Tuning weiterhin auf der Erfolgsseite

Die Tuningbranche scheint eine nicht enden wollende Wachstumsmaschine zu sein, blickt man auf die Umsatzzahlen des etablierten Verbandes Deutscher Automobil Tuner (VDAT). Auch für dieses Jahr ist die im VDAT vertretene Zunft wiederum optimistisch, er wird mit einer moderaten Umsatzsteigerung gerechnet.

Freilich: Es zeichnen sich erste Risse ab in dem scheinbar so glänzenden Bild, was bis zur Gründung eines konkurrierenden Verbandes im letzten Jahr unter dem Namen VATZ (Verband Automobil Tuning/Zubehör) geführt hat. Eine Gruppierung innerhalb der Tuningbranche, der allein hierzulande ca. 600 Unternehmen – vom Weltkonzern bis zur Einmannfirma – mit ca. 30.000 Mitarbeitern (VDAT-Zahlen) angehören, mahnt Reformen an und hält die etablierten Tuner schlicht für „satt“, weil vom jahrelangen Erfolg verwöhnt, und somit nicht wachsam genug, wenn es um möglicherweise EU-weite Reglementierungen geht, die die Zukunftsfähigkeit des Automobiltunings gefährden könnten.

Superbreitreifen und besonders anspruchsvolle Leichtmetallfelgen stehen nach wie vor in der Auflistung der wichtigsten Tuningteile ganz obenan. Daher verwundert es nicht, dass die Rädergilde von „Tuningrädern“ spricht und damit die extra großdimensionierten Alus meint, die wenigstens ein, meistens zwei und manchmal drei Zoll mehr messen als die Serienräder, die der Automobilhersteller am Band verbaut. Auch die Reifenhersteller begnügen sich keineswegs mit den Größen, die die Fahrzeughersteller für ihre Produkte ausgewählt haben, sondern bedienen darüber hinaus auch die Fahrzeugveredler, wenn diese sich ein Serienauto vornehmen und auf breitere sowie schnellere Bereifungen stellen wollen.

In den Hitlisten der Reifendimensionen (Ersatzmarkt Sommerreifen Deutschland) tauchten Reifen mit einem Speedindex W oder gar schneller noch Ende der 90er Jahre gar nicht unter den Top-Sellern auf, ebenso waren Felgendurchmesser mit 17 Zoll oder gar mehr Exoten. 1999 auf Rang 25 war 205/55 R16W mit einem Anteil am Gesamtmarkt von gerade mal 1,1 Prozent die Reifenvariante, die damals die Herzen der Tuningfans schneller schlagen ließ.

Die Europool-Zahlen sind seitdem europa- wie deutschlandweit nach oben gerichtet. Von 11,8 Millionen Einheiten (in 2003) über 13,3 Millionen (2004) bis zu 14,5 Millionen (2005, davon in Deutschland 3,6 Mio.) zeigt die Kurve der W/Y/Z-Reifen unvermindert nach oben, die nicht an Europool meldenden Mitbewerber gar nicht mitgerechnet. Continental prognostiziert für 2009 für diesen Bereich der Hochgeschwindigkeitssommerreifen im Jahre 2009 einen Anteil von 17 Prozent am Gesamtmarkt.

In Deutschland soll dieser Anteil sogar auf über zwanzig Prozent klettern bis 2009, das hieße, dass bei jedem fünften in Deutschland nach- oder umgerüsteten Fahrzeug Reifen mit den Speedindices W, Y oder Z montiert werden. Die Stimmen, die noch vor einigen Jahren ein Abflachen der Kurve oder gar einen Rückgang prognostizierten, sind verstummt.

Dabei gibt es durchaus auch einen gegenläufigen Trend, so den hin zu spritsparenden und damit schmaleren Pneus. Aber das geht eben nicht zulasten der so genannten Ultra-High-Performance-Reifen (UHP). Denn treibstoffsparende Reifen, wie sie auf Hybrid-Fahrzeugen der Zukunft erwartet werden, sind nur einer von drei erwarteten „Mega-Trends“ für die Zukunft der Reifentechnik, die beiden anderen sind Reifen mit Notlaufeigenschaften und eben UHP-Reifen. Deren Zukunft hat gewissermaßen schon längst angefangen, ihren Zenit hat diese Spezies noch nicht erreicht.

Zumal ja auch im Bereich Winter Tuninggrößen im Aufwind sind. Des beharrlichen Drucks von Premiumautomobilherstellern (allen voran Porsche) ist es zu danken, dass ihre Reifenzulieferer auch für den Winter Reifen entwickelten, mit denen das Oberklasseauto oder der Sportwagen auch in der kalten Jahreszeit nicht nur gut aussieht, sondern auch noch schnell gefahren werden kann. In absoluten Absatzzahlen mag der Bereich M+S-Reifen mit den Speedindices V und W zwar noch eine Nische sein, mit einer Steigerung von annähernd 125 Prozent von 2001 (114.000 Reifen) auf 2005 (255.000 Reifen) in Deutschland sind wintertaugliche M+S-Reifen mit den Geschwindigkeitsklassen V/W aber dabei, zu einem lukrativen neuen Segment zu werden – Tuning im Winter!

Der Reifenfachhandel beobachtet – manchmal mit ein wenig Schadenfreude –, dass sich andere Vertriebswege (Autohäuser, Fast-Fitter) mit dem Trend zu UHP-Reifen schwertun. Manche Kfz-Werkstatt ist mit der Montage eines 19-Zoll-Reifens schlicht überfordert. Bislang galt das Hauptaugenmerk des Reifenhandels im Kampf um das Segment II im Automobilsektor (wenn die Loyalität des Halters zu seiner Markenwerkstatt nachgelassen hat) überwiegend der Hinwendung zum „Full-Service-Anbieter“ mit Reifen- und Autoservice. Das erfolgte nach dem Motto: Nimmst Du, Autohaus, mir auf der einen Seite etwas weg, nehme ich Dir auf der anderen Seite auch etwas weg. Womit im Wesentlichen der Fahrwerksbereich (Stoßdämpfer, Bremse) gemeint war, aber auch Module wie Öl-, Klima- oder Glasservice. Übrigens haben einige (sogar große) Reifenhändler dem Autoservice als vermeintlichen Heilsbringer wieder abgeschworen und rudern zurück zum spezialisierten, aber dann auch voll perfekt-professionellen Reifenservice.

Die Beratungsgesellschaft GFU-Consult geht davon aus, dass der Reifenfachhandel in den nächsten Jahren weiterhin Anteile an Autohäuser und Fast-Fitter abgeben wird und belegt diese Annahme mit den ausgefeilten Reifenprogrammen, die bei BMW, Opel und anderen aufgelegt werden. Das Reifengeschäft sei für Autohäuser (sowie der Hersteller und Importeure) zunehmend ein Kundenbindungsinstrument und ein echter Ertragsbringer. Insofern ist die Hinwendung zum Reifengeschäft auch als Reaktion auf die verlängerten Serviceintervalle der Fahrzeugmodelle zu sehen: Mit dem Produkt Reifen soll es gelingen, den Autofahrer wenigstens zweimal im Jahr auf dem Hof zu haben. GFU sieht für den am schnellsten wachsenden Absatzkanal für Pkw-Reifen Autohaus bereits mittelfristig einen Anteil von 40 Prozent voraus. Laut BRV-Zahlen bringen es die Autohäuser heute auf 28 Prozent, worin allerdings fünf Prozent enthalten sind, die sich daraus ergeben, dass die Autohäuser die Reifen von ihrem Mitbewerber Reifenfachhandel beziehen (müssen). Dem Reifenfachhandel legt GFU als Reaktion nahe, sich zu einem echten Spezialisten zu entwickeln und empfiehlt dabei das Tuningsegment.

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