Degussa: „Winzige Rußpartikel machen Reifen leistungsfähiger“

„Spätestens seit dem ‚Reifenkrieg’ zwischen Bridgestone und Michelin in der letzten Formel 1-Saison ist klar, welche Bedeutung die richtige Gummimischung für die Performance eines Reifens hat“, sagt die Degussa AG, die sich selbst als größer Hersteller von Industrieruß in Europa bezeichnet. Und genau diese besondere Variante des Kohlenstoffs, die weltweit wahrscheinlich besser unter ihrer englischen Bezeichnung Carbon Black bekannt sein dürfte, habe einen wichtigen Anteil an den gewünschten Mischungseigenschaften. Nicht umsonst gehen nach Degussa-Angaben rund 85 Prozent der weltweit im Unternehmen erzeugten Industrieruße in die Gummiindustrie – 15 Prozent werden als Pigmente eingesetzt. Schließlich sei nicht nur in der Formel 1, sondern auch für den „normalen“ Autofahrer ein perfektes Zusammenspiel von Reifen und unterschiedlichen Fahrbahnen enorm wichtig.

Die Aufgabe der Feinabstimmung zwischen Nassrutschfestigkeit, d.h. der Haftung auf nassen Straßen, dem Abrieb und dem Rollwiderstand kommt dabei natürlich dem jeweiligen Reifenhersteller zu. „Die Reifenproduzenten verstehen es hervorragend, mit zielgerichteten Gummimischungen anwendungsspezifische Reifen zu designen. Wir helfen ihnen mit innovativen Füllstoffsystemen, mit denen sich die angestrebten chemisch-physikalischen Veränderungen realisieren lassen“, sagt Dr. Reinhard Stober, Forschungsleiter für Füllstoffsysteme & Pigmente beim Spezialchemieanbieter Degussa. Da die Reifenindustrie – nicht nur in der Formel 1 – die genauen Rezepturen der jeweiligen Gummimischungen verständlicherweise geheim halte, wüssten selbst die Chemiefirmen zwar nicht um die detaillierte Zusammensetzung der Compounds. Dennoch könne man die chemischen Voraussetzungen für innovative Reifenlaufflächen schaffen. „Durch gezieltes Partikeldesign im Nanometerbereich erfüllen diese Produkte dann die ständig steigenden Anforderungen an den Rollwiderstand, den Abrieb und die Nassrutschfestigkeit“, so Stober.

So winzig die Rußteilchen zunächst seien, wüchsen sie durch Zusammenlagerung aber schnell zu größeren Aggregaten. Degussa arbeitet nach eigenen Aussagen seit einiger Zeit intensiv an einer „Nanostrukturierung“, die den Zusammenhalt zwischen Ruß und Gummi durch eine gezielte Beeinflussung der Oberfläche und Partikelgeometrie der vielen kleinen Teilchen deutlich verbessern soll. Die Auseinandersetzung mit den sich untereinander beeinflussenden Anforderungen an Nasshaftung, Abrieb und Rollwiderstand eines Reifens führt laut Degussa zwangsläufig zu interdisziplinären Ansätzen von Chemie und Physik. Eine der Hauptaufgaben liege darin, die Zielkonflikte in den Eigenschaften zu minimieren und dabei die Grenzen dieses so genannten „magischen Dreiecks“ zu überwinden. Die Herausforderung sei die Optimierung der Haftung, ohne den Rollwiderstand zu erhöhen oder die Laufleistung zu beeinträchtigen. Mittlerweile wisse man, welcher Reifen sich für diese oder jene Unebenheit des Asphalts am besten eigne – vor allem, welche Kräfte auf das Material einwirken. Schließlich seit ein Reifen bei einer Vollbremsung ganz anderen chemisch-physikalischen Belastungen unterworfen als beim normalen Fahren auf einer Straße.

Aktuelle Entwicklungen zielen demnach auf extrem kurze Bremswege, eine noch bessere Haftung auf trockenem oder nassem Untergrund sowie ausgewogenere Handlingeigenschaften. Eine wichtige Rolle komme in diesem Zusammenhang den Industrierußen zu. „Außer der schwarzen Farbe hat dieser Rohstoff allerdings nichts mit gewöhnlichem Ruß gemein. Carbon Black ist ein unter festgelegten Bedingungen und bei weit über 1.000 Grad Celsius hergestellter Industrieruß. Seiner hohen Reinheit wegen lässt der Gesetzgeber den Einsatz auch an Gegenständen zu, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen“ lässt die Degussa AG wissen, die am Standort Hürth-Kalscheuren derzeit rund 80 verschiedene Rußtypen herstellt, zu denen noch weitere 100 Rußpräparationen für spezielle Anwendungen kommen. Die Gewinnung von Carbon Black erfolgt – so erklärt das Unternehmen – durch ein gezieltes, unvollständiges Verbrennen von flüssigen oder gasförmigen Kohlenwasserstoffen. Durch die Manipulation der Rußoberfläche und die Anordnung der Partikel sollen in Kautschukmischungen deutlich verbesserte physikalische Eigenschaften erreicht werden können.

Bei modernen Reifen ist die höhere Leistungsfähigkeit noch auf einen zusätzlichen Inhaltsstoff zurückzuführen: Kieselsäure oder auch Silica genannt. „Da Kautschuk und Silica aber auf Grund ihrer unterschiedlichen Polarität zu keiner Verbindung fähig sind, werden bifunktionelle organische Siliciumverbindungen – kurz: Organosilane – als Kuppler eingesetzt“, erläutert ein Techniker des Unternehmens, das die Silica/Silan-Technologie entwickelt und dann zusammen mit der Reifenindustrie vor rund zehn Jahren zur Marktreife gebracht hat. „Heute werden in Europa fast alle Pkw mit Reifen bestückt, deren Lauffläche Silica enthält“, sagt der Anbieter, der – wie er selbst sagt – als Einziger mit Carbon Black, Silica und Organosilanen alle drei Komponenten für Reifen herstellt.

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