Conti feiert 100-jähriges Jubiläum des Produktionsstandortes Korbach

Die 1907 ursprünglich als Zweigwerk der damaligen Mitteldeutschen Gummiwarenfabrik Louis Peter AG gegründete Fabrik in Korbach (Nordhessen), die 1929 im Rahmen einer Fusion in den Continental-Konzern integriert wurde, kann in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiern. Wurden dort anfangs nur Fahrradreifen, Vollgummireifen und technische Gummiartikel hergestellt, kamen später dann auch Kraftfahrzeug-, Flugzeug- und Vollgummireifen sowie technische Schläuche hinzu. Heute werden vor Ort Pkw-, Industrie(voll)- und Zweiradreifen sowie technische Gummiartikel produziert. Das Werk in der nordhessischen Kreisstadt Korbach ist mit derzeit rund 3.100 Mitarbeitern, wovon inklusive Leiharbeitskräften etwa 1.900 (ohne Leiharbeiter: 1.750) in der Reifenfertigung beschäftigt sind, der größte deutsche Standort des Konzerns. Die gesamte Werksfläche umfasst knapp 300.000 Quadratmeter. Das Gelände wird nicht nur von der Continental AG genutzt (bereits 2003 lief hier der 150-millionste Pkw-Radialreifen vom Band) wird, sondern auch von dem Geschäftsbereich ContiTech Fluid Technology.

Rund 41.650 Kilometer technische Schläuche, 3,8 Millionen Zusammenbauteile und 15,4 Millionen Schlauchkrümmer werden wohl dieses Jahr das Werksgelände verlassen. Damit – so Wilhelm M. Wendel, Marketingleiter Conti-Industriereifen gegenüber der NEUE REIFENZEITUNG – trage dieses Segment rund 120 Millionen Euro zur gesamten Werkschöpfung des Standortes bei, die er im Ganzen mit annähernd 460 Millionen Euro beziffert. Den Rest steuern demzufolge Pkw-Reifen (rund 288 Millionen Euro), Industriereifen (knapp 37 Millionen Euro) und Zweiradreifen (etwa 13 Millionen Euro) bei. In Stückzahlen ausgedrückt, beträgt die jährliche Ausstoßmenge an Reifen in Korbach Wendels Worten zufolge weit mehr als zehn Millionen Einheiten, wovon freilich der größte Teil auf die Pkw-Reifen entfällt. Aber immerhin werden – so Wendel – in der Fabrik jedes Jahr beispielsweise auch gut 390.000 CSE-Industrievollreifen (CSE = Continental Super Elastic) gefertigt, die als „Korbacher Spezialität“ gelten.

„Der Standort hat eine grandiose Entwicklung hinter sich, die in Deutschland ihresgleichen sucht. Der Gründer Louis Peter wäre stolz“, so der Korbacher Werksleiter Lothar Salokat in seinem Grußwort an die Gäste, die zum Feiern des Jubiläums nach Nordhessen gekommen waren. Allein das eigens errichtete Festzelt bot Platz für über 2.000 Menschen, tatsächlich sollen aber lokalen Medien zufolge sogar knapp 25.000 Gäste bei der Geburtstagsfeier gezählt worden sein. Am 8. September hatte Continental nämlich das Werksgelände der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und beispielsweise Führungen durch die Fabrikhallen angeboten, wo die Produktion freilich größtenteils ruhte. Auch ansonsten hatte das Unternehmen noch ein umfangreiches Rahmenprogramm anlässlich der Feierlichkeiten auf die Beine gestellt. Allerdings dürften nicht nur diese kleinen und großen Attraktionen für den regen Zulauf gesorgt haben. Denn Salokat hob in seiner Festrede nicht nur die wirtschaftliche Bedeutung des Standortes für die Stadt Korbach hervor, sondern auch die enge Verbundenheit der dort lebenden Menschen mit dem Conti-Werk.

Geben und nehmen

„Diese Verbundenheit ist die Grundlage für den Erfolg des Standortes Korbach. Ohne sie wären die vergangenen 100 Jahre wohl nur schwer vorstellbar. Viele Familien hier in Korbach arbeiten schon seit Generationen bei Conti“, sagte Salokat, der die Beziehung zwischen der Stadt und der Fabrik als ein „Geben und Nehmen“ verstanden wissen will. In den Augen des Betriebsratsvorsitzenden Jörg Schönfelder ist das Conti-Werk sogar nichts weniger als der „Lebensnerv der Stadt und des Umlandes“, und für den Korbacher Bürgermeister Klaus Friedrich steht es als ein Beispiel für „verantwortungsvolles Unternehmertum“. Viele Einwohner der nordhessischen Stadt hätten ihre persönliche Zukunft an die Weiterentwicklung des Werkes geknüpft, so Friedrich in seinem Grußwort anlässlich des 100-jährigen Jubiläums. Bei seiner Rede schwang natürlich die Hoffnung mit, der größte Arbeitgeber in der Region möge der Stadt und ihren Einwohnern noch möglichst lange erhalten bleiben. Die Furcht vor einem etwaigen Stellenabbau des Unternehmens vor Ort oder gar einer Schließung konnte man – wenn auch nicht expressis verbis, so doch zumindest zwischen den Zeilen – mal mehr und mal weniger deutlich mitlesen. „Ohne Conti würde Korbach zurück ins 19. Jahrhundert katapultiert werden“, verlieh zudem Landrat Helmut Eichenlaub einem solchen Szenario Ausdruck.

Obwohl es in diese Richtungen – also weder, was einen Stellenabbau noch eine Schließung betrifft – derzeit wohl keine konkreten Planungen gibt, konnten die Worte des Conti-Vorstandsvorsitzenden Manfred Wennemer, der ebenso zum Jubiläum angereist war wie unter anderem der Personalvorstand Heinz-Gerhard Wente oder der Vorstandsvorsitzende der ContiTech AG Gerhard Lerch, solche unterschwelligen Ängste nicht völlig aus der Welt schaffen. „Es kann heute nicht allein darum gehen, einen Standort zu erhalten. Viel wichtiger ist es, ihn wettbewerbsfähig zu halten. Darauf kommt es an“, meinte Wennemer, der in diesem Zusammenhang mehrfach die Flexibilität der Korbacher Mitarbeiter würdigte. Diese sei nötig, um gemeinsam erfolgreich zu sein. „100 Jahre erfolgreich zu sein ist toll. Aber viel spannender ist die Frage, wie es in Zukunft so weiter geht“, sagte Wennemer. Continental sei immer ein erfolgreiches Unternehmen gewesen und unter anderem durch Akquisitionen gewachsen – früher schon durch Übernahmen wie die des Standortes Korbach von der Louis Peter AG oder in jüngerer Vergangenheit durch den Zukauf von Motorola und jüngst den Erwerb der Sparte VDO von Siemens.

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft

„Arbeitsplatzgarantien kann aber keiner geben. Erst, wenn uns beispielsweise Volkswagen unsere Aufträge garantiert, dann gebe ich diese Garantie weiter“, machte Wennemer seinen Standpunkt deutlich. Bis es tatsächlich einmal so weit kommen sollte, zähle aber nur eines: „Besser zu sein als andere.“ Dafür, dass sich Wennemer bzw. der Continental-Konzern nichtsdestotrotz verbunden fühlt mit der Region rund um den Standort Korbach und dass man die Redewendung von dem „Geben und Nehmen“ tatsächlich ernst nimmt, könnte man das – wie der Vorstandsvorsitzende es nannte – „Geschenk aus Hannover“ als Indiz werten, das Wennemer mit im Gepäck zu den Jubiläumsfeierlichkeiten hatte: Der Conti-Chef versprach der Alten Landesschule und der Louis-Peter-Schule je ein Labor für den Physik- und Chemieunterreicht zu spendieren. Auch sollen Conti-Fachleute dazu beitragen, den Unterricht in diesen Fächern spannender zu gestalten. So ganz uneigennützig sei das Geschenk allerdings nicht, wie Wennemer selbst klar stellte.

„Wir brauchen Nachwuchs, und Kinder sind unsere Zukunft“, erläuterte er, wie diese Aussage zu verstehen ist. Soweit also zum Geben vonseiten des Automobilzulieferers – was aber nimmt ein Konzern vom Schlage Contis bzw. der Vorstandsvorsitzende eines solchen Unternehmens mit von einer derart großen Jubiläumsfeier wie der zum 100-Jährigen des Werkes Korbach? Auf der rein materiellen Seite wären in dieser Bilanz die bei derartigen Anlässen üblichen kleinen und größeren Geschenke zu erwähnen, die sprichwörtlich ja bekanntlich die Freundschaft erhalten. Beispielsweise ließ es sich der Korbacher Bürgermeister nicht nehmen, Wennemer einen wertvollen Kugelschreiber zu überreichen. Schließlich gelte Wennemer – so Klaus Friedrich – als besonders sparsam und nutze nach seinem Wissensstand zum Schreiben meist einen Conti-Kugelschreiber. „Vielleicht ist dieser Kugelschreiber der Stadt Korbach eine Alternative“, meinte Friedrich.

Richtungsfragen

Damit hatte er sein Pulver allerdings noch nicht verschossen, denn offensichtlich hat man sich noch mehr den Kopf darüber zerbrochen, was man denn dem Werk vor Ort zum Jubiläum schenken könnte. Herausgekommen dabei ist – in Anlehnung an den Goldbergbau in der Region (Eisenberg) und der „Goldspur“ als lokale Sehenswürdigkeit – ein so genannter „Gummispurwegweiser“, der auf dem Korbacher Firmengelände aufgestellt werden soll. Er zeigt die Richtungen bzw. Entfernungen zu anderen Conti-Produktionsstandorten an, und so einige davon liegen ja bekanntlich mittlerweile nicht mehr in Deutschland. Wie dem auch sei, beide Geschenke der Stadt mögen einen hohen Symbolcharakter und ideellen Wert besitzen – unbezahlbar im wahrsten Sinne des Wortes sind sie allerdings nicht. Eher schon in diese Kategorie zu zählen sein dürfte – selbst für einen Spitzenmanager wie den Conti-Chef, der mitunter schon von so manchem Analysten quasi als „Superstar“ gefeiert wurde – eine am Rande der Feierlichkeiten zu beobachtende Szene, als sich einige Kinder um ein Autogramm von Wennemer bemühten. Bleibt zu hoffen, dass auch diese Generation später noch die Gelegenheit dazu bekommt, vielleicht bei „ihrer Conti“ in Korbach eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle zu finden. Doch das hängt schließlich davon ab, wie der weitere Weg des Conti-Konzerns in Sachen Standortpolitik aussieht.

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