Selbstverständnis als weltweiter Spieler

Dass Goodyear in Nordamerika die Absicht geäußert hat, das Farmreifengeschäft samt der dazugehörigen Fabrik in Freeport (Illinois) zu verkaufen, hat zu dem ja nicht so entfernt liegenden Gedankengang geführt, auch das US-Unternehmen könne sich analog zu den europäischen Wettbewerbern Pirelli und Continental von diesem in den jeweiligen Konzernen als Nische empfundenen Bereich trennen. Zumal mit Titan auch gleich ein potentieller Käufer bereit stand. Der Verkauf jedenfalls ist bis heute (Stand Anfang September) nicht über die Bühne gebracht; und für Serge Daleiden, bei Goodyear Dunlop Deutschland für das gesamte Agrarreifengeschäft verantwortlich, ist auch nicht sicher, ob es tatsächlich zum Verkauf kommt.

Entwickelt werden Farmreifen ohnehin in Goodyears Forschungszentrum GTCL in Luxemburg: Das GTCL ist bereits seit rund zwei Jahren für alle Konzernentwicklungen im Bereich Radialreifen weltweit und für die – hierzulande immer weiter zurückgedrängten – Diagonal- und Implementreifen weltweit außer Nordamerika verantwortlich. Käme es also tatsächlich doch zu einer Trennung in Nordamerika von dieser Sparte, wären die technischen Auswirkungen marginal und schnell zu kompensieren.

Vom Selbstverständnis her sei Goodyear ein weltweiter Spieler und werde das im Farmbereich auch bleiben, so Daleiden. Goodyear ist und bleibt ein Vollsortimenter, was nicht heißen muss, dass er in irgendeiner Region oder einer Marktnische unbedingt präsent sein müsse, so habe man ja auch keine Vollgummireifen im Angebot. Zumal es einfach nicht ins Bild passen würde, erst die gesamte Produktpalette – wie in den letzten Jahren in Europa geschehen – zu erneuern und neues Image aufzubauen und sich dann vom Farmreifengeschäft zu trennen. Auch die Investitionen in der Fabrik von Amiens sprechen eher dagegen, denn dort wurde die Fertigung aller hochwertigen Radialreifen konzentriert.

Aktuell ist man in der Erstausrüstung wie im Ersatzgeschäft erfolgreich und die Fertigungsanlagen sind gut ausgelastet. Die Premiummarke ist Goodyear, während Fulda die zweite Linie darstellt und nur im Ersatzgeschäft angeboten wird. Übrigens – betont Daleiden – solle die Marke Fulda gestärkt werden, aber nicht auf einem Niveau platziert werden, auf dem die Hauptmarke kannibalisiert werden könne.

Denn Goodyear in Europa ist bei allen namhaften Landmaschinenherstellern Erstausrüstungslieferant und fühlt sich mit den anderen bedeutenden Marken (Michelin/Kleber, Pirelli) mindestens auf gleicher Augenhöhe. Und dass in Europa entwickelte Agrarreifen in Nordamerika produziert und auf Fahrzeugen wie selbstverständlich montiert werden können, die hierher exportiert werden, zeigt, dass die Qualitäten in Amiens und Freeport identisch sind. Die Kunden jedenfalls sind zufrieden, was auch ein Zeichen dafür ist, dass es Goodyear endlich gelungen ist, die jahrelang zu hörenden Vorurteile in der Landwirtschaft gegen das Produkt abzubauen. Bekanntlich war dem Unternehmen lange Zeit hinterhergeschlichen, dass in Amerika entwickelte und für den dortigen Markt zugeschnittene Reifen allzu sorglos in Europa in den Verkauf gebracht worden waren.

Für Dieter Schölling ist das ohnehin eher Geschichte, er – der für das Ersatzgeschäft im deutschen Markt für Farmreifen der Marke Goodyear verantwortlich zeichnet – identifiziert sich mit dem Produkt und der Marke und ist nicht bereit an der Positionierung zu rütteln: Mit dem Preis runtergehen könne man immer und sei leicht, aber für ein Produkt von der Güte der Goodyear-Landwirtschaftsreifen sträflich. Eine Sorge hat er dennoch: Neben vielen sehr qualifizierten Vermarktern von Landwirtschaftsreifen im Reifenfachhandel gebe es einige, die den Fokus zu sehr auf den Preis legen. Folge: Einige Landmaschinenhändler, die es verstehen, mit Qualität und technischen Leistungsmerkmalen zu argumentieren, würden sich Anteile im Markt holen. Dass Goodyear darüber hinaus mit ausgesuchten spezialisierten Großhändlern (beispielhaft sei Grasdorf Wennekamp genannt) gut zusammenarbeitet, ist kein Geheimnis, aber Ziel ist es nicht, „everybody’s darling“ zu sein. Auch das ist Zeichen des Selbstverständnisses eines weltweiten Spielers und einer Premiummarke.

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