus von Grünberg physiknobelpreisverdächtige Arbeiten „nur“ liest, sondern en passant zur Steigerung der Urlaubsfreuden auch noch korrigiert. Erst hat der so beschriebene intellektuelle Überflieger Maria-Elisabeth Schaeffler (die zweifache Studienabbrecherin) beraten, dann war er, der Einser-Physiker mit einer – können wir als selbstverständlich unterstellen – Summa cum laude-Promotionsleistung, für den Schaeffler-Deal, nur um alsbald, so denn die Presseberichte auch zutreffend sind, gegen Schaeffler zu arbeiten. Welche Gründe könnte es dafür geben?

Von Grünberg als preußischen Renditejäger zu bezeichnen, trifft es wohl ziemlich. Wenn Rendite das Denken beherrscht, ist der Boden für Shareholder günstiger als für die restlichen Stakeholder. Man muss von Grünberg nicht ein halbes Jahrhundert kennen, um zu wissen, dass er „wahnsinnig schnell im Kopf, trickreich und knallhart ist und immer der Rendite nachjagt“ – wie es die FTD beschreibt. Er ist durchaus ein Mann mit Emotionen, kann sich sogar solchermaßen in einen Rausch hineinreden, dass ihm zum Schluss sekundenlang die Stimme versagt und er darum ringen muss, nicht in Tränen auszubrechen. Zuletzt so geschehen in seiner Stellungnahme zum Rücktritt Wennemers. War das echt oder geschauspielert? Da sind die Meinungen geteilt. Und zwar nicht nur unter Journalisten, sondern auch im Conti-Konzern, selbst in seinem engeren Kreis. Konzentrieren wir uns somit auf das, was wir zu wissen glauben: Der Mann wirkt unterkühlt, hat Schwierigkeiten klar zu zeigen, ob er Menschen mag, liebt keinen Widerspruch. Wer Widerspruch zudem im Beisein anderer Zeitgenossen wagt, ist erledigt, denn das versteht der Doktor der Physik als Sägen an seinem Stuhl. Pardon ist da unter keinen Umständen angesagt. Und Widerspruch im Vier-Augen-Gespräch? Der eine und andere Zeitgenosse berühmt sich zwar einer solchen Tat, lief auch entsprechend polternd über die Flure der Vorstandsetage und könnte dennoch im Angesicht des großen Meisters schlagartig überwältigt sprachlos geworden sein. Was sich dann wirklich hinter verschlossener Tür tat, wer weiß es denn. Von Grünberg hat selbst gesagt, so jedenfalls zitierte ihn ein Wirtschaftsmagazin, nach seiner intellektuellen Auseinandersetzung mit der Einsteinschen Relativitätstheorie vor nichts mehr Angst gehabt zu haben. Wenn das Zitat richtig ist, kann man nur Verständnis für alle Zögerer in seinem Umfeld haben. Wer so von sich überzeugt ist, zweifelt oder verzweifelt an seinem Umfeld, niemals an sich und der eigenen Meinung.

Offenkundig hat Dr. Hubertus von Grünberg ein Imageproblem. Er würde sich wohl lieber als Mitglied der Adelsfamilien sehen, die sich nach wie vor als vorbildliche Zusammenhalter Deutschlands und dessen natürliche Führer verstehen. Wenn sie hart und ungerecht agieren, sie wollen es angeblich ja gar nicht, aber sie müssen es angeblich immer, dann aber nur, weil sie die ihnen auferlegte und mit der Muttermilch eingegebene Disziplin dazu nötigt. Eitelkeit oder gar Gier soll ihnen fremd sein. Handeln mit brutaler Wirkung erfolgt nur, um das Ganze zu retten. Es mag wehtun (zur Erinnerung: Abschiedsrede auf Manfred Wennemer, den er darin nur deshalb nicht ein zweites Mal als besten Manager der Autobranche bezeichne, weil er Großkunden des Zulieferers nicht verärgern wolle), ist aber eben unvermeidlich. Möglicherweise tut er sich gar selbst leid in solchen Momenten und rechtfertigt dennoch alles mit der von einer Führungselite erwarteten Disziplin. So oder so ähnlich wird sich Herr Dr. Hubertus von Grünberg selber sehen und er hat in der Vergangenheit viel versucht, ein solches Bild in der Öffentlichkeit überzeugend abzugeben.

Die öffentliche Wahrnehmung ist anders. In der Schweiz hat er bei ABB sehr zum Unwillen und Unbehagen größter Teile der Öffentlichkeit nach relativ kurzer Zeit einen der angesehensten Spitzenmanager ruckzuck aus dem Sattel geworfen. In seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender ist er noch jeden Vorstandskollegen mit Hilfe seines Mentors Dr. Ulrich Weiss losgeworden. Neben anderen Vorstandskollegen und sonstigen Führungspersönlichkeiten hat er seinen direkten Nachfolger Kessel wieder aus dem Sessel geworfen und nunmehr auch Manfred Wennemer, Renditejäger wie er selbst, einen Verbleib im Amt unmöglich gemacht. Schwer lastet auf ihm, dass ausgerechnet die von ihm beratene Private Equity-Gesellschaft General Capital Group (GCG) einen Angriff auf die Continental AG wagen wollte, durch den großen Anstieg des Aktienkurses dann aber verzichten musste. Zwar trennten sich von Grünbergs und GCGs Wege daraufhin, doch ein schaler Nachgeschmack ist geblieben, schließlich holt man sich keinen Spitzenmann für ein paar Jahresstunden Beratung für immerhin (so wurde unwidersprochen kolportiert) eine halbe Million Euro an Bord, um etwas über Effizienzsteigerung von Currywurst-Buden zu lernen. Und auch die Kontaktaufnahme mit Schaeffler geht durchaus auf von Grünbergs Initiative zurück. Dass die Dame dann statt zweier Finger bald darauf gleich beide Hände wollte, erzürnte Manfred Wennemer maßlos, der sich wohl auch desavouiert gefühlt haben mag durch von Grünbergs weiteres Taktieren. So wollte von Grünberg mitten im Geschehen seinen Nach-Nachfolger ausbooten und selbst die Verhandlungsführung mit Schaefflers Führungsspitze übernehmen; das will jedenfalls die FTD in Erfahrung gebracht haben. Eines aber sollte man im Blick auf von Grünberg nicht übersehen: Der Mann tritt in aller Bescheidenheit auf, verlangt aber, und da ist er maßlos, grundsätzlich die ganze Macht und ist für nichts bereit, diese mit einem anderen zu teilen, und schon mal gar nicht mit einem Kollegen im Vorstand. Er hat bei Continental stets wie ein amerikanischer CEO agiert, dessen Wort Evangelium ist, der bestimmt, und zwar allein bestimmt, was Sache ist. Wer sich ihm mit einer anderen Meinung in den Weg stellt, ist erledigt, wird erledigt. Und in wirtschaftlicher Hinsicht musste der bescheidene Physiker nie zurückstehen. Er bekam das höchste Gehalt garantiert, das bis dahin einem Conti-Konzernchef gewährt worden war, kassierte als Aufsichtsratsvorsitzender der Conti neben der Pension nochmals bis zu knapp einer halben Million Euro extra, die schon erwähnte halbe Million von der GCG und andere erkleckliche Beträge aus Aufsichtsratstätigkeiten. Vor dem Hintergrund eines solchen Finanzgeflechtes ist es ohnehin taktisch klug, sich nach außen hin in Bescheidenheit und Demut zu üben. Wenn man auch alles dies noch so kritisch und äußerst zurückhaltend zugleich betrachtet bzw. in Erinnerung ruft, fallen in neuester Zeit öffentlich gemachte Anschuldigungen, er wolle (zudem noch zusammen mit Dr. Hippe) die Rubber Group opfern im Wege eines Management-Buy-outs und sich selbst daran bereichern, jedoch in die Abteilung Schmähung/Rufmord und stellen eine Beleidigung seiner Intelligenz dar. Von nicht besserer Qualität ist das Gerücht, Continental habe offene, ungesicherte Forderungen in Höhe von einer Milliarde Euro gegenüber Chrysler.

Was veranlasst von Grünbergs Kurswechsel

Leute wie von Grünberg sind nicht allein höchstbegabt und auf ihre Art hochgradig eitel, sondern sie sind auch rhetorisch beschlagen und fähig, sich an eigenen Leistungen berauschen zu können. Sie sind – offenbar – in der Lage, die eigene Meinung und Ansicht ändern zu können und sie sind schnell, und zwar so blitzschnell: Während der Hubert noch freudig erregt „Wurst“ ruft, hat Dr. Hubertus sie schon auf. In der FAS klingt das anders, wichtiger, professioneller. „Move, move, move“ seien von Grünbergs Ansprüche und Parolen. Man ist sofort erinnert an Schrempps Schlachtgeschrei „Speed, Speed, Speed.“ Gute Erinnerung weckt das nicht. Dabei wäre gegen Meinungsänderungen per se nichts einzuwenden, erst recht nicht, wenn sie zur Reparatur von Denkfehlern dienen oder gar ethischer Verantwortung entspringen. Ist dies der Fall oder aber hat sich schlicht und ergreifend die Wirtschaftswelt von heute auf morgen so dramatisch verändert, dass weitere Änderungen geradezu zwingend sind und sich nichts mehr in der Form durchsetzen lässt wie es beide Parteien ursprünglich wollten? Unterstellt von Grünberg seinen alten Freunden und jetzt neuen Feinden aus Herzogenaurach im Prinzip lediglich eine Vorgehensweise, die er selbst wählen würde, säße er denn auf Geißingers Stuhl?

Der Plan

Schaeffler wollte bis zu 49,99 Prozent aller Conti-Aktien und hätte sich selbst mit geduldigem Warten einen großen Gefallen getan. Manfred Wennemer hielt rund 70 Euro für viel zu wenig Geld, größere Investoren wollten erst ab 100 Euro überhaupt damit beginnen, über einen Verkauf ihrer Aktien nachzudenken. Zwar legte Schaeffler den Nachweis einer Finanzierung von 100 Prozent aller Conti-Aktien vor, konnte aber kaum annehmen, bis zum Stichtag mit 90 Prozent der Conti-Aktien überhäuft zu werden. Davon verbleiben aber nur knapp 50 Prozent bei ihnen selbst und für die restlichen 40 Prozent gibt es angeblich eine Lösung. Wo aber lassen sich diese Aktien erstens über ein paar Jahre „parken“ und mit welch dramatischen Kosten ist dies angesichts des Börsen-Desasters verbunden? Macht es in irgendeiner Form Sinn, 90 Prozent kaufen zu müssen, aber nur für 49,99 Prozent bestimmen zu dürfen? Ist es nicht eine irgendwie lächerliche Vorstellung, dass Schaeffler voll haften soll, während die Organe der Continental AG, Vorstand und Aufsichtsrat, das Heft des Handelns behalten wollen? Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass die Musik von dem bestimmt wird, der sie bezahlt. So haben es auch Wennemer, von Grünberg und Kollegen stets gehalten. Wenn das Unternehmen schon nicht ihr Eigentum ist, so haben sie es aber aus Sicht des Eigentümers gemanagt. Da es keinen Großaktionär gab, waren sie die Herren des Unternehmens, ohne Eigentumsrechte daran zu haben. In der nun zu erwartenden Konstellation schlägt der Vorstand nur noch etwas vor. Was er letztlich zu tun oder zu lassen hat, bekommt er erzählt, Aktiengesetz und andere Gesetze hin oder her. Wirkliche GestaltungsMacht, UmsetzungsMacht haben die Aktionäre nur de jure immer, de facto aber nur dann, wenn es Großaktionäre gibt und diese zusammenstehen. Gegen 90 Prozent – wie immer diese auch finanziert sein mögen – lässt sich nicht opponieren. Man kann es auch so sehen: 90 Prozent in einer Hand machen die bisherigen Herrscher zu Statisten. Und das kann Dr. Hubertus von Grünberg nun ganz und gar nicht gefallen.

Welche Continental war Schaefflers Begierde

Mit einer Beschränkung auf 49,9 Prozent aller Continental-Aktien wäre Schaeffler vermutlich in der Lage geblieben, den dafür aufzunehmenden Kredit auch ohne Zuflüsse seitens Continental bedienen zu können. Der Aktienkurs lag bei 70 Euro, während Conti-Manager und einige Investoren von weit höheren Werten träumten. Continental zeigte sich in guter Form, 16,6 Milliarden Euro Umsatz mit einer EBIT-Marge für das Jahr 2007 von 10,1 Prozent im Vorjahr, ohne VDO. Plötzlich aber drehte sich der Wind. Die nach Meinung nahezu aller befragten Fachleute völlig überteuerte VDO-Akquisition bürdet dem Conti-Konzern eine beinahe wahnwitzige Verschuldung im zweistelligen Milliardenbereich auf, die nach Analystenmeinungen nur noch sehr wenig Spielraum für etwaige Fehlentscheidungen lasse. Die Aktie fiel. Wennemer zog die Veröffentlichung guter Halbjahreszahlen 2008 vor in der Hoffnung, den Aktienkurs nach oben pushen zu können und es damit Schaeffler schwerer zu machen. Fehlanzeige. So weit, so gut. Nunmehr erwartet der Conti-Vorstand zum Jahresende 2008 einen Umsatz von 25 Milliarden Euro und eine EBIT-Marge von „nur“ noch acht Prozent. Mittels einer „Gewinnwarnung“ wurde dies sowie ein Dividendenausfall für 2008 und möglicherweise gleich 2009 in Aussicht gestellt. Dem Vernehmen nach hat sich Schaeffler beschwert, nicht zuvor informiert worden zu sein, was Conti-Manager unter Verweis auf das Aktienrecht zurückgewiesen haben sollen. De jure richtig, faktisch abstrus. So bezeichnete „gut informierte Kreise“ haben sich Informationen verschafft. Die FTD hat die Übernahmevorgänge zwar in einem längeren Beitrag ausführlich beschrieben, wobei man den Eindruck gewinnen könnte, die Verfasser seien von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern ins Bild gesetzt worden, doch die Informationen dieser Zeitschrift bestätigen das von der FTD gezeichnete Bild nur zum Teil. Analysten sind schon vor Bekanntgabe der Zahlen meistens in der Lage, ziemlich punktgenau prognostizieren zu können, welche Zahlen das Unternehmen morgen offiziell präsentieren wird. So werden keine Freundschaften geschlossen, sondern Feindschaften verewigt. Selbst mit „nur“ acht Prozent EBIT-Marge lässt sich gut leben. (Als Schröder jetzt die beiden Seiten zu öffentlicher Mäßigung und Beendigung der öffentlich ausgetragenen Streitereien aufrief, zeigte sich die Conti-Spitze allerdings nicht befremdet. Wie konnte der Aufruf des Garanten, der sich den Beinamen Medien-Kanzler verdiente, eigentlich öffentlich werden? Zudem kam der Schröder-Aufruf schon vor der Bekanntgabe der EU-Kartellerlaubnis. Wenn Schaeffler sich – aus Conti-Sicht richtigerweise – schon zu früh als Herr im Hause behandelt sehen wollte, dann geriet der Start des Herrn Schröder zum Früh- und damit Fehlstart).

Und was bekam Schaeffler

Lehman-Pleite, Finanzkrise, Automobilkrise, weltweite Rezession. Die Welt hat sich grundlegend geändert. In Hannover allerdings ist man der Meinung, die Investorenvereinbarung sei ein in Stein gemeißeltes Kunstwerk, Änderungen ausgeschlossen. Das aber ist nicht viel mehr als Stimmungsmache, ungeeignet Schaeffler in die Parade fahren zu können. Man kann verzögern, auf Zeit spielen, aber verhindern kann man wohl nichts. Es sei denn, dass Schaeffler in den Abgrund raste. Dann aber würde die Continental AG auch mitgerissen.

Die Continental AG sieht sich zu hektischen Aktionen gezwungen. Das Gewitter kündigt sich erst noch an und schon meldet der Vorstandsvorsitzende Karl-Thomas Neumann, 5.000 Mitarbeiter zweiter Klasse, Leiharbeiter, nach Hause schicken zu wollen. Es geht um „das größte Restrukturierungsprogramm in der Geschichte der Continental AG“ – damit ist ein Kostensenkungsprogramm gemeint, das Investitionen stoppt und Forschung & Entwicklung müssen sich auf härteste Einschnitte gefasst machen.

Und wie geht es dem großen Rivalen Bosch? Klar, auch dort sind Ertragsrückgänge zu verzeichnen, Arbeitszeitkonten werden ausgeglichen, verschenkt wird nichts. Bosch erreicht in guten Jahren eine EBIT-Marge von um die acht Prozent, dieses Jahr wird sie verfehlt werden. Zur Erinnerung: Conti „warnt“ vor einem Rückgang auf acht Prozent! Und so viel zur Komplettierung: Die vor Analysten-Schlauheiten geschützte Firma Bosch hat mehr, wenn ein Rückgriff auf Altkanzler Kohl erlaubt ist, „Bimbes“ in der Kasse als die Continental AG Schulden anzuhäufen wusste.

Kein Zweifel, die Welt hat sich geändert, es gibt zahlreiche Gründe, sich die Investorenvereinbarung wieder und wieder genauer anzusehen. Wenn es ums Überleben geht, fallen alle Masken. Wenn der Frack lichterloh zu brennen beginnt, ist es vorbei mit Höflichkeiten und edelsten Gesinnungen, ein auf ein mit Grandezza dahingehauchtes „nach Ihnen“ wartender Narr wird überrannt, zertrampelt. Besser proletenhaft überlebt als hoheits- und würdevoll verkokelt. Das lässt Erwartungen zu. Mal sehen, ob Schaeffler ruhigen Auges Milliarden verbrennen lässt, weil HvG auf dem Löschschlauch stehen bleibt. Für vorbeugende Maßnahmen ist es ohnehin zu spät und Vorbeugen an Klippen ist lebensgefährlich.

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