Michelin stellt Wettbewerber in den Schatten

Umsatz rauf (+ 2,5 %), Operating Profit runter (-10,5 %) und einen gegenüber 2000 um 28,4 % rückläufigen Nettogewinn. Dennoch konnte sich das Management sehr zufrieden und zuversichtlich zeigen, denn das wirtschaftliche Umfeld des letzten Jahres war extrem schwierig und zwar sowohl in Europa als auch in Lateinamerika und last but not least durch die Folgen des 11. September vor allem in den USA. Mit diesen Problemen sind die Franzosen jedoch am besten fertig geworden. Sie hatten schon früh im Vorjahr einen Operating Profit von 6,2 % bis 6,8 % vom Umsatz prognostiziert und mit 6,6 % ist ihnen dann sozusagen eine Punktlandung gelungen! Allen Widrigkeiten zum Trotz. Zwar betrug der Operating Profit 2000 noch 7,6 % vom Umsatz, doch die nun erreichten 6,6 % sind einmalig gut in der Reifenbranche und auch im Feld der Zulieferer für die Automobilindustrie ist kein Unternehmen zu sehen, dass dieses Resultat annähernd erreichen konnte. Bridgestone konnte aus den allseits bekannten Gründen nicht Schritt halten und Goodyear hat nach der Dunlop-Akquisition immer noch nicht Fuß fassen können, muss vielmehr einen Verlust für 2001 ausweisen. Da muss man über das Resultat des Continental-Konzerns schnell den Mantel des Schweigens werfen, denn hier werden 250 Millionen Euro Verlust erwartet. Obwohl Conti mit Pkw-Reifen gut verdient haben soll, ist der deutsche Konzern nach Ansicht von Analysten der Deutschen Bank "in der Notaufnahmestation". In Anbetracht dieses gesamten Umfeldes sind die Zahlen von Michelin noch wertvoller. Und so klingen auch die Ankündigungen, im laufenden Jahr einen Operating Profit zwischen 7,4 % und 6,7 %, abhängig vom wirtschaftlichen Verlauf der großen Märkte Europa und USA, sehr glaubwürdig. Es gereicht dem Unternehmen jetzt zum großen Vorteil, dass das Management zu keiner Zeit zur kurzfristigen Erreichung irgendwelcher Ziele die Zukunft des Konzerns in Zweifel gezogen hat, sondern Geduld walten ließ und lieber sich sogar mal schlechter präsentierte als es möglich gewesen wäre. Der Konzern hat, so viel machte Edouard Michelin wiederum sehr deutlich, eine ganz klare Strategie und er hat die richtigen Leute, die in der Lage und willens sind, diese Strategie konsequent umzusetzen. Umsatz und Ertrag der Divisions Mit einem Umsatz von 7,982 Milliarden Euro – das sind 50,6 % vom Gesamtumsatz – liegt die Pkw- und Leicht-Lkw-Divsion weit vorn und steuert mit 711 Millionen Euro gleich 68,4 % zum Operating Profit bei. Das entspricht einer Operating Margin von 8,9 %, und das obwohl Michelin in großem Umfang Lieferant in die Erstausrüstung ist, die als wenig profitabel gilt. Möglich wurde dieses Ergebnis durch eine weitere Verbesserung des Produktmix sowohl in Europa als auch in USA sowie durch Durchsetzung höherer Preise in den wichtigsten Märkten. Michelin wird diesen Weg, hin zu teuren Superbreitreifen, noch weiter forcieren und dabei wird nicht zuletzt das Formel 1-Engagement helfen. Die Chancen, bereits dieses Jahr den Weltmeistertitel zu holen, stehen gar nicht so schlecht. Wie wichtig das Produktmix ist, zeigt sich daran, dass noch 1998 62 % aller Pkw-Reifen Massen-Größen waren und nur 30 % dem Performance-Bereich zuzurechnen waren. Inzwischen beträgt das Verhältnis schon 49 % zu 43,4 %. Ein Großteil der Investitionen der letzten Jahre, auch des letzten Jahres, ist in die Fabriken gegangen, um den Wechsel zu High-Performance-Reifen im größeren Stil auch möglich zu machen. Lkw-Division Wer verdient schon mit Nutzfahrzeugreifen zur Zeit Geld? Fragen dieser und ähnlicher Art werden gerne von Konkurrenten gestellt, die mit Nutzfahrzeugreifen derzeit Hemd und Hose zugleich verlieren. Michelin jedenfalls macht Geld damit. Der Umsatz in dieser Division belief sich auf 3,915 Milliarden Euro (24,8 % vom Konzernumsatz) bei einem Operating Profit von 343 Millionen Euro, entsprechend satten 8,8 % vom Umsatz. Und dieses Ergebnis war möglich, obwohl in USA der Erstausrüstungsmarkt nahezu zusammenbrach und in Europa der Ersatzmarkt in die Knie ging und zu allem Unglück auch noch Brasilien in Turbulenzen geriet mit der Folge hoher Währungsabschläge. Während sich in Europa Preiserhöhungen durchsetzen ließen, waren Versuche dieser Art in USA nicht von Erfolg gekrönt, so dass man im laufenden Jahr einen neuen Anlauf nehmen wird. Insbesondere im Geschäft mit Nutzfahrzeugreifen zeigt sich, dass Michelin mehr als Reifen bietet, sondern ein ganzes System verkauft. Beginnend mit dem Neureifen und einer anerkannten Karkasse, dem folgenden Nachschneiden (das eine gut ausgebildete und effizient arbeitende Mannschaft besorgt bzw. überwacht) bis hin zur Runderneuerung (Werkserneuerung Remix im Heißverfahren sowie das Franchise-Netz Recamic im Kaltverfahren) und wiederum weitere Betreuung bis zum Nachschneiden. Das setzt eine gute "Infrastruktur" voraus, die Michelin eben u. a. durch die Euromaster-Organisation, aber auch durch die gezielte Zusammenarbeit mit professionell arbeitenden Reifenhändlern sichert. Insofern reicht es nicht aus, wenn ein Wettbewerber meint, allein eine bessere Laufleistung als Michelin im "ersten Leben" erreichen zu können. Konkurriert wird gegen das Gesamtsystem. Andere Reifen, andere Aktivitäten Nicht alles ist gleich Gold, was glänzt. In der Division “Other Activities” (u. a. Zweiradreifen, EM- und Flugzeugreifen, Einzelhandel, Automotive Field) setzte der Michelin-Konzern zwar 4,9 Milliarden Euro um, ohne einen Operating Profit erreicht zu haben. Im Gegenteil: minus 14 Millionen Euro bzw. minus 0,3 % vom Umsatz. Viel Kraft und Energie wird man noch aufzuwenden haben, um aus diesem Geldwechselgeschäft eine Division zu schaffen, die in der Lage ist, einen nennenswerten Ergebnisbeitrag liefern zu können. Globale Präsenz Auf Michelin, und dann noch Bridgestone und Goodyear, trifft die Bezeichnung Global Player zu. Bereits jetzt wird mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes außerhalb von Europa erwirtschaftet (47 % Europa, 40 % Nordamerika, 13 % Lateinamerika, Asien und Rest der Welt). Insbesondere in Asien ist und bleibt Michelin auf Aufholjagd. In Japan werden derzeit noch die meisten asiatischen Umsätze erzielt und das Joint Venture mit Warrior wird und soll Michelin mittel- oder langfristig zum Reifenhersteller Nr. 1 im größten Land der Erde machen. In Europa hat Michelin bereits vor zwei Jahren ein Restrukturierungsprogramm begonnen, das planmäßig läuft. Seit einigen Monaten wird auch im "Billiglohnland" Rumänien (vormals Tofan) produziert und in Russland ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Franzosen auch dort ihre Reifen bauen können. Dort geht man allein und ohne russischen Partner voran. Gegen diese feste Bastion haben es Wettbewerber sehr schwer. Am eindrucksvollsten kommen die Franzosen aber ganz offensichtlich auf dem größten Einzelmarkt der Welt, den USA, voran. Und zwar sowohl mit Pkw- als auch mit Nutzfahrzeugreifen, sowohl mit ihrer Marke Michelin als auch mit den weiteren "Flag Brands" BFGoodrich und Uniroyal, die sie zu einer sehr tragfähigen und wettbewerbsfähigen Mehr-Marken-Strategie geführt haben. Nichts, so scheint es momentan, kann die Franzosen aufhalten. Da begann Anfang vergangenen Jahres Bandag-Chef Martin Carver einen Kampf mit Michelin, der nicht allein über Markt und Marketing ausgetragen werden sollte, sondern auch über juristische Häkeleien. Das hatte Carver sich auch einfacher vorgestellt, denn Michelin hat die Aufforderung zum Kampf angenommen und denkt gar nicht daran, dem Runderneuerer Bandag irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Das Bandag-Management beklagt inzwischen die hohen "Legal Costs" und wäre wahrscheinlich sehr froh, den begonnenen Streit irgendwie und sehr schnell beilegen zu können. Doch entsprechende Signale kamen bisher weder aus Clermont-Ferrand noch aus Greenville. Man wird also abwarten müssen, wie die Dinge sich entwickeln. Ausblick Michelin will die immer noch relativ schwache asiatische Präsenz bis 2005 spürbar verstärken, strebt nach der Nr.-1-Position in China und anderen asiatischen Ländern und will, weitaus wichtiger, bis zum Jahre 2005 die Grundlagen dafür geschaffen haben, jährlich einen Operating Profit von 10 % vom Umsatz erreichen zu können. Wie kaum ein anderes Unternehmen hat Michelin stets in Forschung und Entwicklung investiert, im letzten Jahr sage und schreibe 702 Millionen Euro. Und dies zahlt sich natürlich auch aus. Wie es heute aussieht, ist Michelin in der Tat besser positioniert als jeder andere vergleichbare Wettbewerber und die Aussichten sind als recht günstig zu bezeichnen, dass sich die Franzosen noch weiter werden absetzen können. Sie haben im Übrigen auch eine Reihe viel versprechender Zusammenarbeiten – so u. a. mit Bosch und TRW bzw. mit Goodyear, Sumitomo Rubber Industries und Pirelli für Pax – initiiert, die sich auszuzahlen beginnen. Und nun ist allmählich das viel beschriebene wirtschaftliche Umfeld auch wieder auf Seiten der Reifenhersteller, denn die Rohstoffe sind schon seit Monaten weitaus billiger geworden. Doch die sich daraus ergebenden Früchte kann man erst etwa ein halbes Jahr, nachdem sie sich ergeben, zu sehen bekommen. Der Analyse von Edouard Michelin, sein Konzern habe die Führerschaft im letzten Jahr in einem sehr schwierigen wirtschaftlichen Umfeld verstärken können, kann man kaum widersprechen. klaus.haddenbrock@reifenpresse.de

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