„Qualifier“ startet neue Dunlop-Motorradreifenproduktoffensive

Laut Frank Löb, Vertriebsleiter Motorradreifen Deutschland bei der Hanauer Dunlop GmbH & Co. KG, ist der Reifenhersteller weltweit gesehen die Nummer eins im Motorradreifengeschäft. Dennoch will man seinen Worten zufolge verstärkt in dieses Marktsegment investieren, denn auf europäischer Ebene und auch in Deutschland sei die Stellung im Markt jeweils eine Position schlechter. Soll heißen: Auf Europa bezogen reklamiert die Marke Dunlop im Motorradreifengeschäft den zweiten, hierzulande den nach Marktanteilen dritten Platz für sich. „Verglichen mit unserer Weltmarktposition sehen wir deshalb hier noch einiges an Potenzial“, so Löb im Gespräch mit der NEUE REIFENZEITUNG. Aber auch aufseiten der Produkte sieht der Vertriebsleiter noch Nachholbedarf, obwohl Dunlop schon in den vergangenen zwei bis drei Jahre einiges an neuen Motorradreifen im Markt eingeführt hat. Beispielsweise Ende 2002 den „Sportmax D208“ für Fahrer sportlicher Maschinen. Dennoch steht dieses Modell jetzt, drei Jahre nach seiner Premiere bereits wieder vor der Ablösung durch den Nachfolger namens „Sportmax Qualifier“. Und das – so Löb – sei erst der Anfang einer breit angelegten Produktoffensive. Schon im kommenden Jahr sollen demnach drei weitere Neuvorstellungen folgen.

Allein schon wegen der vielen Freigaben für den „D208“ werde dieser allerdings noch einige Zeit im Markt bleiben, ist zu hören. Nichtsdestrotz sind auf lange Sicht die Tage des „Qualifier“-Vorgängers natürlich gezählt, wobei Löb die kürzer werdende Produktzyklen im Motorradreifensegment weniger auf immer höhere Anforderungen vonseiten der Fahrzeughersteller zurückführt als auf den Konkurrenzdruck durch andere Reifenmarken. „Der Wettbewerb in einem ohnehin enger werdenden Markt ist besonders hart“, spielt Löb auf die hierzulande schon seit einigen Jahren rückläufigen Absatzzahlen im Motorradreifengeschäft an. Mit neuen Produkten wie dem „Qualifier“ will Dunlop gegen den Trend im Motorradsegment wachsen, dem Wettbewerb also Marktanteile abjagen. Zwar habe man den zurückliegenden beiden Jahren schon einiges bewegt, doch der Hersteller hat seine Ziele offensichtlich durchaus noch höher angesiedelt. Der jetzt vorgestellte Supersportreifen ist daher als ein weiterer Schritt in Richtung auf dieses Ziel zu sehen. Dabei spielt laut Löb allerdings nicht nur die Marktposition an sich eine Rolle, sondern ergänzend wird seinen Worten zufolge auch vor allem daran gearbeitet, dass die Sparte Motorradreifen in Bezug auf ihr Ergebnis im Goodyear-Dunlop-Konzern besonders gut dasteht.

Trotz dieser stärkeren Ergebnisorientierung sei es jedoch nicht so, dass neue Produkte quasi von oben herab „verordnet“ würden, sondern Änderungen von der Motorradreifendivision selbst initiiert würden. „So sind in den neuen ‚Qualifier’ gewissermaßen alle Neuerungen eingeflossen, die im zurückliegenden Jahr in anderen Produkten wie etwa dem ‚D208 RR’, ‚D208 GP’ oder dem ‚Sportmax GP’ Niederschlag gefunden haben“, so Löb. Bei der Entwicklung des neuen Reifens haben vier Forschungs- und Entwicklungszentren des Konzerns auf drei Kontinenten Hand in Hand gearbeitet, wobei – egal, ob Mischung, Reifenaufbau oder Lauffläche – neuste Techniken zum Einsatz gekommen sein sollen. Die Mischungsfachleute und Konstrukteure in Dunlops europäischen Forschungs- und Entwicklungszentren für Motorräder im französischen Montluçon und in Hanau arbeiteten demzufolge eng zusammen mit den Motorradreifenspezialisten im japanischen Kobe und in Buffalo (New York/USA). Ziel der gemeinsamen, von der Konzeption des neuen Reifens bis hin zu seiner Präsentation laut Löb ziemlich genau 24 Monate dauernden, Anstrengungen war die Markteinführung eines Reifens, der unter allen Fahr-, Straßen-, Klima- und Witterungsbedingungen mit seinen Leistungswerten zu überzeugen weiß.

Der „Sportmax Qualifier“ wurde speziell für Supersportmotorräder entwickelt und soll gegenüber seinem Vorgänger insbesondere in puncto Haftung und Handling deutlich zugelegt haben. „Aber auch verglichen mit dem ‚D208 RR’ ist beispielsweise der Trockengrip des neuen Reifens rund 20 Prozent besser, während beide beim Nassgrip auf mehr oder weniger dem gleichen Niveau liegen“, weiß Löb. Der „Qualifier“ enthält seinen Worten zufolge kein Silica. „Unsere Entwickler sagen, dass man bei einem solchen Reifen nicht notwendigerweise Silica für einen guten Grip benötigt. Dies kann man auch durch andere Maßnahmen im Bereich der Mischungstechnologie erreichen“, erklärt der Motorradreifenvertriebsleiter. Die Gummimischung des „Qualifier“-Vorderradreifens ist der Mediummischung des neuen Rennreifens „Sportmax GP“ sehr ähnlich, die des Hinterradreifens ist demzufolge vom „D208 GP“ abgeleitet. Laut Dunlop kommen für beide Mischungen wie im Rennsport speziell entwickelte Polymere, nanostrukturierte Ruße und proprietäre Granulate zum Einsatz. Eine optimierte Verbindung der großoberflächigen Ruße mit den chemisch modifizierten Polymeren zeichnet dabei für gute Haftungswerte unter allen Fahrbahn- und Witterungsbedingungen bei gleichzeitig hoher Laufleistung verantwortlich.

Die Laufflächenmischungen ermöglichen es Angaben der Entwicklungsingenieure zufolge außerdem, den Anteil an Positivprofil und damit die Haftung noch einmal zu steigern, ohne Abstriche beim Nassverhalten hinnehmen zu müssen. Die schneller ihre Betriebstemperatur erreichenden Laufflächenmischungen seien im Übrigen ebenso mithilfe der Finite-Elemente-Methode (FEM) entwickelt worden wie die Reifenkonturen. Die ins Dreieckige gehende Kontur des Vorderradreifens, die in enger Zusammenarbeit mit dem Dunlop-Motorsportentwicklungszentrum in Großbritannien entstand, entspricht der des „Sportmax GP“ und soll die Handlichkeit sowie das leichte Einlenken des Reifens in Kurven unterstützen und gleichzeitig eine möglichst große Aufstandsfläche in voller Schräglage sicherstellen. Deshalb – so der Hersteller – nimmt der „Qualifier“ im Vergleich mit seinen Vorläufern sowohl höhere Querkräfte als auch stärkere Antriebskräfte auf und erlaubt so nicht nur höhere Kurvengeschwindigkeiten, sondern zudem ein schnelleres Herausbeschleunigen aus Kurven. Am Vorderrad erfordere der „Qualifier“ geringere Lenkkräfte, was mit einem leichteren Einlenken in Kurven sowie flotteren Schräglagenwechsels gleichgesetzt wird.

Einen Beitrag zu den verbesserten Fahreigenschaften steuern demnach jedoch nicht nur die Gummimischung und die Kontur des neuen Reifens bei, sondern auch das Laufflächenprofil. Bei der Profilgestaltung des „Sportmax Qualifiers“ orientierte man sich wiederum am „Sportmax GP“, wobei das Negativprofil in der Reifenmitte im Vergleich zum „GP“ etwas mehr in Längsrichtung orientiert wurde, um die Drainage zu optimieren. „Vorn wie hinten folgen die Profilrillen bei beiden Reifen exakt den bogenförmigen Kraftlinien der bei verschiedenen Schräglagenwinkeln angreifenden Brems-, Beschleunigungs- und Seitenkräfte“, erklärt Produktmanager Matthias Siegmund – „kraftlinienoptimierte Profilgestaltung“ nennt Dunlop dies. Die Bogenform der Kraftlinien kommt dadurch zustande, dass bei Geradeausfahrt ausschließlich Bremskräfte auf den Vorderradreifen wirken, die in Drehrichtung angreifen; bei voller Schräglage hingegen, wenn nicht mehr gebremst werden kann, wirken nur noch Seitenführungskräfte im rechten Winkel zur Drehrichtung; bei mittlerer Schräglage wirken schwächere Seitenführungskräfte, können aber gleichzeitig noch Bremskräfte übertragen werden, sodass die resultierenden Kräfte schräg zur Drehrichtung gerichtet sind – je größer die Schräglage umso stärker nach außen.

Für den Hinterradreifen gelte im Prinzip dasselbe, nur dass die Bremskräfte hier wegen der dynamischen Radlastverteilung irrelevant seien und statt dessen die gegen die Drehrichtung gerichteten Antriebskräfte ins Spiel kommen. Entsprechend sind die resultierenden Kräfte bei mittlerer Schräglage, bei der beschleunigt werden kann, am Hinterrad schräg gegen die Drehrichtung gerichtet. Aus diesem Grund verlaufen die bogenförmigen Kraftlinien und damit auch die Profilrillen am vorderen Qualifier in entgegengesetzter Richtung zu denen am Hinterradreifen. Die Weiterentwicklung dieses „kraftlinienorientierten Profilbildes“ für den „Qualifier“ mithilfe der computerunterstützten Profilgestaltung CATE (Computer Aided Tread Engineering) soll darüber hinaus auch noch in einem formstabileren Positivprofil resultieren. Mit steiferen Profilsegmenten verbinden die Entwickler einerseits einen gleichmäßigeren Abrieb, was sowohl die Laufleistung des Reifens steigere als auch positiven Einfluss auf das Handling nehme. Andererseits werde dadurch wiederum die Verwendung weicherer Gummimischungen ermöglicht.

Bei der Entwicklung des Reifenaufbaus von Vorder- und Hinterradreifen bedienten sich die Dunlop-Ingenieure der computergestützten Konstruktion CAD (Computer Aided Design) sowie der Finite-Elemente-Methode. Der Vorderradreifen weist eine Karkasse aus zwei Nylon-Lagen sowie einen Schnittgürtel aus zwei Aramid-Lagen auf. Dieser Bauart wird eine formhaltige Kontur und eine konstante Aufstandsfläche in Kombination mit einer guten Eigendämpfung attestiert. Am Hinterrad kommt die JLB-Technologie (JLB = Jointless Belt) des Herstellers mit endlos aufgespultem Aramid-Gürtel zum Einsatz, der sich durch minimales dynamisches Wachstum auszeichnen soll. Dank der Weiterentwicklung der Gürtelkonstruktion kommt der „Sportmax-Qualifier“-Hinterradreifen laut Dunlop gegenüber seinem Vorgänger auf ein um ein halbes Kilogramm geringeres Gewicht. Als Vorteil der damit verbundenen Reduzierung sowohl der ungefederten Massen als auch der Kreiselkräfte führt Dunlop nicht nur eine bessere Handlichkeit, Beschleunigung und Straßenlage des Motorrades an, sondern darüber hinaus ein leichteres Einlenken und optimierte Rückmeldungen der Maschine.

Nicht zu vergessen ist zudem Dunlops CTCS-Technologie (Carcass Tension Control System), mit der sich in verschiedenen Bereichen des Reifens unterschiedliche Karkassspannungen realisieren lassen. Damit will man über das gesamte Spektrum von Schräglagenwinkeln eine möglichst optimale Aufstandsfläche des Pneus sicherstellen. In Kombination mit der JLB-Technologie soll sich dank CTCS die Verformung des Reifens bei Hochgeschwindigkeit verringern, seine Aufstandsfläche stabilisieren sowie zusätzlich die innere Reibung reduzieren, um einer Überhitzung des Reifens vorzubeugen. Um den Einfluss der einzelnen Designparameter – sei es in Bezug auf die Mischung, die Kontur oder Profil und Reifenunterbau – in ihrer Summe zu optimieren, setzte der Hersteller während der Entwicklung des „Qualifiers“ nach eigenem Bekunden nicht nur auf ausgefeilte Simulationstechnologien, sondern gleichzeitig auf Prüfstandstests und natürlich Fahrversuche auf verschiedenen Dunlop-Teststrecken weltweit. Motorradfahrer und Testingenieure aus unterschiedlichen Ländern prüften den Reifen demnach auf Rennstrecken und Prüfgeländen in Frankreich, Spanien, den USA und Japan. In Spanien nutzten die Testmannschaften die Rennstrecke von Almeria, in Frankreich den Circuit Pau-Arnos. Zudem sollen die Testteams Tausende von Kilometern auf dem firmeneigenen Prüfgelände in Mireval zurückgelegt haben.

Profitiert hat Reifenhersteller Dunlop bei der Entwicklung des neuen Pneus eigenen Worten zufolge übrigens auch von seiner Erfahrung im Motorsport. So haben beispielsweise die Mitglieder der Dunlop-Motorsporttechnikteams in Großbritannien und Japan eng mit ihren Kollegen in Frankreich, Japan und den USA zusammengearbeitet, die für Straßenreifen zuständig sind. Gemäß der Devise „von der Rennstrecke für die Straße“ sieht man den „Qualifier“ deswegen gewissermaßen als Straßenpendant des „Sportmax-GP“-Rennreifens. „Dabei ist es viel schwieriger als bei einem Reifen für den Renneinsatz alle Anforderungen an einen Straßenreifen unter einen Hut zu bekommen“, sagt Löb. „Denn der normale Motorradfahrer will und kann eben nicht beispielsweise je nach Witterung auf eine andere Mischungsspezifikation zurückgreifen.“ Darüber hinaus sei der Fahrstil auf der Rennstrecke ein ganz anderer: Während es im Rennbetrieb eigentlich nur um Geradeausfahrt und volle Schräglage gehe, nutze ein Straßenfahrer hingegen alle Schräglagenwinkel. Gleichzeitig stünden die supersportlichen Serienmaschinen, für die der „Qualifier“ konzipiert wurde, reinrassigen Rennmotorrädern jedoch immer weniger nach. Mehr und mehr Maschinen „von der Stange“ seien heute gekennzeichnet durch eine immer größere Leistung, weniger Gewicht und höher entwickelte Fahrwerke – einige Modelle haben demzufolge im Laufe der letzten acht Jahre eine Verbesserung des Leistungsgewichts um nicht weniger als 60 Prozent erfahren.

Dass auf Maschinen dieser Kategorie eigentlich nur Radialreifen Sinn machen, schlägt sich in den Absatzzahlen solcher Pneus im Gesamtmarkt nieder. Deshalb zeichnet sich das Segment der Radialstraßenreifen, in dem der „Qualifier“ gegen seine Mitbewerber antritt, durch ein – wie Dunlop sagt – „bemerkenswertes Wachstum“ aus. Vor fünf Jahren noch hätten radiale Motorradreifen erst 37 Prozent Marktanteil für sich reklamieren können, mittlerweile kämen sie aber bereits auf 45 Prozent. Der neue „Sportmax Qualifier“ ist positioniert zwischen dem „D220 ST“ für Sporttourer und dem „D208 RR“ sowie dem „GP Racer“ für Hypersportmotorräder. Gedacht ist er in erster Linie für den Einsatz auf Supersportlern, worunter Dunlop Mehrzylindermaschinen mit einem Hubraum typischerweise zwischen 600 und 1.000 Kubikzentimetern und hoher Motorleistung versteht. Anderseits – so der Hersteller – passe der neue Reifen außerdem sehr gut auf die Topmodelle unter den Sporttourern und funktioniere ebenso auf Hypersportlern mit einer spezifischen Leistung von bis zu einem PS pro Kilogramm.

Bezogen auf den Fahrertyp fasst man laut Löb mit dem „Qualifier“ insbesondere diejenigen Zweiradfans im Auge, die dem Kundentypus „Brothers in Speed“ zugeordnet werden. „Das sind Fahrer, für die das Motorrad die Liebe ihres Lebens ist. Sie sind technisch und am Motorsport interessiert, fahren Maschinen mit viel Hubraum und können in Bezug auf das Thema Motorrad als Meinungsführer angesehen werden. Diese Klientel will die Reifen, die am besten funktionieren“, erzählt Löb. Zweiradbesitzer von diesem Schlage hätten zuvor meist einer Gruppe angehört, die Dunlop unter dem Begriff „Young & Fun“ subsummiert. „Inzwischen sind sie jedoch im Vergleich zu diesem Kundentyp, der sich aus meist ledigen Fahrern aller sozialer Schichten und mit Spaß an der Geschwindigkeit zusammensetzt, gealtert oder haben mittlerweile Familie“, streicht Löb die Unterschiede zwischen beiden Gruppen heraus, die nach Ansicht Dunlops am wahrscheinlichsten im Besitz eines Motorrades sind, auf dem der „Qualifier“ Verwendung finden könnte.

Weniger Interesse an dem neuen Produkt dürften den Erwartungen Dunlops zufolge hingegen die so bezeichneten „Vernunftfahrer“ zeigen, die sich nach dem Verständnis des Reifenherstellers aus Motorradfahrern aller Altersgruppen der unteren sozialen Schichten rekrutieren und für die das Motorrad oder der Roller lediglich ein Fortbewegungsmittel darstellt. „Von diesen werden eher kleinere Fahrzeuge aus zweiter Hand gefahren, und billige Reifen mit hoher Laufleistung stehen im Vordergrund“, meint Löb. Auch die so genannten „Kings of the Road”, die – älter und mit Familie bzw. Kindern – zwar ebenfalls technisch interessiert seien und sich dem Thema Motorrad sehr verbunden fühlten, aber eher auf das Cruisen bzw. Touren mit ihren hubraumstarken Maschinen in den Vordergrund des Interesses rückten, werden nicht wirklich als Zielgruppe für neuen Dunlop-Reifen angesehen (siehe Grafik). Ob diese Klassifizierung der Motorradfahrer nun zutreffen mag oder nicht – wer den „Qualifier“ an seiner Maschine fahren möchte, für den steht er ab sofort in fünf Dimensionen für das Vorderrad und sechs für das Hinterrad zur Verfügung.

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