Neuer Insolvenzantrag gegen Reifen Schwarz – Alle Filialen geöffnet

Die Commerzbank Nürnberg hat wegen einer Forderung von mehr als 700.000 Euro einen Insolvenzantrag gegen die Firma Reifen Schwarz gestellt. Aufgenommen hatte den Kredit, mit dem Löhne und Gehälter für den Monat Oktober gezahlt wurden, die Reifen Schwarz GmbH, vertreten durch den Generalbevollmächtigten und Rechtsanwalt Christian Reidel und mit Zustimmung der Insolvenzverwalterin Hasenöhrl. Ob dieser neuerliche Insolvenzantrag, von dem sie „auch überrascht“ worden sei „gültig“ ist, müsse erst noch geprüft werden, teilt Theres Schwarz mit. Einstweilen bleiben die Filialen geöffnet. Ob auch Neureifen verkauft werden, bleibt unklar. Es dürfte aber darum gehen, die Kunden gehörenden Reifen und Räder herausgeben zu können.

Was ist zu überprüfen? Einen zur Aufnahme dieses Kredits erforderlichen Gesellschafterbeschluss habe es nicht gegeben und das führt zu dieser Aussage von Theres Schwarz: „Deswegen wurden wir von dieser Forderung auch überrascht.“ Wie ist das zu verstehen? Da hat ein Unternehmen mehr als 400 Belegschaftsmitglieder, kann deren Löhne und Gehälter nicht bezahlen und völlig überraschend kommt dann doch irgendwie Geld ins Haus eines Unternehmens, für das die Familie selbst Insolvenz beantragt hat? Die Commerzbank hat den Betrag „vorgestreckt“, weil nach Eröffnung der Insolvenz, die ursprünglich für den 1. Dezember 2003 fest terminiert war, das Arbeitsamt diesen Betrag rückwirkend bezahlt hätte. Mit Rücknahme des Insolvenzantrags ist das nun hinfällig und die Commerzbank sieht sich von einer Sekunde auf die andere als neuer Großgläubiger und an der Nase herumgeführt, denn mit Rücknahme des Insolvenzantrags habe es eine Firma Reifen Schwarz GmbH & Co. KG nicht mehr gegeben, sondern Gotthard Schwarz sei mit Rücknahme des Insolvenzantrags Alleininhaber der Offenen Handelsgesellschaft Reifen Schwarz; das ist die doch schon ziemlich nahe an der Unseriosität liegende, mindestens aber verzweifelt klingende neue „Verteidigungslinie.“ Die Vorzüge der beschränkten Haftung hatte die Familie Schwarz dem Vernehmen nach sowieso schon verloren, weil sie zu spät Insolvenz beantragt hatte. Und dieser Vorhalt wurde ihr im Grunde von allen Gläubigern gemacht.

Deshalb war auch wenig wirklich überraschend. Während sich einige Gläubigerfirmen, u.a. Continental, Dunlop und Michelin, zusammen mit Thomas Schwarz letzten Dienstag in Andernach gerade an den Verhandlungstischtisch gesetzt hatten, bimmelte das Handy von Thomas Schwarz und ein offenbar jeglichen Rest an Contenance verlierender Nürnberger Bankkaufmann schrie in die Leitung: „Ich bin 35 und habe zwei kleine Kinder!“ Man werde ihn nun vermutlich feuern. Er fühle sich hintergangen wegen des zurückgezogenen Insolvenzantrags. In dieser Verhandlungsrunde, zu welcher der für die Familie Schwarz neu ins Boot gekommene Nürnberger Rechtsanwalt Sallek geladen hatte, würde ins Auge gefasst, dass Mitglieder der Familie Schwarz mit einem Stammkapital von 500.000 Euro eine neue Gesellschaft gründen und im wesentlichen dann die „alte Firma Schwarz“ fortführen. Der Begriff „Auffanggesellschaft“ soll jedoch peinlichst vermieden worden sein. Die Lieferanten, allen voran in alphabetischer Reihenfolge Continental, Dunlop und Michelin, würden dann in einem überschaubaren Rahmen und mit überschaubarem Risiko wieder liefern. Mit „überschaubarer Rahmen“ ist wohl das Hofgeschäft gemeint, denn mehr als 50 Prozent des gesamten Umsatzes der Firma Reifen Schwarz, das wurde aus dem Gläubigerkreis wiederholt bestätigt, drehte das Unternehmen im margenschwachen Großhandel und je enger es wurde, umso mehr rückten Streckengeschäfte mit Geldwechselcharakter in den Vordergrund. Davon aber wollen die Hersteller nichts bemerkt haben bzw. erst zu spät darauf gestoßen sein. Ebenfalls war man sich im „Andernach-Kreis“ darüber einig, dem noch jungen Firmenchef Thomas Schwarz Hilfe angedeihen zu lassen in Person eines erfahrenen Sanierers, sofern dieser eine neue Firma auf die Spur zu bringen wüsste. Der Sanierer war in Kurt Sallek, einem Onkel des Rechtsanwalts, schnell gefunden. Doch auch da tut sich ein kleines Problem auf. Kurt Sallek sehe zwar kernig aus, aber er sei immerhin bereits 76 Jahre alt. Gewiss hätte er nicht gleich 76 Jahre alt sein müssen, aber einen jüngeren Onkel habe Rechtsanwalt Sallek nun mal nicht gehabt.
Auf einer Betriebsversammlung letzten Freitag muss es nach Berichten der Passauer Neue Presse hoch hergegangen sein; die Belegschaft fühlt sich schlecht informiert und hat ein Ultimatum gestellt. Sie will bis Mittwoch dieser Woche umfassend informiert werden und erklärt bekommen wie es weitergehe. Die meisten Mitarbeiter hätten ohne Rücknahme des Insolvenzantrags nun schon 80 Prozent ihres Lohnes erhalten, so aber warten alle auf die auch heute noch ausstehende Zahlung für November. Ein zweites Mal wird die Commerzbank nicht so frühzeitig Gelder zur Verfügung stellen. Auf dieser Versammlung erschien auch Gotthard Schwarz in Begleitung von Frau Theres und Sohn Thomas. Viel zu sagen hatte die Familie jedoch nicht, weil hinter den Kulissen immer noch verhandelt wird und es einfach bis zur Stunde noch kein Verhandlungsergebnis gibt. Die Reaktionen der Belegschaft zeigten sowohl Verständnis für die Familie Schwarz als auch absolutes Unverständnis.

Mit einiger Bitterkeit reagiert Theres Schwarz. Von Politikern, Oberbürgermeister oder sonstigen Landespolitikern habe man „seit Bekanntgabe der finanziellen Schieflage nichts gehört.“ Und „unangenehm überrascht“ habe sie die Aussage der Bridgestone, das Interesse an einer Übernahme zu verlieren, wenn nicht im Dezember eine Entscheidung falle: “Bridgestone will unser Lebenswerk kaputt machen. Bridgestone will die Firma übernehmen, ohne einen Cent zu bezahlen. Zumindest haben wir von einem Angebot nichts gehört. Im Gegenteil, Bridgestone verweigert jeden Kontakt.“
Emotionale Einlassungen dieser Art mögen verständlich sein, führen aber dann doch schnell zu der Vermutung, dass die Familie tatsächlich den vollen Überblick im vorliegenden Stück verloren hat. Die eigentliche Tragik für die Familie Schwarz liegt darin, dass sie den günstigsten Verkaufszeitpunkt ohnehin seit zwei, drei Jahren schon verpasst hatte. Mit Bridgestone hatte es offensichtlich viele Gespräche gegeben, die alle miteinander aus Gründen, die öffentlich nicht bekannt geworden sind, zu keinem Ergebnis führten. Das Spiel auf Zeit, sofern es ein solches gab, lief dann jedoch ungünstig für Schwarz. Und auch hierauf muss man hinweisen: Bridgestone war einziger Interessent für eine Übernahme. Vor einigen Monaten hatte es ein von einer namhaften Beratungsgesellschaft erstelltes Gutachten gegeben, nach dem die Firma Reifen Schwarz als nicht mehr sanierungsfähig und damit wertlos eingestuft worden ist. Wenn Theres Schwarz nun Bridgestone unterstellen möchte, das Lebenswerk der Familie kaputt machen zu wollen, gehört diese Unterstellung ins Reich der Fabel. Es gab solche Gespräche durchaus in der Vergangenheit, es gab vielerlei Sandkastenspiele mit dem letztlich aber stets verworfenen Ziel der Errichtung einer Auffanggesellschaft und last but not least ist auch darauf hinzuweisen, dass der Rechtsanwalt Christian Reidel kein „Bridgestone-Anwalt“ war und ist, sondern er war Anwalt der Firma Schwarz und ist von der Familie Schwarz zum Generalbevollmächtigen ernannt worden. Bridgestone hatte eine Vereinbarung mit Reifen Schwarz und von dieser Vereinbarung hat die Familie natürlich gewusst. Und war es für Bridgestone ein Schnäppchen? Sowohl Continental als auch Dunlop und Michelin erklärten in diesen Tagen gegenüber Neue Reifenzeitung, für sie komme eine Übernahme nicht in Betracht. Warum denn nicht wenigstens zum Nulltarif, was man nun Bridgestone zum Vorwurf machen möchte? Der Preis für die Übernahme als solche ist selten entscheidend, sondern viel entscheidender sind Folgekosten, zum Beispiel ohne jede Frage zu finanzierende Restrukturierungs- wie Sanierungskosten. Das Lebenswerk der Familie Schwarz hat nicht ein einziger Reifenhersteller zerstört, sondern die Reifenhersteller als Lieferanten, und damit auch Bridgestone, haben jetzt schon viele Millionen verloren.

Am heutigen Tag ist immer noch völlig ungeklärt, was bei Reifen Schwarz letztlich geschehen wird. Die „alte“ Firma Schwarz von Gotthard Schwarz ist definitiv nicht zu retten, sie wird untergehen. Ob die Filialen an Bridgestone gehen oder scheibchenweise aufgeteilt werden, ist nicht zu prognostizieren. Für die Belegschaft wäre eine schnelle Lösung mittels Übernahme durch Bridgestone wohl am besten. Ansonsten wird es länger dauern. Wenn das Duo Sallek und Sallek in der Lage ist, ein halbwegs Erfolg versprechendes Konzept zu unterbreiten, kann dies zum Tragen kommen. Anderenfalls wird man versuchen müssen, für jede Niederlassung einen Übernehmer zu finden. Da werden sich dann Vergölst, Euromaster und HolertKonz anstellen können wie andere Reifenhändler aus der Region.

Es ist äußerst bitter, den Untergang seines Unternehmens vor Augen zu haben und nichts mehr tun zu können. In Passau befindet man sich in einer Phase, in der alle Beteiligten nach einer Lösung suchen, sofern diese sie jedenfalls selbst nicht ins Hintertreffen bringt. Es wird nur vordergründig um Dinge gefochten, die sich gut anhören, die man sich aber eben nicht leisten kann. In Insolvenzen profiliert sich niemand mit heroischem Tun, sondern mit Sachlichkeit. Wie lassen sich ohnehin große Schäden minimieren, lautet das Gebot der Stunde. Ging es der Familie Schwarz um Rettung möglichst vieler Arbeitsplätze? Dann hätte sie den Insolvenzantrag nicht zurückziehen müssen. Und Bridgestone? Hätte Bridgestone nicht einfach ein paar Millionen auf den Tisch legen können und das Problem sei keines mehr gewesen? Ist das nicht sehr naiv? Warum werfen Continental, Dunlop und Michelin nicht mal eben ein paar Millionen hinterher?
Es ist nicht populär, aber es stimmt: Keiner der beteiligten Reifenhersteller kann es als seine Aufgabe ansehen, möglichst viele Arbeitsplätze zu retten, sofern damit Nachteile für ihn verbunden sind. Jeder Spitzenmanager eines Reifenherstellers ist in erster Linie verantwortlich für die eigene Belegschaft. Und so lange allenthalben von Arbeitsplatzabbau die Rede ist, kann sich niemand um die Sorgen und Probleme fremder Dritter kümmern. Und auch wenn der Familie Schwarz die Einsicht schwerfallen mag: Kein Reifenhersteller hat die Firma Schwarz kaputt gemacht. Das Management hat einfach zu viele falsche Entscheidungen getroffen, die sich in Krisensituationen nicht mehr reparieren lassen. Die Ursachen für die Krise liegen vermutlich schon fünf Jahre und länger zurück.
klaus.haddenbrock@reifenpresse.de

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