Naht das Ende billiger China-Reifen?

Wie Bloomberg unter Berufung auf eine entsprechende Ankündigung des chinesischen Finanzministeriums berichtet, hat das Land offenbar seine auf Exporte gewährten Rabatte reduziert, um das Wachstum des nach jüngsten Schätzungen mit 257 Milliarden US-Dollar (knapp 192 Milliarden Euro) bezifferten Außenhandelsüberschusses zumindest ein wenig einzubremsen. Betroffen von dieser Maßnahme sollen über 2.800 Produkte sein – darunter auch solche, die wie Reifen mithilfe von Kautschuk hergestellt werden. In diesem Segment wurde der Exportrabatt demzufolge zum 1. Juli von 13 auf fünf Prozent zurückgefahren. „Dieser politische Schwenk könnte für die chinesischen Reifenhersteller gravierende Folgen haben“, wird Lee Bo, Analyst bei der Shanghai Securities Co., in der Bloomberg-Meldung zitiert. Bedeutet dies, dass die Tage preisgünstiger Reifen aus China gezählt sind?

Laut Lee Bo wurden allein im ersten Quartal des laufenden Jahres etwa 111 Millionen Reifen im Reich der Mitte gefertigt, von denen rund 70 Prozent in den Export gingen. Wenn die Ausfuhr für die chinesischen Hersteller nun aber teurer wird, müssen im Gegenzug die Importeure in Europa und anderswo in der Welt wahrscheinlich wohl mit höheren Kosten rechnen, was letztlich eigentlich nur zu höheren Endverbraucherpreisen führen kann. Gleichermaßen betroffen von den Bemühungen der chinesischen Regierung zur Reduzierung des Außenhandelsüberschusses des Landes sind übrigens auch die Räderhersteller in China. Denn für Räder ist der Exportrabatt zum selben Stichtag um acht Prozentpunkte von 17 auf neun Prozent reduziert worden. Wie die Unternehmensberatung Ernst & Young in einem am 20. Juni veröffentlichten Report schreibt wird „jede Änderung an diesen Rabatten den Preis der exportierten Güter ebenso wie die Profitabilität der Exporteure beeinflussen“.

Gleichzeitig mit der Reduzierung der Exportrabatte sehen sich die Importeure von chinesischen Reifen zusätzlich noch mit steigenden Transportkosten konfrontiert. Sie stiegen jüngst um etwa fünf Prozent oder rund 300 US-Dollar pro geliefertem Container aus dem Reich der Mitte. Dabei sprechen einige Importeure gegenüber TYRES & ACCESSORIES eher sogar noch von um die 1.000 US-Dollar je Container. Und eine weitere schlechte Nachricht ist, dass die Transportkosten in den kommenden Monaten eher noch weiter steigen werden. Denn je näher die Weihnachtszeit rückt, desto höher ist im Allgemeinen das weltweite Transportaufkommen, was bei nur wenig veränderten Kapazitäten dem Gesetz von Angebot und Nachfrage folgend zwangsläufig steigende Preise nach sich ziehen dürfte. Und das alles vor dem Hintergrund, dass steigende Rohstoff- und Energiepreise ohnehin alle Reifenhersteller stöhnen lassen – nicht nur die in China beheimateten.

Preiserhöhungen?

Alle diese Faktoren zusammengenommen lassen nur den einen Schluss zu, dass die in China vergleichsweise günstig zu fertigenden Reifen in absehbarer Zukunft wohl teurer werden müssen. Die Frage ist nur, wann es tatsächlich so weit sein wird. Erste Reaktionen in dieser Richtung sind zwischenzeitlich beispielsweise schon vonseiten Hankook Tire USA zu registrieren gewesen – zum 16. Juli hat das Unternehmen seine Reifenpreise um sieben Prozent angehoben. Danach folgte auch Giti Tire (USA) mit der Ankündigung einer Preisanhebung zwischen fünf und acht Prozent. Andere warten scheinbar ab und wollen offenbar zusammen mit ihren jeweiligen Partnern in China erst noch abstimmen, ob und gegebenenfalls in welchem Rahmen die Reifenverkaufspreise angehoben werden müssen.

Diesseits des Atlantiks hat sich noch kein Marktteilnehmer detailliert zu etwaigen Preisanpassungen für in China gefertigte Reifen geäußert. Dennoch ist allen mehr oder weniger klar, dass sie über kurz oder lang erforderlich sein könnten. „Transporte sind in der letzten Zeit um rund 300 US-Dollar je Container teurer geworden. Die Reduzierung der Exportrabatte durch die chinesische Regierung wird für weiteren Druck auf der Kostenseite sorgen, sodass dies einen Einfluss auf die Abverkaufspreise von in China gefertigten Reifenmarken haben könnte. Zwar sind die Transportkosten auch während der zurückliegenden Jahre schon beständig angestiegen, doch die jüngste Entwicklung wird sicherlich ziemlich schnell im Markt spürbar sein und sich in Form höherer Großhandelspreise für die entsprechenden Reifen niederschlagen“, glaubt jedenfalls Richard Edy, Direktor des britischen Reifenhandelsverbandes NTDA (National Tyre Dealer Association).

Allerdings ist nicht jedermann davon überzeugt, dass der Effekt so schnell auf den Markt durchschlagen wird. Einige Importeure chinesischer Reifen erwarten vielmehr eher eine schrittweise Erhöhung der Preise. Nichtsdestotrotz werden aus Sicht der in der NTDA organisierten Großhändler die Abverkaufspreise von Reifen aus dem Reich der Mitte in den kommenden Monaten unter Druck geraten. Rob Henderson, General Manager UK & Europe bei Eskay Tyres (Importeur der China-Marken Westlake und Infinity), erwartet nicht, dass es seitens der Partner in China zu „ruckartigen Reaktionen“ die Reifenpreise betreffend kommen wird. Andere Fernostimporteure wie beispielsweise das Liverpooler Unternehmen Kirkby Tyres & Wheels haben noch nicht im Detail mit ihren Lieferanten über dieses Thema gesprochen. Gegenüber TYRES & ACCESSORIES spielt Geschäftsführer Dave Dorrity jedoch zumindest schon einmal den Effekt, den höhere Transportkosten haben könnten, herunter. Denn seinen Worten zufolge hätten die eigenen Lieferanten „ein exzellentes Verhältnis“ zu den relevanten Transportunternehmen.

Anscheinend besteht also entgegen aller erwarteten Kostensteigerungen Anlass dafür, nicht an steigende Preise für Reifen aus China zu glauben. Mit zur Stabilität des Preisniveaus bzw. zu einer nur moderaten Anhebung der Verkaufspreise könnte ausgerechnet auch der jüngste Reifenrückruf in den USA beitragen. Bekanntlich muss dort der Importeur Foreign Tire Sales rund eine halbe Million von dem chinesischen Hersteller Hangzhou Zhongce gefertigte Pneus zurückrufen. Ob die Reifen nun tatsächlich nicht der erwarteten Qualität entsprechen oder es sich – wie die Hangzhou Zhongce Rubber Company meint – lediglich um eine Kampagne des US-Importeurs handelt, um dem Ansehen des chinesischen Herstellers zu schaden, sei dabei dahingestellt. Aber als Folge des heftigen Streites beider Seiten könnten die Reifenproduzenten aus China auf die Idee kommen, sich trotz oder gerade wegen ihrer vermeintlich höheren Kosten verstärkt auf ihre Stärke zurückzubesinnen, die in ihren Augen die Verbraucher am ehesten zu überzeugen scheint – ein niedriger Preis.

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