Brisa legt Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft

Das japanisch-türkische Jointventure, das Bridgestone und die Sabanci-Gruppe 1988 schlossen, steht derzeit vor weit reichenden Veränderungen. Nicht nur, dass die Brisa-Bridgestone Sabanci Tyre Manufacturing and Trading Inc. derzeit 176 Millionen US-Dollar in den Ausbau der modernen Reifenfabrik in Izmit bei Istanbul investiert, um die Produktionskapazitäten innerhalb der nächsten zwei Jahre von etwa 7,1 Millionen (2006) auf dann über zehn Millionen Einheiten zu steigern. Der Reifenhersteller Brisa, dessen Marken Lassa und Bridgestone sind, investiert unterdessen ebenfalls in den Ausbau und der Umstrukturierung des Händlernetzes, zu dem 624 Point-of-Sales in der ganzen Türkei gehören.

Reifenhändler in der Türkei binden sich – anders als dies aus Deutschland oder anderen europäischen Ländern bekannt ist – in der Regel an einen Hersteller, auch wenn sie juristisch und in ihren unternehmerischen Entscheidungen weit gehend unabhängig bleiben. In der Türkei gilt ein Reifenhändler allerdings als Lassa-Händler, Bridgestone-Händler, Michelin-Händler, Pirelli-Händler, etc.; der letztgenannte Hersteller ist wie auch Goodyear ebenfalls mit einer eigenen Produktionsstätte in der Türkei vertreten. Interessanterweise betreiben alle drei Reifenhersteller ihre Fabriken in der selben Straße in Izmit. Es gibt zwischen den Hersteller und den Händlern zwar Verträge, die die Konditionen der Zusammenarbeit regulieren. Ein Lassa-Händler biete aber nicht nur die eine Marke exklusiv an. Wenn Kunden dies wünschten, vertreibe der vertraglich gebundene Händler auch andere Marken. Ab dem kommenden Jahr gilt diesbezüglich in der Türkei ein neues Recht, das – entsprechend der Gruppenfreistellungsverordnung in der EU – wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen Unternehmen ändern soll. Demnach werden entsprechende Kooperations- bzw. Partnerschaftsverträge zwischen Reifenherstellern und Händlern ab 2007 liberalisiert.

Dass sich Brisa davon unbeeindruckt zeigt, lernt man bei einem Besuch unterschiedlicher Reifenfachhändler in der Türkei. Der Identifikationsgrad der Händler mit der Marke des Lieferanten lässt langfristige Beziehungen wachsen. Gerade die Marke Lassa, die in der Türkei zu den Premiummarken zählt und zusammen mit Bridgestone (wird ebenfalls bei Brisa gefertigt) klarer Marktführer vor Michelin, Goodyear und Pirelli ist, übe eine starke Anziehungskraft auf Endverbraucher und somit auch auf Reifenhändler aus, wird der Eindruck bestätigt. Außerdem versteht man im Reifenhandel die langfristigen, quasi-exklusiven Beziehungen zu einem einzigen Reifenhersteller und dessen Produkte als eine „Frage der Ehre“.

Außerdem verlange der türkische Endverbraucher – vielleicht bewusster als andernorts – ein adäquates Preis-Leistungs-Verhältnis. Da das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in der Türkei bei rund 4.744 US-Dollar pro Jahr liegt (2005; Deutschland: 35.075 Dollar), stellt jeder gekaufte Reifen eine beträchtliche Anschaffung dar – türkische Käufer legen daher Wert auf Qualität. Zum Vergleich: Ein Lassa-Sommerreifen in 195/65 R15 H wird beim Händler für 142 Lira (71 Euro) angeboten, ein Bridgestone-Reifen in gleicher Größe steht für 162 Lira (81 Euro) in der Verkaufsliste, also rund 14 Prozent über Bridgestone. Aus diesem Grund kaufen Endverbraucher nicht nur Qualitätsprodukte, wozu Lassa im Verständnis türkischer Automobilisten wie selbstverständlich zählt, sondern sie halten ihrem Reifenhändler auch langfristig eine beinahe familiäre Treue, die sich auch in der Qualität der Dienstleistungen widerspiegelt.

Es sind eben diese Dienstleistungen, die Brisa derzeit optimieren will. So hat das Jointventure-Unternehmen im Sommer ein neues Reifenhandelskonzept ins Leben gerufen. Unter der Bezeichnung „OtoPratik“ sollen Händler ihren Kunden nicht nur die Produkte des Herstellers bieten, sondern eben auch moderne Dienstleistungen. Dabei orientiert man sich an bekannte Fast-Fit- bzw. Schnellreparaturketten wie etwa die britische Kwik-fit oder die französischen Speedy. Das äußere Erscheinungsbild der Geschäftsräume eines OtoPratik-Händlers stellt nicht mehr die Reifenmarken in den Mittelpunkt, sondern eben das neue Konzept, wobei das Lassa- und das Bridgestone-Logo weiterhin als Qualitätsgarant an der Hauswand prangen. Wie OtoPratik-Händler Nedim Dinçbay – seit vier Monaten arbeitet er unter diesem neuen Konzept – im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG sagt, wachse dieses service-orientierte Geschäftsmodell in der Türkei derzeit deutlich. Der Unternehmer ist seit über 20 Jahren im Reifengeschäft und betreibt als zweites Outlet einen Bridgestone-Shop in Istanbul und verkauft insgesamt rund 30.000 Reifen pro Jahr. Neben einem mobilen Reifenmontageservice verlangten seine Kunden heute ein mehr an Zubehör – auch Tuningteile gehören dazu – sowie Dienstleistungen rund um Reifen, Räder, Fahrwerk, Bremsen, etc. Wie selbstverständlich wird im Aufenthaltsbereich Tee für die wartenden Kunden gereicht, die jederzeit ohne große Terminabsprachen an einer der vier Boxen bedient werden können.

Im Kontrast zu dem OtoPratik-Händler, der bisher noch der einzige in der Türkei ist aber demnächst – bei erfolgreicher Annahme durch den Markt – weitere Kollegen erhalten soll, sieht das Geschäft eines herkömmlichen Lassa-Händlers da schon anders aus und scheint auf an einem auslaufenden Reifenhandelskonzept ausgerichtet zu sein. Dort werden Reifen, Felgen, Batterien und Ölwechsel verkauft – fertig, aus. Autoservice wird nicht geboten. Dennoch stellen solche Reifenhandelsbetriebe die überwältigende Mehrheit dar. So hat Brisa etwa 372 Lassa- und 149 Bridgestone-Händler unter Vertrag, die insgesamt 624 Point-of-Sales betreiben, einige von ihnen mit beiden Brisa-Marken. So etwa auch Altan Güven, der mit seinen beiden Lassa- und Bridgestone-Betrieben jährlich rund 25.000 Reifen vermarktet. Er habe zwar noch keine Entscheidung getroffen, seine Outlets in OtoPratik-Betriebe umzuändern. Ausgeschlossen sei dies allerdings nicht, so der Reifenhändler unter Hinweis auf die sich ständig ändernden Anforderungen der Endverbraucher.

Ein weiterer Schritt, den Brisa in seiner Reifendistribution unternommen hat, ist die Schaffung eines weiteren neuen Reifenhandelskonzeptes. Dies richtet sich speziell an Endverbraucher mit höheren Einkommen und größeren Ansprüchen bezüglich Reifenperformance. Dieses neue Konzept unter der Bezeichnung „Bridgestone Performance Point“ – davon gibt es derzeit sechs in der Türkei – bietet nicht nur HP- und UHP-Reifen, sondern eben auch hochwertige Leichtmetallräder namhafter Hersteller und die üblichen Tuning-Accessoires. Die Bridgestone Performance Points gehören zwar nicht zu den absatzstärksten Outlets, dafür richtet sie sich aber an eine wachsende Klientel der jungen, einkommensstarken Großstadtbewohner.

Es lässt sich also konstatieren, dass sich der Reifenhersteller Brisa intensiv darum bemüht, mit innovativen Vermarktungskonzepten den Reifenfachhandel in der Türkei, der zumeist quasi-exklusive Beziehungen zu den Herstellern pflegt, auch zukünftig mit seinen beiden Marken zu dominieren. Die Konzepte, die in der Türkei greifen sollen, sind Konzepte, die bereits andernorts erfolgreich umgesetzt wurden und somit durchaus die Erwartung nähren, Brisa sei damit auf dem richtigen Weg. Die Menschen, die das Unternehmen und seine Handelspartner repräsentieren, lassen kaum den Eindruck aufkommen, dass Brisa mit seinen beiden Reifenmarken, von denen Lassa – in jedem Fall der Menge nach – die Bedeutendere ist, in eine unsichere Zukunft treibt. Die Manager in den Führungspositionen des Unternehmens tun derzeit viel dafür, die eigene Zukunft zu gestalten, wozu auch die Expansion der Reifenfabrik in Izmit gehört.

Brisa-Fabrik wächst bis 2008 weiter

Dass Brisa bis 2008 176 Millionen US-Dollar in die Fabrik in Izmit investiert, um dort die Jahresproduktion von derzeit rund 7,1 auf dann über zehn Millionen Reifen zu steigern, deckt sich mit den Wachstumserwartungen des türkischen Reifenmarktes. Wie Cem Yazmanoglu, Manager International Sales, während einer Werksführung erläutert, werde der nationale Markt von 2006 bis 2001 um sage und schreibe 44 Prozent wachsen. Während im aktuellen Jahren rund 14 Millionen Reifen in der Türkei (Erstausrüstung und Ersatzmarkt) verkauft werden, liege diese Zahl in sechs Jahren bei knapp 21 Millionen Einheiten. Erstausrüstung wie auch der Ersatzmarkt wachsen dabei im relativen Gleichschritt von derzeit fünf bzw. neun Millionen Einheiten auf dann acht bzw. 13 Millionen Einheiten. Innerhalb von nur sechs Jahren muss also eine zusätzliche Nachfrage von etwa sieben Millionen Reifen auf dem türkischen Markt abgesetzt werden – entweder durch Importware oder eben durch lokale Produktionsstätten. Es bleibt abzuwarten, wie viel dieser neuen Nachfrage Brisa mit eigenen Produkten seiner beiden Marken befriedigen kann. Heute gilt ganz allgemein, ohne dass hierfür detaillierte Zahlen vorliegen: Bridgestone ist die Erstausrüstungsmarke des Konzerns, während Lassa das Vertrauen der Kunden auf dem Ersatzmarkt verdient. Von den 7,1 Millionen Reifen, die Brisa derzeit produziert (36 % Bridgestone, 64 % Lassa), werden 43 Prozent oder knapp 3,1 Millionen exportiert, während 34 Prozent oder 2,4 Millionen auf dem türkischen Ersatzmarkt verkauft und 23 Prozent oder 1,6 Millionen Einheiten in der Erstausrüstung verbaut werden. Rechnerisch – so jedenfalls legt es eine Präsentation zum Reifenhersteller nahe – kann Brisa mit seinen Marken etwa 32 Prozent der Erstausrüstung und etwa 27 Prozent des Ersatzmarktes für sich reklamieren.

Cem Yazmanoglu sowie der International Sales Director Haldun Kuran sind sich aber sicher, dass die Exportmärkte bei der künftigen Entwicklung des Unternehmens eine bedeutende Rolle spielen werden. Im Übrigen darf Brisa, so jedenfalls sieht es der Jointventure-Vertrag zwischen Bridgestone und der Sabanci Holding vor, keine Reifen der Marke Bridgestone exportieren. Bei Brisa will auch zukünftig mit langfristigen Partnern – auf im Ausland – zusammenarbeiten und ist dazu bereit, diesen auch eine gewisse Exklusivität einzuräumen, denen anderen Reifenhändlern und -großhändlern zumeist verwehrt bleibt. In Deutschland etwa arbeitet Brisa mit der Reifen Müller KG (Hammelburg), mit der Wessels + Müller AG (Osnabrück) sowie mit der Reifen Keskin GmbH (Berlin) als Importeure zusammen. Ein Wachstum auf einem Exportmarkt wie etwa Deutschland, auf dem Brisa rund 18 Prozent seiner exportierten Reifen verkauft (rund 560.000 Einheiten), werde nicht automatisch bedeuten, dass zusätzliche Partner notwendig sind. Im Gegenteil: Bei Brisa legt man genauso großen Wert auf langfristige Treue zum Händler wie man dies von den Handelspartnern erwartet, betont International Sales Director Haldun Kuran im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG. Daher sei man auch überaus zurückhaltend, was Handelsbeziehungen zum Stand der so genannten „tyre trader“ betrifft, deren Geschäftsidee sich nur wenig mit der von Brisa deckt: Billig kaufen, teuer verkaufen und zwischendurch den Profit maximieren – das ist offensichtlich nicht Brisas herangehensweise.

Insgesamt gehen 68 Prozent der Exporte nach Westeuropa, 13 Prozent werden im Nahen Osten verkauft, weitere zehn Prozent in Osteuropa, während die verbleibenden neun Prozent in Asien und dem Rest der Welt vertrieben werden. Deutschland mit seinen 18 Prozent Exportanteil nimmt dabei allerdings nur den zweiten Rang ein. Noch bedeutender, wenn auch nur geringfügig, ist Italien. Dorthin verkauft Brisa 19 Prozent seiner Exportreifen, während Großbritannien weitere 11,5 Prozent durch über sechs Importeure aufnimmt. Bulgarien – direktes Nachbarland im Norden – nimmt sieben Prozent des Brisa-Exports auf und Österreich noch einmal 6,5 Prozent. Folglich vertreibt Brisa auf den fünf wichtigsten Exportmärkten 62 Prozent seiner exportierten Reifen.

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