Dunlop-Werk in Wittlich – klein aber fein

Gefragt, wie das Wetter übers Jahr in Wittlich ist, geben die Einheimischen gerne die Antwort: „Wir haben in Wittlich genug Sonne für einen guten Wein und genug Regen für gute Kartoffeln.“ Seit Oktober 1971 kommt noch etwas Gutes aus der rheinland-pfälzischen Kreisstadt Wittlich: Reifen der Marke Dunlop. Das Werk ist mit den derzeit 919 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber in der Südeifel. Obwohl das Dunlop-Werk in Hanau mit seiner 113-jährigen Geschichte der große Indentifikationsspender aller deutschen Dunloper ist, trägt der Standort Wittlich doch Wesentliches zum Unternehmen bei, das seit 1999 unter dem Dach der Goodyear Dunlop Tires Germany geführt wird. Einerseits natürlich die Produktion selbst. Dann aber auch die Bedeutung als Zentrallager für Lkw-Reifen der europäischen Goodyear-Dunlop-Organisation sowie die als Standort der Dunlop-eigenen Teststrecke.

Auf gut 30.000 m² Fläche des Werkes in Wittlich entstand ab 2004 ein europäisches Zentrallager für Lkw-Reifen (weiteres Zentrallager in Colmar Berg, Luxemburg), in dem heute rund 170.000 Lkw-Reifen Platz finden. Allein durch die deutsche Brille betrachtet mag Wittlich für ein Zentrallager nicht gerade logisch gewählt sein, europaweit gesehen dagegen macht die Standortwahl aber eindeutig Sinn. Die unmittelbare Nähe zum Goodyear-Werk in Luxemburg, in dem ebenfalls Lkw-Reifen produziert werden, und die deutlich verbesserte Infrastruktur der Region Wittlich erlaubt es, die Kunden in kürzester Zeit in ganz Europa zu beliefern. Vor diesem Hintergrund sei es sinnvoll gewesen, die noch freie Fläche auf dem Werksgelände in Wittlich für das neue Lager zu nutzen. Dank der Konzentration der Lkw-Aktivitäten im Konzern konnten mehrere kleine Außenstationen abgebaut werden, was zu einer spürbaren Reduzierung der gesamten Lagerhaltungskosten geführt hat, so Goodyear Dunlop in einer Veröffentlichung.

Wittlich – eine nicht ganz so lange Historie

Als das Dunlop-Stammwerk Hanau Ende der 1960er-Jahre an seine Kapazitätsgrenze kam, suchte das Management – damals noch von anderen Herstellern unabhängig – nach einem geeigneten Gelände für den Bau einer völlig neuen Reifenfabrik auf der grünen Wiese. Mehrere Möglichkeiten standen zur Wahl, und Wittlich erhielt damals aus verschiedenen Gründen den Zuschlag: Über die Mosel konnten die großen und schweren Produktionsmaschinen bis vor die Tore der Stadt angeliefert werden. Weiterhin gab es die Zusage des Landes Rheinland-Pfalz, die Autobahn Koblenz-Trier (A48/A1) bis über Wittlich hinaus fertig zu stellen. Und da der Raum Wittlich zu den strukturschwachen Regionen des Landes zählte, konnten die Bauherren bei dem Neubau und der Schaffung von Arbeitsplätzen mit großzügigen öffentlichen Zuschüssen rechnen.

Beim Start der Planung im April 1969 ging man vom Bau einer Produktionsstätte für Textilgürtelreifen aus. Es folgte die Grundsteinlegung im Mai 1970, an der auch Helmut Kohl teilnahm, damals Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz. Am 1. Oktober 1971 begann der Probelauf für die Produktion. Der erste Pkw-Reifen, der die Heizpresse verließ, war ein „Dunlop SP68“ in der Dimension 185 SR14 – natürlich in Textilgürtelkonstruktion. Der erste Lkw-Reifen, ein „Dunlop SP 111“ in Ganzstahlausführung, wurde am 14. Oktober 1971 produziert.

Bereits im Januar 1972 – noch vor der offiziellen Einweihung der neuen Fabrik im Mai des Jahres – musste die Pkw-Reifenproduktion der neuen Reifentechnologie folgend auf Stahlgürtelkonstruktion umgestellt werden. In den nächsten Jahren produzierte das Werk Wittlich Pkw- und Lkw-Reifen modernster Technologie vornehmlich für die Erstausrüstung.

Nach der Übernahme der europäischen Dunlop-Reifenaktivitäten durch die japanische Sumitomo Rubber Industries (SRI) zum 1. Januar 1985 wurde der Bau einer eigenen Teststrecke – Grundvoraussetzung für die Entwicklung moderner Reifen – auf dem Gelände des Werkes in Wittlich genehmigt. Nachdem sich der englische Hersteller Dunlop Ende der 1970er Jahre von der Zusammenarbeit mit Pirelli verabschiedet hatte, gelang es ihm nicht mehr, die Finanzen auf Vordermann zu bringen, allein der Verkauf der europäischen und amerikanischen Reifenaktivitäten an Sumitomo bewahrte Dunlop damals vor dem Gang zum Konkursrichter. Die Einweihung der ersten Ausbaustufe des Werkes in Witllich fand im Juli 1985 demnach bereits unter japanischer Führung statt. In den folgenden Jahren wurde die Anlage mehrfach erweitert und durch Service-Anlagen ergänzt.

Seit der Gründung des Jointventures zwischen Sumitomo Rubber Industries und der amerikanischen Goodyear Tire & Rubber Co. zum 1. September 1999 wurde das Werk in Wittlich schrittweise zu einer Lkw-Reifenfabrik umgebaut, in der heute 919 Personen arbeiten. Rund 90 Prozent dieser Mitarbeiter sind in der Produktion tätig. „Das ist unser Kapital“, sagt Hermann Josef Clemens, der seit Fabrikgründung Anfang der 1970er Jahre im Werk Wittlich arbeitet und anlässlich des Dunlop-Workshops „Winterreifen und Sicherheit“ Mitte November eine kenntnis- und anekdotenreiche Fabrikführung leitet.

Dunlop bzw. Sumitomo brachte im Übrigen auch die beiden Reifenfabriken in Riesa und Fürstenwalde (ehemalige Pneumant-Werke) in das Gemeinschaftsunternehmen Goodyear Dunlop ein.

Dass das Werk in Wittlich heute keine reine Lkw-Reifenfabrik ist, dennoch aber im Konzern eine wichtige Rolle spielt, mögen einige Zahlen verdeutlichen. Jedes Jahr werden im Werk Wittlich bis zu 1,47 Millionen Pkw-Reifen sowie 840.000 Lkw-Reifen verschiedener Konzernmarken gefertigt, insgesamt also über 2,3 Millionen Reifen pro Jahr; in Hanau hingegen werden jedes Jahr über sieben Millionen Reifen gefertigt. Dabei wird im Werk Wittlich – wie auch in anderen Werken der Goodyear-Dunlop-Gruppe – an 350 Tagen im Jahr im Dreischichtbetrieb gearbeitet, es wird also quasi rund um die Uhr produziert.

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