Mehr als Reifen – Conti macht Milliardenumsatz mit Nfz-Industrie

Die Continental AG wollte die IAA Nutzfahrzeuge in Hannover auch dazu nutzen, um ihr durch die Siemens-VDO-Akquisition erweitertes Produktportfolio für die Nutzfahrzeugindustrie zu präsentieren und zu demonstrieren, dass der Zulieferer mehr ist als „nur“ Reifen. Die VDO-Übernahme sei – so Continental-Vorstandsmitglied Dr. Hans-Joachim Nikolin – ein „großer Sprung, welche die Firma im Moment dabei ist, gut zu verdauen“. So waren diesmal fünf von sechs Divisionen des Konzerns auf der Messe präsent, wobei der Reifenbereich ins Außengelände ausgelagert wurde: Während drinnen in einer der Messehallen solche Dinge wie Fahrerassistenzsysteme, Sensorik oder Informationstechnologie im Vordergrund standen, war dort nur ein einziger Reifen zu sehen, der die Besucher offensichtlich nach draußen lotsen sollte.

„Wir setzen wie unsere Kunden auf die Megatrends der Industrie und leisten so einen wichtigen Beitrag zu mehr Effizienz, Komfort, Sicherheit und Umweltfreundlichkeit im Nutzfahrzeug der Zukunft“, sagt Nikolin und beziffert den für dieses Jahr angepeilten Umsatz, den das Unternehmen im Geschäft mit der Nutzfahrzeugindustrie erzielen will, mit rund drei Milliarden Euro. Etwa je die Hälfte sollen dazu die Nutzfahrzeugreifen sowie die Sparte Interior beisteuern. Rund 18.000 Beschäftigte arbeiten demnach bei Conti weltweit an Produkten und Systemen für die Nutzfahrzeugbranche. „Wir wollen unsere Position auch in diesem Geschäft ausbauen und sehen einen positiven Trend in Osteuropa und besonderes Wachstumspotenzial in Asien und Südamerika“, erklärt Dr. Nikolin unter Verweis darauf, dass sich im laufenden Jahr die Märkte insbesondere in Europa und Nordamerika deutlich abgeschwächt haben. „Das hinterlässt insbesondere in der Division Nutzfahrzeugreifen deutliche Spuren, da gleichzeitig Erstausrüstung und Ersatzgeschäft betroffen sind. Deshalb haben wir bereits reagiert und unsere Produktion von Nutzfahrzeugreifen angepasst“, meint er.

Grundsätzlich sei man aber auch in der Nutzfahrzeugindustrie sehr gut aufgestellt, wobei er als Beispiel Luftfedersysteme für Nutzfahrzeuge und Busse hervorhob. „Hier sind wir Marktführer in Europa und liegen weltweit auf Platz zwei. Wir sind außerdem ebenfalls Marktführer bei satellitengestützten Maut-OBUs und haben fast 60 Prozent der Onboard-Units für das deutsche Toll-Collect-Konsortium geliefert. Mehr als jeder dritte Trucker und Busfahrer schaut auf ein Kombiinstrument von Continental. Wir liefern Fahrzeugregler an zahlreiche Automobilhersteller und sind Marktführer auch auf diesem Gebiet. Seitdem bei uns in Villingen-Schwenningen 1923 die Autorex-Uhr erfunden wurde, haben wir mehr als 15 Millionen Tachographen verkauft“, so Nikolin. „Es ist wirklich überraschend, wie breit unser Portfolio ist“, ergänzt Christoph Eisenhardt, Leiter des Geschäftsbereiches Commercial Vehicles Aftermarket bei Conti. Sehr wesentliche Teile des Konzerns seien eben auch mit dem Nutzfahrzeug verbandelt, auch wenn viele Continental in erster Linie mit Pkw in Verbindung brächten. So würden allein Millionen von Nutzfahrzeugen auf Continental-Reifen rollen.

Dabei vergisst er nicht, neben der Konjunkturentwicklung insbesondere die hohen Rohstoffpreise und die verschärften Emissionsregelungen als besondere Herausforderung für die Industrie hervorzuheben. Wie bei Kraftfahrzeugen verfüge Continental daher für Nutzfahrzeuge – von rollwiderstandsoptimierten Reifen über innovative Einspritzsysteme bis zur Motorelektronik und Fahrerassistenzsystemen – über eine große Bandbreite von Produkten, die den Kraftstoffverbrauch senken und damit gleichzeitig Kosten sparen und die Umwelt schonen. Bezüglich der Nutzfahrzeugreifen hat man sich als Ziel gesetzt, den Rollwiderstand der Pneus und damit auch den Kraftstoffverbrauch damit bereifter Lkw/Busse respektive deren Kohlendioxidemissionen weiter zu senken. Seit 2002 ist es Continental eigenen Angaben zufolge gelungen, den Rollwiderstand bei den Lkw-Reifenlinien um acht Prozent zu senken. Das bedeute pro Nutzfahrzeug durchschnittlich eine Reduzierung der Kohlendioxidemissionen um vier Tonnen bzw. drei Prozent oder eine Ersparnis von 1.600 Litern Dieselkraftstoff bei einer Kilometerleistung von rund 150.000. Klar, dass man derartige „Spritsparreifen“ wie insbesondere den bereits im Frühjahr vorgestellten „HTR 2“ im Rahmen der IAA Nutzfahrzeuge ins rechte Licht zu rücken wusste.

Vorgestellt wurde in Hannover darüber hinaus allerdings ein von den Divisionen Nutzfahrzeugreifen und Interior speziell für den Einsatz in Nutzfahrzeugen entwickeltes Reifendruckkontrollsystem. Bei dem „Intelligent Tire System“ wird mittels in den Reifen integrierter Sensoren kontinuierlich der jeweilige Reifendruck und die Reifentemperatur überwacht, um frühzeitig einen schleichenden Druckverlust erkennen zu können. Das System soll dadurch einen niedrigeren Reifenverschleiß, weniger Kraftstoffverbrauch und mehr Sicherheit sicherstellen. Die Division Interior hat außerdem noch Innovationen für das Informationsmanagement in Nutzfahrzeugen und Lösungen zur „intelligenten Mobilität“ präsentiert. In der Division ist auch die Business Unit Commercial Vehicles & Aftermarket (CV&AM) angesiedelt, die laut Conti für etwa 20 Prozent der Umsätze der Division Interior steht sowie unter anderem das Geschäft mit Tachografen, Steuerungs- und Kontrollsystemen für Antriebs- und Bordelektronik, Komponenten für die Mensch-Maschine-Schnittstelle wie Instrumentierungen, Panels und Cockpitlösungen sowie On-Board-Units für die Mauterfassung oder Telematiklösungen für den öffentlichen Nahverkehr beinhaltet.

Als Highlight der Division Interior wird der digitale Tachograf bezeichnet: Die nächste Generation des digitalen Fahrtenschreibers VDO DTCO enthält unter anderem eine Option zur Datenfernübertragung, die das Herunterladen und das Archivieren von Tachografendaten für Fahrer und Flottenmanager effizienter gestaltet. Die Division Chassis & Safety will mit ihren Fahrerassistenzsystemen für Lastwagen für mehr Sicherheit im Straßenverkehr sorgen und hat jüngst ein Assistenzsystem entwickelt, das den toten Winkel auf der rechten Fahrzeugseite überwacht und vor Kollisionen warnt. Ein Spurhalteassistent und ein Radarsensor mit Notbremsassistenz ergänzen das Produktportfolio. Die Division Powertrain ist demgegenüber im Bereich Systeme und Komponenten aktiv, mit denen sich effizientere Antriebe und weniger Verbrauch realisieren lassen. Vorgestellt in Hannover wurden denn auch neue Motorsteuergeräte, Einspritz- und Abgasreinigungssysteme. Und ContiTech hat in Hannover Materialien für die Ausstattung der Fahrerkabine, Luftfedersysteme für mehr Fahrkomfort sowie Antriebsriemen und Schläuche gezeigt, sodass der Konzern dem Motto „Continental ist mehr“ (als Reifen) bezüglich der präsentierten Exponate tatsächlich gerecht geworden ist.

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