Kautschukindustrie sieht sich 2007 „auf gutem Weg“

Auch 2006 und damit zum zehnten Mal in Folge konnte die deutsche Kautschukindustrie eine Umsatzsteigerung im Vergleich zum Jahr davor erzielen. Alle im Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie e.V. (WdK) organisierten Unternehmen erzielten 2006 zusammengenommen einen Umsatz von gut 10,9 Milliarden Euro und damit rund 3,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Für das laufende Geschäftsjahr rechnet der Verband mit einem weiteren Umsatzzuwachs, sieht die Branche aber auch mit einigen Herausforderungen konfrontiert.

Zum Gesamtumsatz von 10,9 Milliarden Euro aller WdK-Mitgliedsunternehmen trugen technische Elastomererzeugnisse etwa 5,1 Milliarden Euro (Inlandsgeschäft: 3,3 Milliarden Euro, Auslandsgeschäft: 1,81 Milliarden Euro) bei, was einem Plus gegenüber 2005 von sechs Prozent entspricht. Eine geringere Zuwachsrate verzeichneten die Reifenhersteller, die ihren Umsatz um 1,8 Prozent auf 5,8 Milliarden Euro steigern konnten. Wie bei den technischen Elastomeren, wo das Umsatzplus für das Inlands- und Auslandsgeschäft mit 4,2 bzw. 9,4 Prozent angegeben wird, hat auch im Reifengeschäft der Export mit einem Umsatzplus von 4,3 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro stärker zugelegt als das Inlandsgeschäft, wo zwar 4,4 Milliarden Euro erzielt wurden, diese Zahl jedoch nur ein Prozent über dem Vergleichswert für 2005 liegt.

Das Auslandsgeschäft spielt für die deutschen Unternehmen also eine immer größere Rolle – eine Entwicklung, die der WdK aber bereits seit längerem beobachtet. Lag die Exportquote 2002 beispielsweise noch bei 26,2 Prozent (Reifen: 21,9 Prozent, technische Elastomererzeugnisse: 30,9 Prozent), kletterte sie während der vergangenen vier Jahre bis auf insgesamt 29,4 Prozent (Reifen: 24,1 Prozent, technische Elastomererzeugnisse: 35,3 Prozent). Der Ausfuhrwert lag Angaben des Verbandes zufolge 2006 um 723 Millionen Euro oder 11,2 Prozent über dem Einfuhrvolumen. „Die ausgeführte Tonnage lag dagegen mit knapp 200.000 Tonnen weniger um 14 Prozent unter der eingeführten Menge. Das heißt: Hochwertige Erzeugnisse wurden exportiert, weniger anspruchsvolle importiert“, folgert WdK-Hauptgeschäftsführer Fritz Katzensteiner. „Spricht einerseits für unsere Industrie, zeigt aber auch Standortschwächen auf“, fügt er dem hinzu.

Dabei – so Katzensteiner weiter – befand sich die Kautschukindustrie wie in den Jahren zuvor auch 2006 wieder „im Sog ihrer Abnehmerindustrien“, da sie prinzipbedingt keine eigene Konjunktur entwickeln könne. „Diese Abhängigkeit von der Entwicklung der anderen Branchen brachte uns in den letzten Jahren nicht sehr viel Freude, anders war es nun im Jahr 2006. Alles in allem sind wir recht zufrieden mit der Entwicklung im zurückliegenden Jahr“, sagt der WdK-Hauptgeschäftsführer. „Am Jahresanfang 2006 war man davon ausgegangen, dass dem Konjunkturaufschwung, der weitestgehend von der Auslandsnachfrage stimuliert worden war, im Jahresverlauf sozusagen die Puste ausgeht. Doch es kam erfreulicherweise anders. Im Jahresverlauf erhöhte sich die Dynamik der wirtschaftlichen Expansion. Der Konjunkturmotor Binnenwirtschaft sprang an und die hohe Auslandsnachfrage verstetigte sich“, fasst er die im Geschäftsjahr 2006 beobachtete Entwicklung zusammen.

Trotzdem ist natürlich nicht alles Gold, was glänzt. Verhaltene Kritik äußerte Katzensteiner an den Einkaufsabteilungen der Automobilindustrie, denn die würden immer wieder weitere Kostenreduzierungen einfordern. Oder anders gesagt: Die Zulieferer sollen ihre Produkte gefälligst billiger ans Band liefern. „Trotz steigender Mengenabsätze konnten daher im Geschäft mit der Automobilindustrie nur in wenigen Fällen proportional steigende Umsätze erzielt werden, und dies auch nur bei so genanntem Neugeschäft, nicht dagegen bei laufenden Geschäften. Die Unsitte der nachträglich geforderten Preisnachlässe hat sich auch 2006 nicht gebessert“, so Katzensteiner. Würden die Zulieferunternehmen den Forderungen der Hersteller nicht nachkommen, so drohten diese, die fraglichen Teile über das so genannte Global Sourcing zu beziehen. „Und da interessiert keinen Automobilhersteller mehr die unter dem Dach des Verbandes der Automobilindustrie von Erstausrüstern und Zulieferern gemeinsam unterschriebene Erklärung zum Know-how-Schutz. Heute werden keine Zeichnungen mehr an den Wettbewerb weitergegeben, sondern die Originaldateien mit den Konstruktionsdetails, die dem Angebot beilagen. Wenn dann keine Entwicklungsleistung mehr erbracht werden muss, dann ist es für andere Wettbewerber leicht, zu günstigeren Konditionen anzubieten“, verdeutlicht er das Dilemma.

Man vermisse, dass die von den Vertretern des VDA gepriesene Partnerschaft zwischen Automobilherstellern und Zulieferern tatsächlich auch einmal gelebt werde und nicht nur eine auf dem Papier stehende hohle Phrase sei. „Wir wissen, unter welch enormem Druck die Einkäufer der Automobilhersteller stehen. Aber sie sollten bei allem Druck eines nicht vergessen: Einen leistungsstarken Partner als Zulieferer können sie nur behalten, wenn sie ihm auch die notwendigen finanziellen Möglichkeiten lassen, um innovativ tätig sein zu können. Man kann die Kuh, von deren Milch man lebt, nicht nur melken. Man muss ihr auch das notwendige Futter geben. Und das ist derzeit nur bedingt der Fall“, meint Katzensteiner, der zudem von ähnlichen Preisreduzierungsforderungen und Verhaltensmustern wie in der Automobilindustrie zunehmend auch vonseiten anderer Abnehmerbranchen wie dem Maschinenbau oder der Elektroindustrie zu berichten weiß. „Noch sind es wenige Fälle, aber die Tendenz ist deutlich erkennbar“, sagt er.

Nichtsdestoweniger entwickelten sich laut dem WdK die Umsätze seiner Mitgliedsbetriebe außerhalb der Automobilindustrie positiver als mit den Fahrzeugherstellern. Die durchschnittlichen Umsatzzuwächse lagen demzufolge im Inland zwischen sechs und acht Prozent. „In einigen industriellen Bereichen konnte der Umsatz sogar stärker zulegen als der Absatz. In erster Linie sind die Lieferungen in den Maschinenbau zu nennen, aber auch mit Bauprodukten konnten 2006 erstmals nach vielen Jahren im Inland wieder Zuwachsraten verzeichnet werden“, erklärt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes. Kautschuk sei schließlich mehr als das, was die Öffentlichkeit unter diesem Begriff versteht. „Zuerst einmal wird Kautschuk mit Reifen verbunden. Alles andere, was von unseren Unternehmen produziert wird, führt eher ein ungerechtfertigtes Schattendasein. Elastomererzeugnisse sind keine Mauerblümchen. Sie erfüllen ihre Funktion aber meist im Verborgenen: im Motorraum, in der Karosserie, in Bergwerken, unter Brücken – überall dort, wo etwas gedichtet, gedämpft oder gelagert werden muss“, sagt Katzensteiner.

Doch nicht nur der vorrangig vonseiten der Automobilindustrie ausgehende Preisdruck trübte die gute Absatzsituation der Branche. Laut dem WdK-Hauptgeschäftsführer stellten 2006 auch die steigenden Rohstoffpreise eine weitere Belastung dar, die sich negativ auf den Ertrag der Unternehmen auswirkte. „Die Ergebnissituation war 2006 vor allem auch deswegen angespannter, weil die gestiegenen Rohmaterialpreise nicht voll an die Verbraucher weitergegeben werden konnten“, so Gerd Grünenwald, WdK-Vorsitzender und Deutschland-Chef von Goodyear Dunlop. Die Kautschukrohstoffe folgten demnach im vergangenen Jahr weitgehend der allgemeinen Steigerungstendenz bei Rohmaterialien. In besonderem Maße sei Naturkautschuk betroffen gewesen, der um rund 45 Prozent höher notierte als 2005 zuvor. Aber auch andere Materialien hätten sich verteuert.

„Neben Ruß, der im Durchschnitt um 15 Prozent teurer geworden war, waren Kautschukchemikalien, allen voran Zinkoxid, Lösemittel und Weichmacheröle, an der deutlichen Erhöhung der Rohstoffpreise beteiligt“, wie Katzensteiner weiter ausführt. Hinzu kämen noch gesteigene Energiepreise, wobei die Bezugskosten für Strom und Gas 2006 im Branchendurchschnitt um knapp 13 bzw. etwa 15 Prozent zugelegt hätten. „Mittlerweile ist die Rohstoffpreisentwicklung vom Ölpreis entkoppelt. Es regiert das Prinzip Angebot und Nachfrage. Da beide derzeit extrem eng beieinander liegen, bleibt nur wenig Raum für moderate Preise. So wird auch im Jahr 2007 der Rohstoffpreis ein zentrales Thema sein, mit dem sich die Kautschukverarbeiter auseinander setzen müssen, zumal schon heute absehbar ist, dass der Spielraum für die Weitergabe von Materialpreiserhöhungen an die Abnehmer noch enger wird“, ist der Hauptgeschäftsführer des WdK überzeugt.

Insofern wolle sich die Branche 2007 auf die Stabilisierung ihrer Erträge konzentrieren, zumal man auch in diesem Jahr nicht mit einer Entspannung auf der Rohstoffseite rechnet. Der Verband hegt die Hoffnung, dass die während des vergangenen Jahres von der Branche getätigten Investitionen – wie Katzensteiner sagt, floss der größte Teil der insgesamt 690 Millionen Euro in die Optimierung der Produktionsprozesse – Positives auf der Kostenseite beitragen. „Dabei wurde verstärkt in inländische Standorte investiert, was wir eindeutig als Bekenntnis zum Produktionsstandort Deutschland werten dürfen. Die angespannte Ertragslage hat also nicht wie in den Vorjahren zu verstärkten Auslandsinvestitionen geführt“, erläutert Katzensteiner. „Im vergangenen Jahr wurde der Beschäftigtenabbau gestoppt. Zum Jahresende 2006 wurden mit 73.015 Beschäftigten etwas mehr Mitarbeiter in der Kautschukindustrie beschäftigt als ein Jahr zuvor“, fügt er hinzu.

Positiv eingeschätzt werden die Aussichten der wesentlichen Abnehmerbranchen, wenngleich der WdK in Frage stellt, ob die Automobilindustrie 2007 wieder das gleiche Produktionsvolumen wie 2006 erreichen können wird. Schließlich hätte die Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar zu zahlreichen vorgezogenen Fahrzeugkäufen Ende des vergangenen Jahres geführt. Nichtsdestotrotz überwiegt in der deutschen Kautschukindustrie angesichts eines anziehenden Inlandsgeschäftes und stabiler Exporte die Zuversicht. Zumal die wesentlichen Abnehmerbranchen für Elastomererzeugnisse nach Verbandsaussagen ihre Produktionsprognosen nach oben gezogen haben und die Pkw-Produktion der „Mehrwertsteuerdelle“ bei den Neuzulassungen zum Trotz zu Beginn dieses Jahres zugelegt hat. „Die Lieferungen von Pkw-Reifen in die Erstausrüstung werden sich weiterhin auf hohem Niveau bewegen. Die rückläufige Nachfrage nach Lkw wird sich sicher auch in tendenziell abnehmender Nachfrage nach Lkw-Reifen widerspiegeln“, ist sich Katzensteiner daher sicher.

Schwieriger sei es demgegenüber den Reifenersatzbedarf 2007 einzuschätzen. „Da der milde Winter 2006/2007 einen Abverkauf der produzierten Pkw-Winterreifen vom Handel an den Verbraucher verhindert hat, werden sich die noch im Handel befindlichen Stückzahlen absatzmindernd auf die Industrielieferungen im Jahr 2007 auswirken“, prognostiziert er. Seinen Angaben zufolge sind 2006 rund 24,9 Millionen Pkw-Winterreifen von der Industrie an den deutschen Reifenhandel geliefert worden, was einem Zuwachs von 16,4 Prozent oder 3,5 Millionen mehr Reifen als 2005 entspreche. „Der Handel zumindest vertraute auf die Wirkung der Änderung der StVO. Geht man nun davon aus, dass etwa zwei Millionen Winterreifen über dem normalen Lagerbestand zur Jahreswende beim Handel lagen, dann wären rund 1,5 Millionen Winterreifen zusätzlich verkauft worden. Dies entspricht den Mehrverkäufen der Jahre 2003 und 2004, liegt aber um 700.000 Reifen niedriger als die Steigerung im Jahr 2005“, rechnet Katzensteiner vor.

Auf Dauer werde es durch die geänderte StVO zu keinem Mehrbedarf an Reifen kommen, meint er. Denn ein Fahrzeug werde immer nur auf einem Satz Reifen fahren: Wenn die Sommerreifen eingelagert werden, weil Winterreifen notwendig sind, dann unterliegen sie keinem Verschleiß und umgekehrt, so seine Argumentation. „Negativ auf den Sommerreifenabsatz wirkt sich sicher auch die Tatsache aus, dass immer mehr Autofahrer – wie sie glauben, um Geld zu sparen – ihre Winterreifen auch im Sommer fahren. Erhebungen haben gezeigt, dass es schon mehr als fünf Prozent aller Verkehrsteilnehmer tun“, weiß der WdK-Hauptgeschäftsführer zu berichten. „Im Augenblick entfällt natürlich die Ausgabe für neue Sommerreifen, aber Winterreifen unterliegen wegen ihrer weicheren Mischung bei hoher Umgebungstemperatur einem deutlich höheren Abrieb und haben einen längeren Bremsweg. Der vermeintliche Gewinn sind in Wirklichkeit höhere Kosten, allerdings zeitversetzt“, meint er. Es gebe allerdings die Hoffnung, dass nach Jahren des Rückgangs bei Sommerreifen hier durch die verbesserte Binnenkonjunktur eine Trendwende eintritt.

Alles in allem stellt die wirtschaftliche Situation zum Jahresbeginn für den WdK freundlich dar. Die Auftragsbücher der Unternehmen der Branche seien zufrieden stellend gefüllt, sodass die deutsche Kautschukindustrie für das laufende Geschäftsjahr von einem weiteren Umsatzanstieg ausgeht, wobei diesbezüglich ein Plus von knapp vier Prozent erwartet wird. Allerdings müsste die Kostenseite und damit die Ertragsseite weiter im Auge behalten werden. Belastend wirkten sich in diesem Zusammenhang nicht nur der Preisdruck vonseiten der Automobilindustrie oder die hohen Rohstoffpreise aus. Faktoren, die aus Katzensteiners Sicht zusätzlich die Kosten der Zulieferer in die Höhe treiben könnten, sind die zum 1. Juni dieses Jahres in Kraft tretende Neuordnung des europäischen Chemikalienrechts (REACH) oder die Forderung nach Lohnerhöhungen vonseiten der Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie (IGBCE).

Das neue Chemikalienrecht sieht vor, dass Hersteller und Importeure chemischer Substanzen diese Stoffe bei einer Behörde registrieren, bewerten und zulassen müssen. „Hinter REACH steckt sicher ein guter Gedanke, nur über die ökologischen Aspekte sind die ökonomischen in Vergessenheit geraten. Was geschieht, wenn einer der unbedingt notwendigen Rohstoffe in Zukunft nicht mehr zur Verfügung steht? Man wird einen neuen, anderen entwickeln müssen. Man wird Mischungen anders auslegen müssen. Mir ist nicht Angst, dass wir diesen Anforderungen nicht gerecht werden würden. Dafür ist das Innovationspotenzial der deutschen Kautschukindustrie und ihrer Zulieferer zu groß. Es sind die Kosten, die mir Sorge machen, die mit solchen Neuentwicklungen verbunden sind. Es sind nämlich Kosten, die nicht notwendig sind, und die unsere Industrie nur zusätzlich belasten“, findet Katzensteiner.

Und Grünenwald warnt vor überzogenen Lohnforderungen der IGBCE. „Lohnerhöhungen sind tödlich, wenn sie über ein bestimmtes Maß hinausgehen. Denn alle Erhöhungen in diesem Bereich müssen über Produktivitätssteigerungen oder Produktionsverlagerungen wieder hereingeholt werden“, meint der WdK-Vorsitzende. Der Lohnzuwachs sollte seiner Meinung nach daher auf jeden Fall unterhalb einer Grenze von vier Prozent bleiben. Angesichts all dessen dürfte der Kautschukbranche 2007 nicht langweilig werden, ist sich Katzensteiner sicher. „Ich will keinesfalls in die üblichen Klagelieder einstimmen. Unserer Industrie geht es im Prinzip nicht schlecht. Dass es uns lieber wäre, wenn es besser ginge, ist sicher verständlich. Doch wenn alles ohne Herausforderung verliefe, wäre es uns auch nicht recht“, sagt er.

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