RDKS – Warten auf die US-Gesetzgebung

Die Automechanika hätte eigentlich eine treffliche Gelegenheit sein können, einige Reifendruck-Kontrollsysteme (RDKS), die im Markt sind oder von denen wenigstens gesprochen wird, genauer zu präsentieren, einander gegenüberzustellen und sich ein Urteil zu bilden. Ernüchterung: Der RDKS-Marktführer Schrader hatte zwar einen eigenen Stand, aber das Thema Reifendruck-Kontrolle war es offensichtlich nicht wert, in diesem Rahmen präsentiert zu werden. Bei Siemens VDO war Produktmanager Uwe Hofmann zwar bemüht, konnte dem Redakteur aber nur vage über Projekte bei Citroën (Modell C5) und Peugeot (die großen Modelle) informieren, als Vertreter des Ersatzgeschäftes habe man zwar Anfragen, aber was die Kollegen von der Erstausrüstung, der viel größeren Abteilung …? „Der Aftersales-Bereich hat noch keine Freigabe.“ Dass nach Angaben Montupets (Aluminiumgussfelgen) Siemens VDO und der italienische Stahlradhersteller Magnetto miteinander kooperieren, ist denn eine Nachricht, die der Journalist mitbringt. Noch arger endet der Versuch, bei einem taiwanesischen Hersteller (Tech-Cast) etwas in Erfahrung zu bringen, der auf seinem Stand proklamiert, RDKS anzubieten, aber dem überraschten Interessenten eröffnet, das System habe man zu Hause gelassen. Wobei man verstehen muss, dass alle mit diesem Thema befassten Unternehmen mit Ungeduld auf die Vereinigten Staaten blicken, wo über das Wohl und Wehe der einzelnen Systeme entschieden wird. Und genau in der Automechanika-Woche fiel auch tatsächlich eine Vorentscheidung.

Neuer Vorschlag in den USA für RDKS

Nachdem vor Jahresfrist ein US-Gericht den vormaligen Vorschlag der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA), einer Abteilung des nationalen Verkehrsministeriums, für den Standard eines künftigen Reifendruck-Kontrollsystems (RDKS) wieder einkassiert hatte, legte das NHTSA jetzt einen 63seitigen neuen Vorschlag vor. Darin werden zwar direkt messende Systeme (mit Reifensensoren) präferiert, den indirekt messenden (dank ABS/ESP) wird aber gewissermaßen ein Hintertürchen offen gehalten, weil man sich technologischem Fortschritt nicht verschließen will. Nach dem jetzt den involvierten Verbänden vorgelegten Regelwerk soll an allen vier Reifen gemessen werden, ein Alarm soll spätestens bei 25 Prozent Minderdruck ausgelöst werden.

Die Behörden gehen von Kosten in Höhe von etwa 70 US-Dollar für einen Einbau eines solchen Systems pro Auto aus bei einem Volumen von 15,7 Millionen Neuzulassungen in den USA pro Jahr. Dem entgegen stehen – so die Argumentation – etwa 1,7 Milliarden Dollar Einsparungen (vor allem hinsichtlich Treibstoffkosten) jährlich, die entstünden, wenn die Autos mit korrektem Luftdruck auf den Straßen seien. Die NHTSA stellt also den wirtschaftlichen Aspekt in den Vordergrund und lässt auch den Gesichtspunkt Umweltschutz in seinen Vorschlag einfließen.

Das US-Gericht hatte im letzten Jahr ganz klar den Sicherheitsaspekt in den Vordergrund gestellt und damit die (als nicht so leistungsfähig geltenden, aber deutlich billigeren) indirekten Systeme – die das NHTSA prinzipiell akzeptieren wollte – vor kaum zu überwindende Hürden gestellt.

Spätestens im Jahre 2007 muss das neue System in allen Neuwagen montiert sein. Reifen-, Autohersteller und Verbraucherverbände haben nur noch wenige Wochen Zeit, sich zu dem aktuellen Vorschlag zu äußern bzw. etwaige Bedenken vorzutragen. Danach fällt die Tür zu.

Beru – von Deutschland in die Welt

Der NHTSA-Vorschlag liegt auf der Linie der Spekulationen von Beru-Sprecher Hans-Peter Vater, der darauf verweist, dass sein Unternehmen in den Vereinigten Staaten einen Partner hat (die Lear Corporation, Southfield), der durchaus schon Erstausrüstungsaufträge (so von Ford) einheimsen konnte. Lear produziert und liefert in Beru-Lizenz die RDKS. Für Vater bzw. Beru und das Europa-Geschäft ist erst einmal wichtig, dass mit dem A6 der Einstieg („top down“) in das Volumensegment gelungen ist und das Paket für die Umrüstung zum Herbst (siehe jeweils NEUE REIFENZEITUNG 9/2004) dokumentiert, dass Beru – im Gegensatz zu manchem Wettbewerber – nicht nur in der Erstausrüstung Fuß gefasst hat, sondern auch im Ersatzmarkt angekommen ist.

Newcomer „Blue Chips“

Wohl bis zur Automechanika unbekannt gewesen ist den meisten Marktteilnehmern der italienische Anbieter Blue Chips S.R.L. (Gallarate/VA), der auf der Messe mit einem eigenen Reifendruck-Kontrollsystem aufwartete, bei dem Reifendruck- und Temperatur mittels eines Sensors pro Reifen und einem mit der Autoradioantenne verbundenen Empfänger direkt über die RDS-Codes auf jedem RDS-Autoradio angezeigt werden. Das System namens „RDS Digityre“ habe eine Lebensdauer von fünf Jahren oder 500.000 Kilometern und sei für Pkw mit einem Reifendruck von zwei bis vier bar sowie Lkw mit einem Druck von acht bis elf bar geeignet. Natürlich wird der Reifendruck nicht nur auf dem Display des Radios angezeigt, auch ein akustischer Alarm ist vorgesehen und wurde auf dem Messestand demonstriert. Ist allerdings das Autoradio ausgeschaltet, kann auch das RDKS nicht arbeiten.

Viele Neuigkeiten bei SmarTire

Die Mönchengladbacher Firma Seehase ist hierzulande Distributeur des marktbekannten kanadischen Systems SmarTire. Das ist etabliert und bewährt vor allem im Ersatzmarkt, dabei nicht völlig frei von Erstausrüstung, denn auch auf dem Modell DB9 wird Sportwagenhersteller Aston Martin das Reifendruck-Kontrollsystem von SmarTire verbauen. Bereits im Jahre 2000 hatte sich die britische Edelmarke beim Modell V12 Vanquish für das RDKS von SmarTire entschieden. Der DB9 steht übrigens in Serie auf Bridgestone-Reifen in 235/40 ZR 19 (vorne) und 275/35 ZR 19 (hinten).

Für Seehases Dipl.-Ing. Dr. Florian Müller hatte neben dem Motorrad-Druckluftüberwachungssystem (vgl. NEUE REIFENZEITUNG 8/2004) auf der Messe allerdings „RoadVoice“ – die permanente Reifendruck- und Temeperaturkontrolle per Funk während der Fahrt für Reisemobile, Busse und Lkw – den höchsten Nachrichtenwert, schließlich hat er darauf seit geraumer Zeit gewartet, schließlich kann (Problematik Reisebusse) der Nutzen von SmarTire hier besonders zum Zuge kommen. In Taiwan ist es bereits zu einem Großauftrag für Omnibusse gekommen. Das neue System überwacht bis zu zwanzig Nutzfahrzeugreifen und ist erhältlich in zwei Ausführungen: einmal bis zu 4,5 bar Kaltdruck und einmal bis zu elf bar Kaltdruck, wobei Müller darauf hinweist, dass das System bis zu 14 bar Betriebsdruck sicher sei. Freilich sind noch nicht alle Probleme gelöst, so sei man bei der Einbindung von Anhängern bzw. Aufliegern noch nicht so weit, weil für diese häufig die Zugfahrzeuge gewechselt werden.

Gleichwohl ist das Unternehmen ohnehin in einem permanenten Entwicklungsprozess, in technischer Hinsicht wie beim Vertrieb. So funktioniert das Reifendruck-Kontrollsystem SmarTire bislang mit Batterien, jetzt hat das kanadische Unternehmen die erste Testphase der nächsten Produktgeneration abgeschlossen, die ohne Batterien auskommen soll. Dabei nutzt das System einen „passiven Sensor“ direkt im Reifen, der durch eine Antenne innerhalb des Rades mit Energie versorgt werden soll. SmarTire verspricht für diese neue Version Vorteile hinsichtlich Gewicht, Größe und Kosten. Etwa in einem Jahr soll das System vermarktungsreif sein.

Vermarktet wird SmarTire wie andere Autoteile traditionell über den Großhandel, doch wird versucht, auch hier neue Wege zu beschreiten: Der kanadische Verband BCSC (British Columbia Safety Council), der sich der Fahrsicherheit und damit der Reduzierung von Unfällen bzw. den daraus resultierenden Verletzungen verschrieben hat, wird in Zukunft als Wiederverkäufer des SmarTire-Reifendruckkontrollsystems agieren. Vermarktet werden soll insbesondere das System für Motorräder, da der Verband seit seiner Gründung schon mehr als 40.000 Motorradfahrer durch entsprechende Kurse den sicheren Umgang mit ihren Maschinen gelehrt hat. Allerdings will der BCSC die SmarTire-Produkte für Pkw, Busse und Lkw auf die gleiche Weise promoten, um dadurch die Teilnehmer der jeweiligen Lehrgänge hinsichtlich der Wichtigkeit eines korrekten Reifenluftdrucks zu sensibilisieren. „Wir beim BCSC wissen, welchen Einfluss der richtige Luftdruck auf die Fahrsicherheit hat – egal bei welchem Fahrzeug“, sagt Ian Thomas, Manager Road Safety & Traffic Education Services des Verbandes. „Besonders kritisch ist die Sache natürlich aber bei Motorrädern, wo schon kleine Abweichungen vom Solldruck extrem gefährlich sein können. Das Reifendruckkontrollsystem von SmarTire ruft dies dem Fahrer ins Gedächtnis und kann so unter Umständen Leben retten.“

Und ein Blick in die Zukunft

Was aber kommt, wenn sich Reifendruck-Kontrollsysteme auf breiter Front durchgesetzt haben und irgendwann in jedem Pkw, Lkw oder Motorrad Standard sind? – Einen Ausblick auf diese (mögliche) Zukunft war – etwas versteckt – auf einem kleinen Areal des Standes der Firma SKF GmbH zu sehen. Freilich sei das ein noch sehr weit entfernt gelegenes Projekt, meint SKF-Marketingmanager Christian Bauer. Ob das in zwei oder fünf Jahren komme oder in dieser Form überhaupt, sei völlig offen. Ob Fragen zum Beispiel zur Temperatur der Druckluft bereits ausreichend geklärt seien, wissen wohl nur die Entwickler. Immerhin geben diese preis, dass beim so genannten „Luft-Radlager“ Druckluft aus dem Fahrzeug durch die Nabe in den Reifen übertragen werden kann. Diese Lager kommen beim Tire Intelligent Pressure Management (TIPM) zum Einsatz, das unter Federführung von Michelin entwickelt wurde. In dieses Projekt zur Optimierung der Reifendruck-Kontrolle sind ferner TRW Automotive und WABCO involviert. Mit TRW entwickelt Michelin im Rahmen eines 50:50-Jointventures das direkt messende Reifendruck-Kontrollsystem EnTire Solution für Pkw und Leicht-Lkw. TRW trägt sein Know-how auf dem Gebiet der Datenübertragung per Funk zu dem Projekt bei. EnTire Solution vermeide fast hundertprozentig, dass es zu Fehlalarmen kommt, so Michelin vor einigen Monaten in einer Pressemeldung. Mit WABCO kooperiert Michelin bereits seit 1997 in ähnlicher Weise auf dem Gebiet der Nutzfahrzeuge. Bestandteil des auf dem SKF-Stand zu sehenden „Teil“ des künftigen TIPM für Pkw und LLkw ist ein Kompressor, der schon während des Fahrens bei einem natürlichen Druckverlust oder bei einem schleichenden Druckverlust aufgrund einer Reifenbeschädigung automatisch für Kompensation sorgen soll. Sobald das System erkannt hat, dass einer der Reifen Luft verliert, schaltet sich der Kompressor ein und führt diesem Reifen über die Radnabe Luft zu, bis der ideale Reifendruck wieder erreicht ist. Das System soll natürlich auch bei Überdruck für Kompensation sorgen, das heißt es wird dank des Reifenmanagementsystems Luftdruck in die andere Richtung abgelassen. Wenn ein System in der Lage ist, nach Bedarf Luft zuzuführen oder abzulassen, so bedeutet das im nächsten logischen Schritt, dass der Reifendruck auch entsprechend Parametern wie Geschwindigkeit, Zuladung oder Straßenverhältnisse angepasst werden kann. Wie die NEUE REIFENZEITUNG aus anderen Quellen erfahren hat, ist bereits ein erster Prototyp (Audi A6 allroad) mit Aluminiumgussrädern unterwegs (in der PAX-Technologie) der Größe 480×215 (etwas mehr als 19 Zoll) und einem so genannten „Luftdurchführungskanal“. Weitere Einzelheiten, so zur Serienreife, waren nicht zu erhalten. detlef.vogt@reifenpresse.de

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