Jedes Kilo zählt

Mit dem Superbreitreifen X One ersetzt Michelin als erster Hersteller die herkömmliche Zwillingsbereifung in der europäischen Erstausrüstung für Nutzfahrzeuge im Fernverkehr. Der neue Hightech-Reifen bietet gleich ein ganzes Bündel von Vorteilen, das die Nutzfahrzeug-Hersteller überzeugen soll: Er trägt maßgeblich zur Fahrzeugstabilität bei, spart Gewicht und senkt den Kraftstoffverbrauch. Bereits seit Anfang Juli 2003 rollt die TGA-Baureihe von MAN mit dem Michelin X One auf der Antriebsachse über deutsche Straßen. In naher Zukunft wollen weitere führende Nutzfahrzeugproduzenten in der Erstausrüstung Sattelzugmaschinen mit dem neuen extra-breiten Reifen ausstatten, Mercedes-Benz zählt allerdings nicht dazu. Auf der offiziellen Präsentation des neuen X One im spanischen Almeria konnte sich die NEUE REIFENZEITUNG von den Vorzügen des Superbreitreifens überzeugen.

Michelin ist der erste Reifenhersteller, der die Einzelbereifung in der Erstausrüstung für Nutzfahrzeuge in Europa anbietet. Mit einer Tragfähigkeit von 11,6 Tonnen pro Achse ist der Michelin X One 495/45 R 22.5 XDA 2 Energy für die Antriebsachse von 40-Tonnern im europäischen Fernverkehr ausgelegt. Im Vergleich zur herkömmlichen Zwillingsbereifung 315/70 R 22.5, die vom X One ersetzt wird, erhöht der neue Reifen die gesamte Nutzlast um 130 Kilogramm und senkt den Treibstoffkonsum um zwei Prozent. Bis zu acht Prozent Treibstoffersparnis seien möglich, wenn der ganze Zug mit den rollwiderstandsoptimierten A 2 Energy-Reifen von Michelin ausgerüstet ist. Dies sei der „Idealfall“, erläuterte Olaf Henning, bei Michelin für das Marketing Nutzfahrzeugreifen Deutschland, Österreich und Schweiz verantwortlich. Im Praxistest erreichte der X One gemeinsam mit Michelins Energy-Reifen im Vergleich zu einer herkömmlichen Lkw-Bereifung knapp sechs Prozent Treibstoffersparnis. Beim Test auf dem Michelin Testgelände in Almeria führen die Lkw aber einen höheren Kurvenanteil als auf europäischen Autobahnen, was auch einen höheren Rollwiderstand zur Folge habe, erklärte Heribert Rilinger vom Technischen Kundendienst. Daher seien die idealen acht Prozent in Almeria nicht zu erreichen. Gesicherte Tests mit dem ebenfalls neuen X One-Busreifen von Michelin ließen aber die Annahme zu, dass der Lkw-Reifen auf insgesamt acht Prozent weniger Kraftstoffverbrauch kommt. Ein umfangreicher Test des X One-Lkw-Reifens stehe demnächst an. Bis zu acht Prozent Treibstoffersparnis bringt also ein 40-Tonnen-Sattelzug mit Auflieger, der mit Michelin A 2 Energy Reifen auf Lenk- und Trailerachsen sowie mit Michelin X One 495/45 R 22.5 XDA2 Energy auf der Antriebsachse ausgerüstet ist: während sechs Prozent der Kraftstoffersparnis der Michelin eigenen, energiesparenden A 2 Energy-Technologie zu verdanken seien, seien weitere zwei Prozent Treibstoffersparnis auf den Ersatz der Zwillingsbereifung durch die Einzelbereifung der Antriebsachse mit Michelin X One, zurückzuführen. Bei einem Zug, der jährlich durchschnittlich 150.000 Kilometer zurücklegt und etwa 35 Liter Treibstoff auf 100 Kilometern verbraucht, liegt die Treibstoffersparnis im Jahr entsprechend bei 4.000 Litern. Eines der Hauptanliegen von Transportunternehmen sei es natürlich stets, die Betriebskosten zu reduzieren. Ansatzpunkte für Kostensenkungen liegen in den Bereichen Treibstoffersparnis und Nutzlaststeigerung. Der Energieverbrauch falle also beim Michelin X One verglichen mit der Zwillingsbereifung deutlich geringer aus (zwei Reifenflanken anstelle von vier). Aber auch beim Rollwiderstand schneide die Einzelbereifung deutlich besser ab als die Zwillingsbereifung. Davon konnten sich die Teilnehmer der Präsentation im spanischen Almeria anhand eines plastischen Tests überzeugen: Das mit X One bereifte Fahrzeug rollte auf einer leicht abschüssigen Straße wesentlich weiter als der Lkw mit Standardbereifung.

Die optimale Fahrzeugkonfiguration von Sattelzugmaschine und Auflieger soll zukünftig wie folgt aussehen, wenn es nach den französischen Reifenmachern ginge: Der Michelin X One 495/45 R 22.5 XDA 2 Energy ersetzt die Zwillingsbereifung auf der Antriebsachse, die Lenkachse ist mit dem Spritzwasser reduzierenden Michelin 385/55 R 22.5 XFA 2 Energy „Anti-Splash“ bereift, und die drei Achsen des Trailers sind mit Michelin 385/55 R 22.5 XTA 2 Energy bestückt. Die permanente elektronische Luftdrucküberwachung durch das IVTM-System ersetzt die manuelle Prüfung des Luftdrucks der zehn Reifen an Sattelzugmaschine und Trailer (ohne X One sind dies sogar 12 Reifen, die überprüft werden müssen). Im Falle eines Luftdruckverlustes informiert das System den Fahrer sofort, so dass dieser umgehend die nächstgelegene Service-Station ansteuern kann, die ihm der europaweite Pannenservice Michelin Euro Assist nennt. Ein umfangreiches Netzwerk von rund 3.000 Service-Stationen in ganz Europa gewährt eine schnelle Bearbeitung des Schadensfalls. Die durchschnittliche Zeit vom Anruf bis zur Weiterfahrt liege beim Michelin Euro Assist bei rund 2,5 Stunden.

In den USA wird der Michelin X One – unter anderem auf dem Freightliner Coronado – schon seit drei Jahren angeboten und mache sich dort gut am Markt, so Olaf Henning. Ein Grund liegt mit Sicherheit auch darin, dass in den Vereinigten Staaten viele Lkw mit zwei Antriebsachsen ausgestattet sind; dies bedeutet auch eine Erhöhung der Nutzlast um 260 Kilogramm, da nicht mehr vier durch zwei, sondern acht durch vier Reifen im X One-Format ersetzt werden. Für Stadtbusse ist der Superbreitreifen als Michelin X One XDU 455/45 R 22.5 in Europa seit mehr als einem Jahr erhältlich und bringe hier im Vergleich zur traditionellen Zwillingsbereifung rund vier Prozent Treibstoffersparnis. Diesen Wert ermittelten der rheinisch-westfälische TÜV und die französische UTAC (Union Technique de l’Automobile, du Monocycle et du Cycle). Die bayrische Brauerei Rapp nahm Anfang Juli 2003 europaweit die ersten beiden Exemplare der mit Michelin X One bereiften MAN-TGA-Trucks in Empfang. Sie sind täglich im nationalen Fernverkehr zur Versorgung des firmeneigenen Lagers im Einsatz. Auch wolle MAN auf der European Road Transport Show 2003 in Amsterdam (17. bis 25. Oktober) den Superbreitreifen von Michelin auf seinen Modellen präsentieren, sagte Dr.-Ing. Karl Viktor Schaller im Gespräch mit der NEUEN REIFENZEITUNG. Der Leiter Technik der MAN-Geschäftseinheit Schwere Lkw vom Münchener Nutzfahrzeugbauer ließ sich die X One-Präsentation in Almeria ebenfalls nicht entgehen.

Mit einer Nennbreite von 495 Millimetern ist der Michelin X One 495/45 R 22.5 XDA 2 Energy momentan der breiteste Serienreifen auf dem Markt. Sein Außendurchmesser ist mit 1.036 Millimetern etwa gleich groß wie der einer entsprechenden Zwillingsbereifung. Der neue Superbreitreifen kann mit herkömmlichen Montagemaschinen für Stahl- oder Leichtmetallfelgen mit einem Nenndurchmesser von 22.5 und einer Nennbreite von 17 montiert werden. Der X One biete die bewährten Vorteile der Michelin-Produktlinie A 2 Energy, die auf geringe Treibstoff- und Betriebskosten sowie lange Lebensdauer optimiert ist. Diese Vorteile würden in erster Linie durch geringen Rollwiderstand und die verstärkte Bauweise in Wulstzone und Lauffläche erreicht. Die massive und stark profilierte Lauffläche des X One ermögliche eine optimale Traktion während des gesamten Reifenlebens. Die leistungsfähige Gummimischung mit hoher Widerstandsfähigkeit und die besondere Profilierung sorgen für eine hohe Kilometerlaufleistungen, verspricht der Hersteller. Die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 110 km/h. Wie alle Michelin-Lkw-Reifen kann der X One sowohl nachgeschnitten als auch in der Michelin-Werksrunderneuerung im Remix-Verfahren runderneuert werden.

Der Michelin X One 495/45 R 22.5 XDA 2 Energy benötigt weniger Platz als die traditionelle Zwillingsbereifung (je zwei Reifen der Dimension 315/70 R 22.5) und bietet die Möglichkeit, die hintere Spur um 170 mm zu verbreitern. Berücksicht man dies bei der Konstruktion, so verbreitert sich die Federspur um beachtliche 340 Millimeter. Diese Spurverbreiterung sorgt für ein stabileres Fahrverhalten. Der Chassis-Konstrukteur gewinnt zusätzlichen Raum, der für neue Fahrwerkskonzepte genutzt werden kann.

Ein zusätzliches Argument für die Einzelbereifung mit Michelin X One ist der Nutzlastgewinn: Immerhin sind zwei auf Stahlfelgen montierte Michelin X One-Reifen (Gewicht ca. 306 kg) runde 42 Prozent leichter, als die entsprechende Zwillingsbereifung (315/70 R 22.5 XDA 2 Energy), die immerhin 436 kg auf die Waage bringt. In einem Markt, in dem jedes Kilogramm Nutzlast hart umkämpft ist, sind 130 kg Zuladung, gerade bei Tankzügen ein Wettbewerbsvorteil. „Im Nutzfahrzeuggewerbe zählt jedes Kilo“, konstatierte folglich auch Olaf Henning. Schon nach 200 Transport-Fahrten ist eine eigene Transportfahrt herausgefahren bzw. gewonnen – ein klarer Beitrag zur Verbesserung des Betriebsergebnisses. Wenn statt der Stahlfelgen von Gianetti Ruoto S.p.A., wie MAN sie nutzt, ab April des kommenden Jahres auch Aluminiumfelgen von Alcoa für den X One zur Verfügung stehen, kommen noch einmal 60 Kilogramm hinzu, die an zusätzlicher Fracht aufgenommen werden können.

85 Prozent aller Reifenpannen sind auf schleichenden, unbemerkten Druckverlust zurückzuführen. Bei Nutzfahrzeugen gehören Reifenschäden mit 26 Prozent zur zweithäufigsten Pannen-Ursache. Zusammen mit Wabco (Marktführer bei pneumatischen und elektronischen Systemen für Nutzfahrzeuge) und Schrader-Bridgeport hat Michelin das Luftdrucküberwachungssystem IVTM (Integrated Vehicle Tire Pressure Monitoring) entwickelt. Es erkennt schleichende Druckverluste, lange bevor sie zur Gefahr werden. Bei allen Sattelzugmaschinen, die in der Erstausrüstung mit Michelin X One ausgestattet sind, wird IVTM standardmäßig installiert. Das IVTM-System misst kontinuierlich den Reifendruck und warnt über ein Display am Armaturenbrett bei kritischen Werten und Luftverlust. Der Fahrer kann sofort reagieren und erforderliche Stopps rechtzeitig einplanen. Ohne Luftdruckkontrollsystem rechnet man in der Nutzfahrzeugbranche alle 1,5 Jahre mit einer Fahrzeugpanne, mit IVTM nur alle sieben Jahre. Unnötige Standzeiten und kostspielige Reparaturen werden vermieden. Die ständige Kontrolle des Luftdrucks hat weitere Vorteile: Zu geringer Reifenfülldruck, der den Rollwiderstand erhöht, kann konsequent vermieden und somit der Kraftstoffverbrauch gesenkt werden. Zudem wirkt sich die erhöhte Walkarbeit des Reifens bei geringem Luftdruck negativ auf die Reifenlebensdauer aus. Jeder Reifen ist mit einem Radmodul ausgestattet, das außen an der Felge befestigt ist, so dass bei Reifenwechsel oder Rädertausch das System nicht neu konfiguriert werden muss. Mit Hilfe von Sensoren prüfen die Module den Reifendruck und übertragen die Daten über Funk in regelmäßigem Takt an das ECU (Electronic Control Unit) genannte, elektronische Steuergerät, das am Fahrzeugchassis montiert ist. Durch einen speziell entwickelten Auswertealgorithmus werden kritische Abweichungen von den Sollwerten, wie sie bei Leckagen auftreten, erkannt. Das Display am Armaturenbrett warnt den Fahrer optisch und akustisch. Gelbe und rote Signallampen weisen auf geringen bzw. kritischen Druckverlust hin. Ein Knopfdruck zeigt die Position des betroffenen Reifens und dessen aktuellen Reifendruck. Die Reifendrucküberwachung erfolgt auch, wenn das Fahrzeug steht.

Selbst IVTM kann plötzliche, gravierende Reifenschäden, wie sie z.B. durch heftigen Aufprall verursacht werden, nicht verhindern. Deshalb wird bei Sattelzugmaschinen, die in der Erstausrüstung – und nur hier – mit Michelin X One ausgestattet sind, serienmäßig das elektronische Stabilitätsprogramm ESP installiert. Im Falle einer Panne, etwa eines plötzlichen Druckverlustes, greift das System automatisch ein, reguliert die Bremsstärke an jedem Rad individuell und hält das Fahrzeug auf der richtigen Spur. ESP erhöht die Fahrzeugstabilität in Kurven, auf nassen Straßen, bei Spurwechseln und plötzlichen Ausweichmanövern. Dass die Fahrzeugstabilität im Falle eines Reifenplatzers wirklich durch die Sicherheitssysteme gewährleistet ist, bevor überhaupt der Fahrer reagieren kann, zeigte sich auch im Praxistest auf dem Michelin-Gelände in Almeria.

Fahrzeug- wie Reifenpannen sind in der Regel mit Zeitverlusten und Terminproblemen verbunden. Die Folgen sind geringere Wettbewerbsfähigkeit, zusätzliche Kosten und ein Imageverlust gegenüber dem Kunden. Eine einfache und schnelle Behebung der Probleme bietet der Pannenservice Michelin Euro Assist. Michelin Euro Assist ist europaweit an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr erreichbar. Der Service wird über kostenlose Rufnummern angewählt und vermittelt dem Fahrer direkt einen der 3.000 Reifen- und Pannendienste. Der Schaden wird unmittelbar nach Eintreffen des Fahrzeugs behoben. Michelin Euro Assist hilft Ausfallzeiten auf ein Minimum zu reduzieren. Die Bearbeitungskosten sind pauschal festgelegt, die Bezahlung erfolgt bargeldlos. Die Rechnung wird direkt zum Transportunternehmen gesandt. Euro Assist übernimmt auch die Kosten für die Wiederverwertung oder Entsorgung von ersetzten Reifen.
arno.borchers@reifenpresse.de

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