Mehr als 40 Stunden die Woche arbeiten

Nahezu die Hälfte der deutschen Studenten erwartet nach einem Berufseinstieg eine frei vereinbarte Arbeitszeit von mehr als 40 Stunden in der Woche. Das hat die repräsentative „Continental-Studentenumfrage“ ergeben, die heute an der Technischen Universität (TU) in Darmstadt vorgestellt wurde. „Das zeigt sowohl den Realitätssinn als auch die Einsatzbereitschaft des akademischen Nachwuchses in Deutschland“, sagte Continental-Personalvorstand Thomas Sattelberger anlässlich der Vorstellung der Ergebnisse.

Der internationale Automobilzulieferer stellt in diesem Jahr insgesamt mehr als 900 Hochschulabsolventen ein. Von den mehr als 600 jungen Ingenieuren und Naturwissenschaftlern sowie knapp 280 neuen Mitarbeitern im kaufmännischen Bereich werden jeweils gut die Hälfte in Deutschland eingesetzt. „Wir wollen wissen, welches Meinungsbild unsere kommenden Nachwuchskräfte zu wichtigen Fragen künftiger Arbeitswelten haben und gaben deshalb die Untersuchung in Auftrag“, sagte Sattelberger. TNS/EMNID hat daher Anfang diesen Jahres 1.015 Studenten zu ihren Ansichten unter anderem zu Arbeitszeit, Karriere und Qualifizierung befragt.

Lediglich 1,8 Prozent erwarten danach zum Berufsstart eine tarifliche Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche, nur 5 Prozent gehen von 37,5 Stunden pro Woche aus. Und nur etwa ein Viertel der Befragten würde sich tariflich geregelte Arbeitszeiten von 35 bzw. 37,5 Wochenstunden wünschen. „Diese Zahlen sind betrüblich für dogmatische Arbeitszeit-Regulierer“, meinte Sattelberger. Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx vom Zukunftsinstitut sagte dazu: „In der entwickelten Wissensökonomie wird irgendwann jeder einen auf seine Fähigkeiten und Wünsche designten Arbeitsvertrag erhalten können, der sich auch im Lauf der Zeit an neue Bedingungen anpassen lässt.“

Sattelberger verwies außerdem darauf, dass regelmäßige Wochenendarbeit für 20,1 Prozent kein Problem ist und 66,1 Prozent sich diese „gelegentlich“ vorstellen können. Nur 9,9 Prozent sagen, dies wäre ein Grund, den Arbeitsplatz nicht anzunehmen. Auch das Thema Freizeit wird vor allem pragmatisch gesehen, Planbarkeit geht vor Regulierung: Zwar hat für 39 Prozent geregelte Freizeit eine hohe oder sehr hohe Priorität (gegenüber 24,7 Prozent mit geringer oder keiner Priorität). 81,4 Prozent nennen aber „planbare Freizeit“ mit hoher bzw. sehr hoher Priorität. „Das belegt, dass für kreative Nachwuchskräfte mit termingebundenen Projektaufgaben flexible und individuelle Arbeitszeitsysteme inklusive Arbeitszeitkonten die richtige Lösung sind“, sagte Sattelberger.

Er bezeichnete es als „beachtliches Ergebnis“, dass 50 Prozent der Befragten einen sehr schnell mit hoher Verantwortung und Entscheidungskompetenz ausgestatteten Arbeitsplatz einem besser bezahlten, aber weniger attraktiven Job bevorzugen würden: „Geld ist für die Hälfte des akademischen Nachwuchses nicht der erste Gradmesser für die Attraktivität einer Aufgabe oder Firma.“

Die Dreiteilung des Einkommens in Grundgehalt sowie variable Anteile, die einerseits vom persönlichen und andererseits vom Unternehmenserfolg abhängen, kommt für 60,8 Prozent voll und ganz oder eher in Frage. „Auch hier hat eine deutliche Mehrheit eine nach Leistung differenzierte Beurteilung der Arbeitswelt“, sagte Sattelberger. Eine realistische Einschätzung zeige sich auch daran, dass 68 Prozent die Berufswelt der Zukunft als „eine Abfolge zeitlich befristeter, dafür gut bezahlter und interessanter Jobs bei unterschiedlichen Arbeitgebern mit Zweckbündnis-Charakter“ sehen. Weniger als ein Drittel geht von einer „unbefristeten, möglichst lebenslangen Anstellung und einem hohen Maß an Loyalität“ aus. Dieses von Selbstverantwortung getragene Urteil korrespondiert mit der Aussage „Jeder ist heutzutage Unternehmer seiner Talente“, der 73,1 Prozent voll und ganz oder eher zustimmen.

„Junge Menschen in universitären Ausbildungen wissen heute, dass sie in ihrem Leben mehrere Berufe, mehrere Arbeitgeber, untypische Berufskarrieren erleben werden“, sagte Horx. „Dieser Wandel macht Angst, aber er beinhaltet auch eine Menge guter Botschaften und Chancen. Aus Monotonie wird Engagement. Aus Fixiertheit an einen Ort wird globale Mobilität. Individualität, Kreativität und Selbstverantwortung, im Rahmen traditioneller Arbeitskulturen eher Abweichungen, rücken nun ins Zentrum der Wertschöpfung.“

„Bestätigt sehen wir uns als Arbeitgeber auch in unserer Einschätzung, dass wir innovative Systeme und Prozesse lebenslanger Weiterbildung benötigen“, erklärte Sattelberger. Er verwies darauf, dass jeweils 25 Prozent ihr erworbenes Wissen schon heute für veraltet oder für maximal drei Jahre up-to-date halten. 52,3 Prozent gehen davon aus, künftig elf bis 20 Prozent ihrer Arbeitszeit für Weiterbildung aufwenden zu müssen. 31,9 Prozent gehen sogar von mehr als 20 Prozent ihrer Arbeitszeit aus. 46,2 Prozent meinen, der Arbeitgeber sollte für Ausbildung die Mittel (Kosten), der Arbeitnehmer die Zeit zur Verfügung stellen. In diesem „Co-Invest“ für lebenslanges Lernen und Berufsfähigkeit sieht Sattelberger die richtige Weichenstellung.
58,3 Prozent der Befragten können sich einen völlig abseits des Studien-Spektrums gelegenen Arbeitsplatz vorstellen. Allerdings würden bei Jobverlust nur 5,5 Prozent ohne jeden Einwand eine schlechter bezahlte Stelle annehmen, 30,5 Prozent können sich das „eher vorstellen“, 44,5 Prozent antworteten mit „teils, teils“. „So realitätsnah die Antworten insgesamt in der Studie auch ausfallen, so herrscht in dieser Frage eine zwar persönlich sehr verständliche, angesichts des globalen Wettbewerbs aber überholte Ansicht vor“, meinte Sattelberger.

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