Wechselwirkung von Fahrzeugkonzept, Regelsystem und Reifen

Fahrerassistenzsysteme sollen Sicherheit in schwierigen Situationen bieten und nehmen daher deutlichen Einfluss auf die Handling- und Bremseigenschaften eines Pkw. Dabei regeln sie den Schlupf der einzelnen Räder, um ein Über- oder Untersteuern des Fahrzeuges zu verhindern. Die Wechselwirkungen von Fahrzeugkonzepten, Regelsystemen und Reifen hat Continental im Rahmen eines Workshops für Journalisten auf dem Konzerntestgelände im nordschwedischen Arvidsjaur präsentiert.

Um den jeweiligen Antriebskonzepten und Fahrzeugphilosophien der Hersteller gerecht zu werden, sind die ABS-, ASR- und ESP-Funktionen unterschiedlich ausgelegt. Sie berücksichtigen dabei den jeweiligen Front-, Heck- oder Allradantrieb, sportlichere oder komfortablere Auslegung der Fahrwerke. Dabei lassen sie in unterschiedlichen Situationen verschiedene Schlupfwerte zu – und nehmen so Einfluss auf die gemessenen Leistungsparameter der Winterbereifung. So kann ein auf die Leistungsschwerpunkte Trockenhandling, Bremsen, Hochgeschwindigkeitsstabilität und gute Aquaplaningeigenschaften gefertigter Winterreifen in der Testdisziplin „Antriebsperformance auf Schnee“ durchaus einen auf das Fahren auf Schnee – und Eisuntergründen konzipierten Winterreifen in eben diesen Testkriterien übertreffen – wenn ASR eingeschaltet ist. Fährt man denselben Reifen auf anderen Testfahrzeugen, könnten sich die Testergebnisse ändern.

Reifentests mit „neutralen Fahrzeugen“ empfohlen

Dr. Burkhard Wies, Leiter der Reifenentwicklung Pkw Ersatzgeschäft weltweit von Continental, plädiert dennoch für das Testen mit Regelsystemen: Zum Einen könnten Autofahrer diese Systeme kaum mehr ausschalten – oder würden es in der Praxis nicht machen. Zum Anderen wären einige Winterreifenmodelle inzwischen auf bestimmte Fahrwerkkonzepte ausgelegt und könnten daher ohne die elektronischen Regelsysteme kaum noch beurteilt werden: „Auch hier“, so der Fachmann, „ist ein anderes Testergebnis möglich.“ So könnte es zu einer Umkehrung der Ergebnisse kommen. Auch die Einflüsse zwischen den verschiedenen Antriebskonzepten könnten zu deutlich anderen Resultaten führen.

Vor allem im oberen Fahrzeugsegment, so Dr. Wies, kann es beim Test mit eingeschaltetem ESP zu Wechselwirkungen zwischen dem Antriebs- und Reifenkonzept kommen. „Gerade bei Tests, die unter hohen Reibbedingungen stattfinden wie beispielsweise beim Trockenhandling, sind Einflüsse denkbar“, weiß der Fachmann. „Im Extremfall sind sogar Rangfolgeumkehrungen im Testergebnis möglich.“ Daher rät er, sowohl auf front- wie auch heckgetriebenen Wagen zu testen, um zu einem für alle Endverbraucher soliden Testergebnis zu kommen. Ohnehin gäbe es Wagen, die durch ihr Chassis-Layout zuverlässige Handlingbewertungen gewährleisteten und zusätzlich eine Empfindlichkeit für Reifengeräusche hätten, so dass auch diese Beurteilung unproblematisch wäre. Einige Fahrzeughersteller testen Reifen inzwischen mit und ohne eingeschaltetes ESP, um die durch das System festgelegte Fahrwerkphilosophie mit in das Testergebnis einfließen zu lassen.

Bei Tests auf Fahrbahnen mit niedrigen Reibbeiwerten wie auf Nässe, Schnee oder Eis sind ebenfalls Wechselwirkungen zu erwarten, erläutert Dr. Wies. „Hier sollte künftig mit und ohne ESP getestet werden“, rät er. „So können die Einflüsse erkannt und gegebenenfalls durch Verwendung eines Fahrzeuges mit einem anderen Regelsystem ausgeschlossen werden.“

Außentemperatur sollte beim Reifentest beachtet werden

Nicht nur Fahrwerkregelsysteme, auch die Umweltbedingungen können laufende Reifentests beeinflussen. Die Fachleute von Continental hatten zur Prüfung dieser Einflüsse Versuche mit Reifen mit und ohne Lamellen, härterer und weicherer Mischung, niedrigem und hohem Schlupf, bei niedrigen und höheren Temperaturen auf losem und festem Schnee durchgeführt. Das Ergebnis zeige, so Dr. Wies, dass Reifentests im Temperaturbereich zwischen minus fünf und minus 15 Grad, auf fester und loser Schneeauflage sowie mit und ohne eingeschaltete Regelsysteme durchgeführt werden sollten, um die Ergebnisse für alle Autofahrer transparent zu halten.

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